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Unser Körper: Warum wird die Haut unter einem Pflaster weiß?

Ob vorsichtig abgeknibbelt oder mit einem schnellen Ruck: Entfernt man ein Pflaster, kommt darunter weiche, weiße Haut zum Vorschein. Warum eigentlich?
Pflaster drauf!

Das, was unter dem Pflaster zu Tage kommt, ist schlicht und ergreifend aufgeweichte Haut. Schuld ist das Mikroklima, das unter dem Pflaster herrscht: Vor allem an den wenig atmungsaktiven Stellen des Pflasters, den Klebeflächen, staut sich Feuchtigkeit. Angezogen von einem höheren Salzgehalt, dringt sie in die Hornschicht der Haut ein und lässt sie aufquellen. Die aufgeweichte Haut erscheint blass bis weiß, weil sich durch die Wassereinlagerungen ihre optischen Eigenschaften ändern.

Schön, nur: Woher kommt eigentlich die Feuchtigkeit unterm Pflaster? Eine gute Frage, denn in der Regel ist die Stelle, an der man das Heftpflaster aufbringt, trocken, sonst hält es auch nicht. Allerdings gibt unsere Haut ununterbrochen Wasser ab, und das – mehr oder minder aktiv – über unsere Schweißdrüsen. Zudem wandert Feuchtigkeit durch passive Diffusion durch unsere Hautschichten zur Oberfläche und sorgt für »transepidermalen Wasserverlust«, wie sich das nicht steuerbare Phänomen nennt. Etwa einen halben Liter Wasser verlieren wir täglich durch passive Diffusion über die Oberfläche unserer Haut. Für gewöhnlich verdunstet die – egal auf welchem Wege – abgegebene Feuchtigkeit innerhalb kurzer Zeit. Wenn wir nicht gerade im Schweiße unseres Angesichts stehen, bleibt das normalerweise von uns unbemerkt.

Ein Pflaster jedoch verhindert dort, wo es klebt, das Entweichen von Feuchtigkeit in die Umgebung. Ähnliches passiert, wenn wir Plastik- oder Latexhandschuhe tragen. Das isolierende Material sorgt so für ein feuchtes und warmes Mikroklima – entledigt man sich dann der Handschuhe nach längerem Tragen, erscheint die Haut an den Händen hell, weiß oder sogar gräulich, weil sich Wasser in die oberste Hautschicht, die Hornzellschicht oder das »Stratum corneum«, eingelagert hat. Die aufgeweichte Haut fühlt sich nicht nur weich und zart an, sie ist auch durchlässiger, weniger widerstandsfähig und lässt sich durch Reibung leicht verletzten.

Weiß und obendrein schrumpelig

Egal ob Handschuh oder Heftpflaster: An den Innenflächen unserer Hände ist die aufgeweichte Haut manchmal nicht nur weiß, sondern sogar schrumpelig. Waschfrauenhände nennt der Volksmund das Phänomen, das wir auch an unseren Fußsohlen beobachten können. Die runzlige Haut an Fingerspitzen und Zehen lässt sich auf eine aktive Reaktion zurückführen: Bei längerem Kontakt mit Wasser saugt sich an diesen Stellen nicht nur die Hornhaut mit Wasser voll, sondern das sympathische Nervensystem sorgt obendrein dafür, dass sich die Blutgefäße an Zehen und Fingern zusammenziehen und sich die Haut nach innen wölbt. Das macht die Haut schrumpelig und dadurch auch griffiger als in glattem Zustand. Womöglich konnten unsere Vorfahren mit schrumpeligen (Angstschweiß-)Fingern und Füßen besser vor ihren Feinden (auf Bäume) flüchten und mit sicherem Stand in Gewässern Nahrung sammeln, die ihnen nicht gleich aus den Händen glitt.

Handy hilf!
Pflaster drauf und gut is: In diesem Werbefilm von 1972 verletzt sich ein Angler und ruft »Handy« zu Hilfe. Köstlich!

Ob hautfarben oder mit Dinos drauf, Wasser abweisend oder für empfindliche Haut: Je nachdem, wie luft- und wasserdurchlässig das Material des Pflasters ist und wie lange es sich auf der Haut befindet, fällt die so genannte Mazeration (lateinisch: maceratio = Aufweichung) der Haut aus. Mit einem wasserdichten Pflaster, also einem wenig atmungsaktiven Material auf der Haut, kommt man schneller in den Genuss von aufgequollener, heller Haut, als mit einem luft- und feuchtigkeitsdurchlässigeren Exemplar.

Auch die Klebemasse, die das Pflaster auf der Haut hält, trägt zum wasserdichten Verschluss der Haut bei. Meist sorgt eine Zinkoxid-Kautschuk- oder eine Polyacrylat-Masse dafür, dass das Pflaster an der Stelle bleibt, an der man es aufgebracht hat. Diese Stoffe kleben leider nicht nur gut, sondern versiegeln auch zu einem gewissen Teil die Hautoberfläche und halten dadurch Hautfeuchtigkeit und Schweiß zurück.

Sollte man dann nicht besser ganz auf ein Pflaster verzichten, um die Haut zu schonen? Nein, es ist durchaus sinnvoll, eine frische, oberflächliche Verletzung der Haut mit einem Pflaster zu versehen. Denn die Auflage ermöglicht eine ungestörte Wundheilung, indem sie die verletzte Stelle vor Verunreinigungen schützt und das feuchte Wundmilieu aufrechterhält. Verzichtet man auf ein Pflaster, bildet sich Wundschorf, der wichtige Reparaturmechanismen beeinträchtigt und dafür sorgt, dass die Wunde länger braucht, um zu verheilen. Denn die körpereigene Kruste wirkt wie eine mechanische Barriere: Sie hindert das Wundsekret daran, abzufließen und dabei Bakterien, Schmutz und abgestorbenes Gewebe abzutransportieren. Außerdem hält sie neu gebildete Zellen davon ab, die Wunde zu verschließen.

Sobald die Wunde kein Sekret mehr abgibt und sich verschlossen hat, kann man allerdings getrost auf das Pflaster verzichten. Dann trocknet auch die in Mitleidenschaft gezogene, aufgeweichte Haut, und alles ist beim Alten.

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