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Depression: Warum erscheinen uns Sorgen nachts schlimmer?

Epidemiologische Studien zeigen, dass nächtliche Sorgen weit verbreitet sind: Das Stimmungstief tritt bei vielen, wenn nicht sogar bei allen Menschen bisweilen auf. Woran liegt das?
Schlaflos

Vielleicht zählen Sie auch zu den Menschen, die folgendes Phänomen bereits erlebt haben: Man erwacht mitten in der Nacht oder früh am Morgen und kann nicht mehr einschlafen. Die Gedanken beginnen um irgendein Problem zu kreisen. In dieser Situation erscheint die Sache plötzlich als sehr belastend und deutlich gravierender als am Tag. Das ändert sich nach dem Aufstehen: Nun sind die Sorgen üblicherweise nur noch halb so schlimm und alsbald wieder vergessen. Warum also wird nachts die Mücke manchmal zum Elefanten?

Epidemiologische Studien zeigen, dass solche Erfahrungen weit verbreitet sind: Ein nächtliches Stimmungstief tritt bei vielen, wenn nicht sogar bei allen Menschen bisweilen auf. Salopp ausgedrückt rutschen wir vorübergehend in eine "kleine Depression". Bei manchen dauert das noch bis in die Morgenstunden an -man spricht dann vom morgendlichen Stimmungstief. Stört das Wachliegen und Grübeln die Nachtruhe so beträchtlich, dass sich infolgedessen unser Wohlbefinden am Tag verschlechtert, könnte das auf eine Schlafstörung hinweisen. Zunächst einmal ist das Phänomen jedoch vollkommen normal und kein Grund zur Beunruhigung.

Weshalb aber blasen wir gerade nachts vermehrt Trübsal? Frühmorgens, zwischen drei und vier Uhr, arbeitet der Organismus der meisten Menschen auf "Sparflamme". Der Körper hat ein Leistungstief, auch seine Temperatur liegt niedriger als üblich. Müdigkeit ist die Folge, und normalerweise schläft man deshalb auch. Für diesen Zustand ist unter anderem das Hormon Melatonin verantwortlich, das der Körper während dieser Zeit verstärkt ausschüttet. Es versetzt den Organismus gewissermaßen in einen Ruhemodus und entfaltet im Schlaf seine wohltuende Wirkung. Sind wir in dieser Zeit allerdings wach, sinkt infolge erhöhter Melatoninkonzentration die Laune. Etliche Personen kennen das aus den Wintermonaten: Man bekommt weniger Sonnenlicht ab als im Sommer, der Melatoninspiegel liegt nun auch am Tag höher. Das kann die Stimmung trüben – bisweilen so sehr, dass eine Winterdepression entsteht.

Wenn wir nun zur "falschen" Zeit, also in der Nacht, wach sind, spüren wir vermutlich den negativen Effekt des erhöhten Melatoninspiegels. Ausreichend belegt ist das jedoch nicht. Das liegt am komplexen Wechselspiel der Hormone im Körper; Ursache und Wirkung lassen sich oft nur schwer bestimmen.

Ein weiterer Grund für eine sorgenreiche Nachtruhe ist wohl ganz offensichtlich: Nachts sollen und wollen wir schlafen. Liegen wir stattdessen wach, und das vielleicht nicht zum ersten Mal, hadern wir mit uns. Das fördert ebenfalls Grübeleien. Die mangelnde Ablenkung tut ein Übriges; es ist dunkel und still, womöglich sind wir allein, oder der Partner schläft tief und fest. Darüber hinaus fühlen sich manche im Dunkeln unwohl. Diese Umstände führen zwar nicht unbedingt dazu, dass wir uns vermehrt sorgen, gleichwohl befeuern sie negative Gedanken.

Falls Sie sich also in Zukunft mal wieder im Bett wälzen und Ihnen eine Angelegenheit Kopfzerbrechen bereitet, versuchen Sie sich klarzumachen, dass Ihr Hormonhaushalt mit daran schuld ist. Die Welt wird – aller Voraussicht nach – bei Tageslicht schon wieder viel besser aussehen. Falls das nichts bringt, stehen Sie auf, knipsen Sie ein schwaches Licht an, und versuchen Sie sich abzulenken. Spätestens dann sollte sich der Elefant wieder in eine Mücke verwandeln. In diesem Sinne: Schlafen Sie gut und sorgenfrei! Und falls dies nicht immer funktioniert, so ist auch das normal.

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  • Quellen

Kunz, D., Mahlberg, R.: A Chronobiotic that not only Shifts Rhythms. In: Lader, M. H. et al. (Hg.): Sleep and Sleep Disorders. A Neuropsychopharmacological Approach. Springer Science+Business Media, New York 2006, S. 100–106

Kunz, D., Zulley, J.: Zirkadiane und zirkannuale Rhythmen der Befindlichkeit. In: Kasper, S., Möller, H. J. (Hg.): Herbst-/Winterdepression und Lichttherapie. Springer, Wien 2004, S. 213–221

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