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Kosmologie: Urknall-Zerstrahlung: Wo ist bloß die Energie geblieben?

Laut dem Standardmodell der Kosmologie entstand beim Urknall fast gleich viel Materie und Antimaterie, die sich anschließend gegenseitig weitgehend auslöschten. Nur ein kleiner Rest Materie blieb übrig - aus ihm entstand das heute sichtbare Universum mit all seinen Galaxien, Sternen und Planeten. Aber was ist mit der Energie passiert, die bei der Zerstrahlung von Materie und Antimaterie freigeworden ist? Energie kann bekanntlich nicht vernichtet werden, nur umgewandelt.
Mit dem Urknall - auch Big Bang genannt - begann die Geschichte des Weltraums

Die Energie aus der Vernichtung der Materie und Antimaterie im frühen Universum muss in der Tat übrig geblieben und heute beobachtbar sein. Auch wenn es auf den ersten Blick unglaublich erscheint: Diese Energie ist in Form der schwachen Strahlung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds erhalten, um einen Faktor von fast 1015 rotverschoben und fast 1045 verdünnt.

Mit der Expansion des Universums sank die Temperatur ab, und es fanden teilchenphysikalische Prozesse statt, die der jeweiligen Temperatur entsprachen. So bildeten sich im Standardmodell rund zehn Mikrosekunden nach dem Urknall Baryonen und Antibaryonen aus dem Plasma, das zuvor aus Quarks und Gluonen bestand.

Baryonen-Asymmetrie | Aufbau von Protonen, Neutronen und ihren Antiteilchen aus jeweils drei Quarks beziehungsweise Antiquarks.

Es entstanden dabei ein klein wenig mehr Baryonen als Antibaryonen, wobei der Mechanismus für diese Baryonen-Asymmetrie bisher nicht verstanden ist. Die Größe der Asymmetrie beträgt rund 10-9, das heißt, es gab also für eine Milliarde Antibaryonen eine Milliarde und ein Baryon, die sich deshalb gegenseitig nicht vollständig vernichten konnten.

Das bedeutet allerdings, dass sehr viele Photonen bei der Vernichtung der Baryonen und Antibaryonen entstanden, und man muss 109 Photonen für jedes überlebende Baryon erwarten. Diese sind tatsächlich im kosmischen Mikrowellenhintergrund heute messbar und hatten wichtige Auswirkungen auf die Bildung der chemischen Elemente, weil sie das Verhältnis von Neutronen zu Protonen und den Zeitpunkt der Deuteriumproduktion bei der Elementsynthese wenige 100 Sekunden nach dem Urknall bestimmten.

Zerfall eines Protons |

Hypothetischer Zerfall eines Protons durch Vermittlung eines virtuellen X-Bosons. Das dabei entstehende neutrale Pion zerfällt sofort weiter in zwei Gammaphotonen. Experimente konnten bislang zeigen, dass Protonen auf der Zeitskala von 1040 Sekunden stabil sein müssen – das ist immerhin das 1023-Fache des Alters des Universums!

Die Asymmetrie selbst stammt in diesem Bild aus einer noch früheren Phase des Universums, als es wenige Pikosekunden alt war. Das Standardmodell kennt die Baryonenzahl als eine erhaltene Größe, was bedeutet, dass bei allen teilchenphysikalischen Prozessen, wie wir sie kennen, die Zahl der Baryonen minus die Zahl der Antibaryonen immer konstant sein muss. Daher braucht man Prozesse aus der noch gesuchten Vereinheitlichten Theorie der Wechselwirkungen, etwa den Zerfall von XBosonen, die bevorzugt in mehr Quarks als in Antiquarks (bei gleichzeitiger Ladungserhaltung) zerfallen und auf diese Weise die Baryonen-Asymmetrie erzeugen.

Die X-Bosonen sind postulierte Teilchen, die direkte Wechselwirkungen zwischen Quarks und Leptonen (wie dem Elektron) vermitteln können. Modelle, die diese Teilchen postulieren, hätten als interessante Konsequenz, dass selbst Protonen nicht mehr stabil wären, sondern auf großen Zeitskalen in ein Pion und ein Positron zerfallen, weil eines seiner Quarks sich in ein Positron verwandelt.

Mikrowellenstrahlung | Die Feuer der großen Vernichtungsschlacht der Baryonen leuchten heute nur noch schwach als universelle Mikrowellenstrahlung nach.

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