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Himmlischer Genuss: Schmeckt Tomatensaft im Flugzeug wirklich besser?

Kaum im Flugzeug angekommen, bestellt jeder dritte Fluggast Tomatensaft - denn der soll über den Wolken besonders gut schmecken. Was lange nur eine Vermutung war, lässt sich wohl auch wissenschaftlich bestätigen. Doch was genau passiert da mit unserem Geschmackssinn?
Tomatensaft

Wieso erfreut sich Tomatensaft im Flugzeug so großer Beliebtheit, wird aber sonst eher verschmäht? Ist das ein rein psychologischer Effekt, oder steckt mehr dahinter? Im Auftrag der Lufthansa sind Forscher vom Fraunhofer-Institut in Holzkirchen dieser Frage nachgegangen. Dazu luden sie zum kulinarischen Vergleichstest in einen ausgemusterten Airbus A310, der sich in einer Druckkammer befand. Die Versuchsteilnehmer bekamen verschiedene Speisen und Getränke serviert, einmal bei Normaldruck und einmal bei Druckverhältnissen, wie sie normalerweise an Bord herrschen. Und tatsächlich veränderten sich die Geschmacksempfindungen der Testpersonen. Tomatensaft mochten sie bei Niederdruck plötzlich lieber. Die Teilnehmer beschrieben seinen Geschmack nicht mehr wie zuvor als »muffig«, sondern als fruchtig, süß und erfrischend.

Grund dafür ist wohl zum einen die niedrige Luftfeuchtigkeit im Flugzeug, durch die unsere Nasenschleimhäute austrocknen. Flüchtige Aromastoffe können wir unter diesen Bedingungen schlechter wahrnehmen, in etwa so, als hätten wir einen Schnupfen. Unter dem geringen Luftdruck in der Kabine löst sich außerdem weniger Sauerstoff in unserem Blut. Das wirkt sich möglicherweise negativ auf die Leistungsfähigkeit unserer Geruchs- und Geschmacksrezeptoren aus. Die Geschmacksschwelle für Zucker, Salz und verschiedene Gewürze steigt jedenfalls um etwa 20 Prozent an, so dass viele Speisen im Flugzeug fade schmecken. Säuerliche und bittere Anteile werden weiterhin unverändert wahrgenommen, weshalb Getränke und Speisen mit Zitrone oder trockener Weißwein über den Wolken eher unbeliebt sind. Die veränderte Geschmackswahrnehmung wirkt sich allerdings beim Tomatensaft positiv aus, der nun nicht mehr muffig-erdig schmeckt, sondern fruchtig-süß.

Es gibt aber wohl noch einen weiteren Einfluss, nämlich Flugzeuggeräusche, die in der Kabine bis zu 85 Dezibel betragen können. Wie amerikanische Psychologen zeigten, trübt der Lärm unseren Geschmackssinn. Hierzu simulierten sie die Geräuschkulisse in Flugzeugen und setzten ihren Testpersonen unterschiedlich stark verdünnte Proben in verschiedenen Geschmacksrichtungen vor. Die Wahrnehmung von sauren, bitteren oder salzigen Nuancen blieb vom Lärm unbeeinflusst. Allerdings verringerte sich die Sensibilität für Süßes. Die fleischige Geschmacksrichtung – umami – wurde dagegen verstärkt wahrgenommen. Auch wenn die Gründe dafür im Dunkeln liegen, scheinen sich unsere Sinne im Flugzeug also tatsächlich zu verändern. Der schlechte Ruf des Flugzeugessens ist demnach möglicherweise nicht nur ein Qualitätsproblem.

Neben der Lufthansa hat sich die Fluglinie Singapore Airlines dieses Problems angenommen und dafür sogar zahlreiche Spitzenköche engagiert, die Essen speziell für Fluggäste kreieren sollen. Jedes einzelne Gericht wird in einer Druckkammer auf seine Tauglichkeit getestet. Dabei haben sie zum Beispiel herausgefunden, dass Fisch an Bord schnell trocken wird und dass Kuchen mit weicher, eher pampiger Konsistenz unter Flugbedingungen bevorzugt wird. Allerdings sind kulinarischen Genüssen an Bord schon aus hygienischen Gründen Grenzen gesetzt, denn alle Speisen müssen vorgekocht und dann später im Flugzeug wieder erhitzt werden. Beim Tomatensaft hat man solche Probleme nicht, der kommt einfach aus der Flasche und kann eine kleine Mahlzeit schon mal ersetzen.

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