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Warum bereitet Speiseeis manchen Menschen Kopfschmerzen?

Er kommt ohne Vorwarnung, hält längstens eine Minute an, um danach wieder zu verschwinden, als ob nichts gewesen wäre: der Eiscreme-Kopfschmerz. Für bis zu 40 Prozent der Bevölkerung ist der Genuss der tiefgekühlten Leckerei, zumindest für ein paar Augenblicke, mit einem ziehenden Schmerz hinter der Stirn oder an den Schläfen verbunden. Wie kommt's?
Eisessen | Für manche Menschen ist die sommerliche Leckerei mit einem ziehenden Schmerz hinter der Stirn verbunden.
Drillingsnerv | Der Drillingsnerv mit seinen temperaturempfindlichen Rezeptoren steht im Verdacht, für den Eiscreme-Kopfschmerz verantwortlich zu sein.

Was dabei genau passiert, ist auch den Wissenschaftlern noch nicht ganz klar. Kopfschmerzen an sich sind schon ein Phänomen, das sich nicht so einfach erklären lässt, ist doch das Gehirn, welches einen großen Teil des Kopfes ausmacht, gar nicht schmerzempfindlich. Schmerzrezeptoren sitzen hier nur in den Gehirnhäuten und den Blutgefäßen – nur von ihnen können demnach Schmerzen ausgehen.

Und genau hier setzen die Erklärungsversuche an. Der Berliner Kopfschmerz-Experte Jan-Peter Jansen beschreibt das Leiden der vom Eiscreme-Kopfschmerz geplagten Menschen als eine Art vorübergehenden Krampf im Kopf. Seine Theorie schiebt den Blutgefäßen den schwarzen Peter zu: Wenn industriell hergestelltes Speiseeis mit seinen minus 16 Grad Celsius den Gaumen oder Rachenraum berührt, schlagen bei empfindlichen Menschen die dort befindlichen Kälterezeptoren Alarm. Das Gehirn reagiert mit dem Befehl "Blutgefäße verengen", um den drohenden Wärmeverlust auf ein Minimum zu reduzieren. Seiner Meinung nach kommt es zu einer Kettenreaktion, die auch hinter dem Gaumen liegende Blutgefäße verkrampfen lässt und so den – teils heftigen – Kopfschmerz verursacht.

Eine andere Theorie nimmt einen sensiblen Gesichtsnerv ins Visier, der unter anderem die Gesichtshaut, die Stirnhöhlenschleimhaut und einen Teil der Hirnhäute versorgt. Es ist denkbar, dass der Genuss von Speiseeis bei einigen Menschen temperaturempfindliche Rezeptoren des Drillingsnervs (Nervus trigeminus) aktiviert, welche dem Gehirn – überreizt durch den Kälteschock – nicht nur die Information "kalt", sondern auch die Botschaft "Schmerz" übermitteln.

Besonders häufig leiden diejenigen unter dem Phänomen, die ohnehin schon von wiederkehrenden Kopfschmerzen geplagt werden. 93 Prozent der Migränepatienten können die sommerliche Kugel Eis nicht ungestört genießen. Tatsächlich ist die Gefahr, von einem stechenden Schmerz hinter der Stirn attackiert zu werden, im Sommer am größten, denn zu dieser Jahreszeit ist der Körper öfter einmal überhitzt – dementsprechend stark sind dann die von den Kälterezeptoren wahrgenommenen Temperaturkontraste.

Doch auch der Winter stellt für die Betroffenen keine schmerzfreie Zone dar – besonders wer sein Eis sehr schnell in sich hineinschlingt, läuft Gefahr, dabei von Kopfschmerzen heimgesucht zu werden. Janusz Kaczorowski von der McMaster University in Hamilton forderte 145 Schulkinder im Winter dazu auf, eine Portion Speiseeis entweder möglichst hastig oder möglichst langsam zu verzehren. Aus der Schnellesser-Gruppe klagten anschließend 27 Prozent der Testpersonen über Kopfschmerzen, bei den Gemächlichen waren es nur 13 Prozent.

Ist der Eiscreme-Kopfschmerz gefährlich? Zwar sind die Zusammenhänge noch immer nicht geklärt, doch Forscher versichern, dass das Phänomen weder auf eine neurologische Erkrankung hinweist noch durch morphologische Veränderungen des Gehirns hervorgerufen wird.

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