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Sternnotation: Wie werden Sterne benannt?

Ist »Alpha Geminorum« der hellste Stern im Sternbild Zwilling? Oder der größte? Hier gehen wir der Frage nach, wie Astronomen den Sternen ihre Bezeichnung verliehen haben.
Historische Sternkarte mit Sternbild Zwilling

In seinem Beitrag zu Beteigeuze in »Sterne und Weltraum« 3/2020, S. 24, leitet Jan Hattenbach aus den Bayer-Bezeichnungen »Alpha Orionis« und »Beta Orionis« ab, dass Beteigeuze zur Zeit der Namensvergabe heller als Rigel gewesen sei.
Ich glaube vor ein paar Jahren bei einer Buchvorstellung in »Sterne und Weltraum« gelesen zu haben, dass bei der damaligen Namensvergabe in jedem Sternbild etwa gleich helle Sterne in Gruppen zusammengefasst und innerhalb der Gruppe jeweils von Nord nach Süd bezeichnet worden seien. Beteigeuze und Rigel sind bei Orion als Einzige in der Gruppe der hellsten Sterne. Da Beteigeuze nördlicher steht, wurde er mit Alpha Orionis, Rigel als südlicherer Stern mit Beta Orionis bezeichnet. Ein Rückschluss auf eine größere relative Helligkeit eines der beiden lässt sich meines Erachtens daraus nicht ableiten.
(Andreas Muders)

Herr Muders erinnert sich richtig. Die Sternbezeichnungen, die aus einem griechischen Buchstaben und dem Genitiv des lateinischen Sternbildnamens bestehen, führte Johann Bayer (1572–1625) in seinem großen Himmelsatlas »Uranometria« von 1603 ein. Zwar ordnete Bayer grundsätzlich innerhalb eines Sternbilds die griechischen Buchstaben – und wenn die nicht ausreichten, auch die lateinischen – den Sternen in absteigender scheinbarer Helligkeit zu. Aber weder gab es in jener Zeit um 1600 ein genaues Verfahren zur Bestimmung der Sternhelligkeit noch maß man dieser Eigenschaft eine solch hohe Bedeutung zu, wie wir es heute tun. Es sollte nach Erscheinen der »Uranometria« noch fast zweieinhalb Jahrhunderte dauern, bis Friedrich Wilhelm August Argelander (1799–1875) eine Stufenschätzmethode entwickelte, mit der geübte Beobachter die scheinbare Helligkeit von Sternen auf 0,1 Magnituden genau ermitteln können.

Deshalb verwendete Bayer die Helligkeitsklassen 1 bis 6, die er aus dem Sternkatalog des Ptolemäus, dem »Almagest«, übernahm und die wir heute noch als Magnituden nutzen. Für Sterne innerhalb einer Helligkeitsklasse legte Bayer weitere Kriterien zu Grunde wie die Ost-West- oder Nord-Süd-Anordnung der Sterne oder ihre Stellung in der Figur des jeweiligen Sternbilds. Der Orion hat nach Ptolemäus zwei Sterne der ersten Helligkeitsklasse, nämlich Alpha Orionis (Beteigeuze) und Beta Orionis (Rigel). Aus dieser Notation lässt sich also leider nicht auf den genauen Helligkeitsunterschied schließen. Ein anderes Beispiel, wo der Stern Beta tatsächlich heller als der Stern Alpha ist, finden wir in den Zwillingen: Der nördlichere, Kastor, erhielt die Bezeichnung Alpha, der südlichere, Pollux, den Buchstaben Beta. Gemeinsam mit dem Stern Gamma Geminorum gehörten sie der zweiten Helligkeitsklasse nach Ptolemäus an.

Großer Wagen | Im »Großen Wagen« bezeichnete Johann Bayer vor rund 400 Jahren die Sterne mit griechischen Buchstaben von West nach Ost.

Im Großen Bären wiederum sind die ersten Buchstaben des griechischen Alphabets den sieben hellen Sternen des »Großen Wagens« in der Reihenfolge von West nach Ost, also in Richtung wachsender Rektaszension zugewiesen. Alle sieben gehörten nach Ptolemäus zur zweiten Helligkeitsklasse, obwohl der Stern Delta deutlich lichtschwächer ist als die anderen sechs und im modernen System eine visuelle Helligkeit von nur 3,3 Magnituden hat. Die Namensvergabe ist in dem in »Sterne und Weltraum« 8/2011 vorgestellten Buch »Die Himmelsvermessung des Johannes Bayer« von Jürgen Hamel ausführlicher beschrieben.

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