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Springers Einwürfe: Neue Energie für Afrika

Können viele Länder des Erdteils die Phase fossiler Stromversorgung überspringen und gleich auf erneuerbare Energien setzen? Modellrechnungen verdeutlichen die Chancen und Probleme.
Wasserkraftwerk in Lesotho

Die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der Industrie­länder hat auf der Nutzung von Kohle, Öl und Erdgas beruht. Angesichts der heute unübersehbaren Nebenwirkungen wie Umweltschäden und Klimawandel kämpfen die Nationen jetzt mit dem Übergang zu erneuerbaren Energiequellen. Die Regionen mit den stärksten Emissionen – Nordamerika, Europa und China – haben sich mehr oder weniger bindend vorgenommen, ab Mitte des Jahrtausends klimaneutral zu wirtschaften.

Doch was ist mit den Entwicklungsländern? Müssen sie erst einmal die industrielle Revolution nach­holen und dabei den fossilen Energiepfad beschreiten, um anschließend auf Sonne, Wind und Wasserkraft umzusteigen? Oder können sie die klimaschädliche Phase einfach auslassen und ihren Lebensstandard gleich mit Hilfe regenerativer Quellen deutlich anheben?

Für das elegante Überspringen der fossilen Wirtschaft, in der Fachwelt Leap-frogging genannt, sprechen die Effizienz, die Fotovoltaik- und Windkraftanlagen in den vergangenen Jahrzehnten erreicht haben, sowie die hohe Verfügbarkeit von Sonne und Wind in den Tropen. Am Beispiel Afrikas haben Forscher nun die Chancen und Hemmnisse des Leap-frogging auf Basis umfangreicher Datensätze durchgerechnet.

Die Umweltökonomin Galina Alova von der University of Oxford und ihr Kollege Philipp Trotter von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen erstellten ein Programm, das aus Informationen über laufende und geplante Kraftwerke Zukunftsszenarien zu entwickeln vermag. Die Algorithmen sind zu maschinellem Lernen fähig; sie werden anhand historischer Daten trainiert, indem sie zunächst Zielpunkte in der Vergangenheit anpeilen und diese Szenarien mit der dann tatsächlich eingetretenen Situation abgleichen. Dadurch lernt das Programm schließlich, fundierte Prognosen über die künftige Energieentwicklung Afrikas zu liefern.

Wie die Forscher angesichts der erstmals so komplett erhobenen Daten betonen, ist die Ausgangslage dem Leapfrogging wenig förderlich. Afrikas Strom wird derzeit zu 80 Prozent fossil erzeugt. Damit trägt der Kontinent zunehmend zum globalen CO2-Ausstoß bei – und in Bezug auf das starke Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft droht das, sofern nicht umgesteuert wird, in den kommenden Jahrzehnten noch viel schlimmer zu werden. Windkraftanlagen spielen vorderhand kaum eine Rolle. Solaranlagen werden zwar überall eifrig gebaut, tragen aber nur wenige Prozent zum Energiemix bei.

Was tun? Alova und Trotter weisen auf die speziell in Afrika große Planungsunsicherheit bei der Stromerzeugung hin; sie empfehlen deshalb, derzeit beabsichtigte Wärmekraftwerke gar nicht erst zu errichten und dafür auf erneuerbare Energien zu setzen. Entscheidend für dieses Umsteuern wären einerseits gezielt eingesetzte Finanzmittel der internationalen Entwicklungshilfe und andererseits die konsequente Förderung durch die jeweilige Regierung.

Erfahrungsgemäß reagieren dezentrale Versorger besonders beweglich auf den Wechsel zum regenerativen Pfad. In Indien beispielsweise versorgen viele lokale Solaranlagen kleinere Betriebe direkt, anstatt ihren Strom ins nationale Netz einzuspeisen. Auch in Afrika könnte die Beispielwirkung solcher Erfolge für mehr Sonne im Energiemix sorgen.

Die Szenarien besagen: Wenn es Afrika bis 2030 nicht gelingt, sich von fossilen Energieträgern zu lösen, könnte es dafür zu spät werden. Ein baldiger radikaler Wechsel zur Solarwirtschaft wäre – um einen bekannten Mondfahrerspruch abzuwandeln – ein großer Sprung für Afrika und ein wichtiger Schritt für die Menschheit.

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