Gute Frage: Warum liegen wir nachts oft zwischen drei und vier Uhr wach?

Kennen Sie das? Sie haben sich auf eine geruhsame Nacht gefreut, werden aber viel zu früh wach – wie so oft gegen drei Uhr morgens. Zwar finden Sie irgendwann zurück in den Schlaf, doch wenn dann der Wecker klingelt, fühlen Sie sich wie gerädert. Dieses Zeitfenster, in dem viele Menschen aufwachen und erst einmal nicht wieder einschlafen können, heißt im Volksmund auch »Wolfsstunde«. Was passiert da?
Bereits in den 1980er Jahren hat der Züricher Schlafforscher Alexander Borbély eine Erklärung dafür etabliert. Das Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation gilt bis heute als eine der wichtigsten Grundlagen, um den Schlaf-wach-Rhythmus zu verstehen. Borbély benannte zwei komplementäre Vorgänge, die steuern, ob wir zu einem bestimmten Zeitpunkt eher zum Wachsein oder eher zum zum Schlafen neigen: »Prozess S« beschreibt den so genannten Schlafdruck. Dieser steigt, je länger wir wach sind, und nimmt ab, je länger wir bereits geschlummert haben. Wenn die Wolfsstunde anbricht, hat man in der Regel schon vier oder fünf Stunden geschlafen. Deshalb ist der Schlafdruck geringer als gleich nach dem abendlichen Einschlafen. Die Folge: Man wacht leichter auf.
Ebenso wichtig ist der »Prozess C« (für Englisch »circadian«), der zirkadiane Rhythmus. Dieser innere Taktgeber – meist minimal länger als 24 Stunden – wird vom Körper selbst generiert. Damit dieser Prozess mit dem Wechsel von Tag und Nacht übereinstimmt, stellen Umweltfaktoren die innere Uhr aber täglich neu. Vor allem das Licht spielt hier eine essenzielle Rolle. Die Prozesse S und C beeinflussen sich gegenseitig: So sorgt der zirkadiane Rhythmus tagsüber dafür, dass wir trotz ansteigenden Schlafdrucks wach bleiben. Umgekehrt lässt uns ein starker Schlafdruck auch dann müde werden, wenn die Sonne eigentlich noch hoch am Himmel steht.
Wachen wir »pünktlich« zur Wolfsstunde auf, hat das vor allem mit dem sinkenden Schlafdruck zu tun. Aber auch der zirkadiane Rhythmus kann sich bemerkbar machen: Am Morgen beginnt der Körper gemäß diesem Takt, Kortisol auszuschütten. Das Hormon wirkt wie ein natürlicher Wecker und hilft uns dabei, munter und aktiv zu sein. Bei Dauerstress kann es jedoch vorkommen, dass der Kortisolspiegel unzureichend absinkt oder zu früh wieder steigt. Gerade im Sommer kommen weitere Wachmacher hinzu: Die Morgendämmerung setzt ein, erste Vögel beginnen zu singen.
Besonders unangenehm ist das vorzeitige Aufwachen, wenn man am nächsten Tag zeitig raus muss. Der schwedische Forscher Torbjörn Åkerstedt hat gezeigt, dass Piloten, die im Schichtdienst arbeiten, besonders wenig Schlaf bekommen, wenn sie am kommenden Tag Frühdienst haben, etwa weil sie mitten in der Nacht aufschrecken und befürchten, das Klingeln des Weckers verpasst zu haben. Sie fühlten sich am häufigsten bei Flügen in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden müde.
In einem Überblicksartikel beschreiben unser Kollege Abubaker Ibrahim und wir, wie wichtig guter Schlaf für die Hirngesundheit ist. Schlaf fördert das Erinnerungsvermögen und die synaptische Plastizität, also die Fähigkeit des Denkorgans, sich an neue Begebenheiten anzupassen. Während der Ruhephase wird das Gehirn außerdem von Abfallstoffen gereinigt. Schlaf ist demnach enorm wichtig für die körperliche und psychische Gesundheit. Wer häufig schlecht schläft, sollte ärztlichen Rat einholen.
Allerdings: Manchmal schlafen wir sogar mehr, als wir denken. Gerade in den frühen Morgenstunden, wenn wir besonders viel Zeit im traumreichen REM-Schlaf verbringen, ähnelt die neuronale Aktivität, gemessen via Elektroenzephalografie (EEG), jener im Wachzustand. Wir glauben dann mitunter, wach zu liegen, obwohl wir eigentlich schlafen.
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