Direkt zum Inhalt

Attraktivität: Suchen wir uns Partner, die unseren Eltern ähneln?

Tendenziell erscheinen uns Menschen anziehender, die mit unserem Vater beziehungsweise unserer Mutter äußerlich manches gemeinsam haben. Mit dem freudschen Ödipuskomplex hat das aber nichts zu tun.
Frau und Mann im Profil, schauen einander an.

Immer wieder findet man auch in recht seriösen Medien die Behauptung, dass Frauen unbewusst einen Partner suchen, der ihrem Vater ähnelt, und dass Männer besonders Frauen begehren, die der eigenen Mutter ähnlich sehen. »Freud hatte doch Recht«, so heißt es dazu noch gerne. Der Wiener Nervenarzt behauptete vor mehr als 100 Jahren in seiner Theorie vom »Ödipuskomplex«, alle Jungen im Alter von drei bis fünf Jahren würden ihre Mutter sexuell begehren. Als Erwachsene würden sie sich daran jedoch nicht mehr erinnern, weil sie diese Gedanken verdrängt hätten. Später behauptete Freud auch über kleine Mädchen, sie würden ihre Väter begehren, und nannte dies den »Elektrakomplex«.

Heute dient Freuds Ödipuskomplex als Lehrbuchbeispiel für eine nach wissenschaftlichen Kriterien schlechte Theorie und sorgt in Psychologievorlesungen zuverlässig für Erheiterung. Umso mehr horcht man auf, wenn vermeldet wird, an Freuds Theorie sei doch etwas dran. So ergab zum Beispiel eine Untersuchung des schottischen Attraktivitätsforschers David Perrett, Männer würden bei der Partnerwahl häufig Frauen bevorzugen, die der eigenen Mutter ähneln. Ebenso würden Frauen Männergesichter präferieren, die ihrem Vater gleichen. Diese Befunde prangten wenig später unter der Überschrift »Why your mother is your dream lover« (»Warum deine Mutter deine Traumpartnerin ist«) auf dem Wissenschaftsmagazin »New Scientist«.

Kennt man Details der Studie, erscheint diese Interpretation jedoch fragwürdig. Männer bekamen für einen Sekundenbruchteil Fotos von fremden Frauen präsentiert. Was sie nicht wussten: Darunter war auch jeweils ein Foto von ihnen selbst, jedoch mittels Morphing-Software in Richtung eines durchschnittlichen Frauengesichts verfremdet. Für weibliche Teilnehmer schufen die Forscher entsprechend einen Mix aus dem Konterfei der Probandin und einem Männerdurchschnittsgesicht. Dieses Antlitz wurde im Schnitt als besonders attraktiv bewertet, denn es habe – so die Deutung – Ähnlichkeit mit der Mutter beziehungsweise dem Vater der jeweiligen Versuchsperson.

Wir haben eine Vorliebe für Dinge, die uns vertraut sind

Die Erklärung der Forscher wich allerdings von Freuds Idee ab. Die Probanden würden in diesem Gesicht den eigenen gegengeschlechtlichen Elternteil wiedererkennen, wie dieser aussah, als die Teilnehmer noch Babys waren – ein Hinweis auf eine mögliche frühkindliche Prägung, auch »sexual imprinting« genannt. Doch diese Interpretation hat einen Haken: Ein Partner, der einem Elternteil von uns nahekommt, sieht immer auch uns selbst ähnlich. Schließlich teilen wir im Schnitt 50 Prozent unserer Gene mit unseren Erzeugern.

Was gefällt nun also Männern an dem manipulierten Gesicht: die Ähnlichkeit mit der eigenen Mutter oder vielleicht eher die Ähnlichkeit mit sich selbst? Auch für diese Alternativerklärung gibt es gute Argumente. Seit Langem ist belegt, dass wir eine generelle Vorliebe für Dinge haben, die uns vertraut sind (Forscher sprechen vom »mere exposure effect«). Demnach erscheinen uns Gesichter, die dem eigenen Spiegelbild nahekommen, grundsätzlich sympathischer. Mit dem Aussehen eines Elternteils muss dies nicht unbedingt etwas zu tun haben.

Die Attraktivitätsforschung kennt zahlreiche äußerliche Merkmale, die für die emotionale Bewertung und Partnerwahl nachweislich wichtiger sind. Dazu gehören Jugendlichkeit und Gesundheit, vor allem das Erscheinungsbild der Haut, geschlechtstypische Merkmale wie ein kantiges Kinn oder große Augen sowie das Fehlen von besonders negativ bewerteten Eigenschaften wie starker Asymmetrie oder Übergewicht.

Jenseits dieser Oberflächlichkeiten kennt die Psychologie weitere für die Partnerwahl bedeutsame Faktoren, die ebenfalls etwas mit Ähnlichkeit zu tun haben. Ein vergleichbares Bildungsniveau, soziales Milieu, Weltbild, Wertesystem und ein ähnlicher Lebensstil fördern der Forschung zufolge die gegenseitige Anziehung. »Gleich und Gleich gesellt sich gern«, sagt der Volksmund dazu. Allerdings gilt auch hier: Ein Partner, der uns in diesen Merkmalen ähnelt, ähnelt zugleich tendenziell auch unseren Eltern, eben weil wir selbst viel mit ihnen gemeinsam haben. Nur ist dieser Zusammenhang möglicherweise einfach zu banal, um Schlagzeilen zu produzieren.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Gründl, M.: Determinanten physischer Attraktivität – der Einfluss von Durchschnittlichkeit, Symmetrie und sexuellem Dimorphismus auf die Attraktivität von Gesichtern. Habilitation, Universität Regensburg 2013

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.