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Verhalten : Warum fällt es uns schwer, Dinge wegzuwerfen?

Egal wie nutzlos sie auch sein mögen, von manchen Besitztümern wollen wir uns einfach nicht trennen. Die Psychotherapeutin Astrid Müller erklärt, warum das so ist.
Ab zum Sperrmüll

Die Schildkröte aus Ton, ein Mitbringsel aus Spanien, steht auf der Fensterbank und verstaubt. Der geblümte Schal ist schon seit zehn Jahren ein Fall für die Tonne – aber das Geschenk einer Freundin. Warum fällt es einem so schwer, sich von eigentlich unnützen Besitztümern zu trennen? Diese Dinge haben für uns einen sentimentalen Wert: Das Geschenk der Freundin erinnert uns an früher, als wir beide noch mehr Zeit füreinander hatten, das Urlaubsmitbringsel verbinden wir mit Sonne, Meer und dem Gefühl von Freiheit.

Wie schnell wir eine emotionale Beziehung zu unserem Besitz aufbauen, enthüllte Sara Kiesler von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh: Sie zeigte Studenten einen monotonen Film, bei dem sich geometrische Figuren umherbewegten und ab und zu aneinanderstießen. Ein Teil der Probanden hatte zuvor erfahren, dass ein kleines Dreieck ihnen gehörte. Während die Beobachter ohne Besitzansprüche das Geschehen eher gelangweilt verfolgten, reagierten die "Besitzer" emotional – und empfanden etwa, dass "ihr" Dreieck von einem großen angegriffen wurde. Selbst ein so kleiner und unbedeutender Gegenstand kann in uns offenbar Gefühle wecken, vorausgesetzt, er gehört uns.

Zwanghaftes Horten

Daher können wir uns von unserem Besitz so schlecht trennen. Extrem wird es bei Menschen, die unter zwanghaftem Horten leiden. Seit 2013 ist die psychische Störung in das amerikanische Klassifikationssystem DSM-5 aufgenommen. Die Betroffenen betrachten all ihre Gegenstände als ein Stück von sich und möchten sie daher unbedingt behalten. Das können wertlose Dinge sein wie Plastiktüten, aber auch neu gekaufte und nicht einmal ausgepackte. Um nichts loslassen zu müssen, nehmen sie in Kauf, dass überall Trödel herumliegt, die Wohnung vermüllt und manche Räume vor lauter Besitztümern nicht mehr benutzbar sind.

Eine Entrümpelungsaktion hilft jedoch nicht. Denn den Betroffenen fällt es schwer, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, Prioritäten zu setzen, Entscheidungen zu treffen und Dinge zu kategorisieren. Das alles können sie in einer kognitiven Verhaltenstherapie lernen und entrümpeln so Schritt für Schritt mit einem Therapeuten die Wohnung – und ihr Leben von unnötigem Ballast. Doch auch für Gesunde gilt: Loslassen kann befreiend sein.

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  • Quellen

Kiesler, S. et al.: Relationship Effects in Psychological Explanations of Nonhuman Behavior. In: Anthrozoos 19, S. 335 – 352, 2006

Müller, A., de Zwaan, M.: Zwanghaftes Horten – Eine Literaturübersicht. In: Psychiatrische Praxis 37, S. 167 – 174, 2010

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