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Milchspeise: Warum bildet Pudding Haut?

Bei Pudding scheiden sich die Geister: Manche bevorzugen Pudding mit Haut, andere können sie nicht ausstehen. Aber wie entsteht Puddinghaut? Wie bekommt man mehr davon, und lässt sie sich auch vermeiden?
Nur möglich mit Milchhaut: Russische Guriev-Kasha

Ob Vanille oder Schoko, als leichte Creme oder gestürzt – Milch, Zucker und Stärke finden sich in jedem Pudding. Will man die Süßspeise selbst herstellen, erhitzt man zunächst Milch und rührt dann die trockenen Zutaten unter. Nach und nach dickt der Pudding an. Lässt man ihn anschließend erkalten, formt sich eine Puddinghaut auf der Oberfläche. Weshalb?

Die Antwort auf die Frage »Warum bekommt Pudding Haut?« findet sich in der Chemie von Milch und Stärke. Milch besteht vor allem aus Wasser, Fett und Eiweißen, vor allem den Kaseinen und Molkenproteinen. Wenn man Milch erwärmt, ändert sich zunächst die Struktur der Molkenproteine: Ab einer Temperatur von etwa 70 Grad Celsius denaturieren die Proteine Laktoglobulin und Serumalbumin. Dabei entwirren sich die Proteinknäuel, weil die Bindungen zwischen Schwefelatomen, die so genannten Disulfidbrücken, zerbrechen. Kühlt man die Milch ab, bilden Proteinketten dann untereinander neue Disulfidbrücken – allerdings nicht mehr zu ihren ursprünglichen Bindungspartnern, sondern zu denen, die ihnen nun gerade am nächsten sind.

Zusammenspiel von Protein und Stärke

Somit klumpen die Proteine zusammen und formen ein Netz, die Milchhaut. Diese zieht sich allmählich zusammen, weil ein Teil des Wassers verdampft und die Proteinketten sich näher kommen. Zudem ist das Proteinnetz leichter als Wasser und treibt deshalb an die Oberfläche – wo wir die klebrige Milchhaut entweder angeekelt oder erwartungsfroh abfischen können.

Verglichen mit Milchhaut ist Puddinghaut dicker und stabiler – dank der Stärke. Sie sieht unter dem Mikroskop aus wie ein Bällebad aus unterschiedlich großen Körnern. Erhitzt man Stärke in Wasser oder Milch, so quellen diese Stärkekörner auf und platzen schließlich. Dabei gelangen die in den Körnern enthaltenen Kohlenhydrate ins Wasser, wo sie sich ganz ähnlich wie die Molkenproteine verflechten. Das Besondere am entstehenden Stärkenetz ist aber, dass dort Wassermoleküle eingelagert werden – wodurch der auf dem Herd blubbernde Pudding viskos wird. Den gleichen Effekt provozieren wir, wenn wir Soßen mit Stärke andicken. Das Abkühlen drängt dann schließlich Wasser wieder aus dem Stärkenetz hinaus, und Soße und Pudding werden dicker. Auf der Puddingoberfläche entweicht das Wasser als Dampf in die Luft, so dass die obere Puddingschicht antrocknet und fester wird.

Pudding mit Haut oder Pudding ohne Haut?

Wer auf viel Puddinghaut aus ist, sollte also das Rühren bleiben lassen, während die Nachspeise abkühlt: So kann sich das Proteinnetz ungestört ausbreiten. Außerdem gilt: Je fetthaltiger die Milch, desto dicker die Puddinghaut. Denn neben den Proteinen der Milch setzt sich auch das Fett an der Oberfläche ab und sorgt so für eine besonders reichhaltige Milchhaut. Liebhabern der Puddinghaut ist außerdem eine Milch empfohlen, die möglichst wenig hitzebehandelt ist, zum Beispiel Rohmilch.

Umgekehrt helfen fettarme und stark hitzebehandelte Milchsorten, die Hautbildung zu verhindern. Wer dann ununterbrochen rührt, während der Pudding abkühlt, gibt der Milchhaut keine Chance, sich zu formen. Wem das zu viel Arbeit ist, kann aber auch Klarsichtfolie über den frisch zubereiteten Pudding spannen: Weniger Wasser verdampft, und weniger Haut entsteht.

Eine feste Haut bekommt man dagegen auf Pudding, der mit Sojamilch gekocht wurde. Die in Sojamilch enthaltenen Proteine bilden ein Netz ähnlich wie die in Kuhmilch, und die Stärke erledigt den Rest. In Japan und China nennt man die Haut, die beim Erhitzen von Sojamilch entsteht, Yuba: Sie wird gezielt als proteinreicher Fleischersatz hergestellt und abgeschöpft. Dafür ziehen Köche die Haut vorsichtig mit Hilfe von Stöcken ab und trocknen sie gefaltet oder aufgerollt.

Auf der ganzen Welt finden sich übrigens Liebhaber der Milchhaut. Ein traditionelles Gericht der Normandie ist etwa der süße Reispudding »Tergoule«, der stundenlang gekocht wird, um eine knusprige, dunkle Puddinghaut zu bekommen. Im Iran und in der Türkei isst man Milchhaut zum Frühstück auf Brot als »Sarshir« beziehungsweise »Kaymak«. Im russischen Guriev-Brei trennen Milchhäute mehrere Schichten aus Grießbrei und Nüssen. Guten Appetit!

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