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Storks Spezialfutter: Alles wie gehabt

Die Verhandlungen zur »Gemeinsamen Agrarpolitik« zeigen: In der EU ist ein echter Systemwechsel nicht in Sicht. Das ist leider viel zu wenig gegen Klimawandel und Artenschwund, schreibt unser Kolumnist Ralf Stork.
Traktor im Rapsfeld in der Uckermark

Haben Sie das auch mitbekommen? Der Veggieburger – also ein vegetarisches oder veganes Produkt, das wie ein gebratenes und geformtes Stück Hackfleisch aussieht, das man zwischen zwei weiche Brötchenhälften schieben kann – darf weiterhin »Burger« heißen. Der Agrarausschuss hatte auf Betreiben der Agrarlobby durchsetzen wollen, dass nur Produkte aus echtem Fleisch und Blut Burger, Wurst, Steak und so weiter heißen dürfen – und nicht etwa die aus Schrot und Korn.

Dass es in dieser Sache überhaupt zu einer Entscheidung des EU-Parlaments kam, mutet etwas anachronistisch an: Mein Gott, der vegetarische Burger sieht aus wie ein fleischlicher Burger und erfüllt die gleiche Funktion. Am Ende landet er mit Saucen und Gurke im Brötchen und wird gegessen. Der Name passt also ziemlich gut. Und mit dem Beinamen »Veggie« wird ja deutlich darauf hingewiesen, dass es sich hier um ein Alternativprodukt zu der herkömmlichen fleischlichen Variante handelt. Und da alle wissen, dass die Produktion von Fleisch das Klima viel teurer zu stehen kommt als die Produktion von Pflanzen, wäre es doch geradezu absurd, die Vermarktung der Alternativen unter dem passenden Namen zu verbieten. Also, richtige Entscheidung, EU-Parlament! Das war es allerdings an guten Nachrichten aus der EU. In derselben Sitzung untersagte das Parlament Begrifflichkeiten wie »Milch-Alternative« oder »mit Käse-Geschmack«. Produktbezeichnungen wie Hafer- oder Sojamilch bleiben sowieso weiterhin untersagt, obwohl ja auch hier die Alternativen die gleichen Funktionen erfüllen wie echte Milchprodukte.

Über die Veggie-Kontroverse ging eine andere Entscheidung des EU-Parlaments am gleichen Tag fast ein bisschen unter: Ende Oktober haben die Abgeordneten nämlich die Pflöcke für die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eingeschlagen. Und wie sie das gemacht haben, sieht auf den ersten Blick nicht besonders nach Zukunft aus und auf den zweiten ebenfalls nicht.

Wichtigster Kritikpunk von Umweltverbänden und Wissenschaft: Die Flächenprämie bleibt erhalten. Das heißt, auch in Zukunft fließt Geld pro Hektar – unabhängig davon, wie darauf gewirtschaftet wird. Wesentlich wirksamer für das Erreichen von Umweltschutzzielen wäre es, wenn für die Prämie konkrete Umweltmaßnahmen durchgeführt würden. Bereits im Frühjahr dieses Jahres haben Forschende der Universität Rostock, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung scharfe Kritik an den aktuellen GAP-Plänen geübt. Eine zentrale Forderung des Positionspapiers, das von rund 3600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der EU und anderen Ländern unterzeichnet wurde, war das Ende der Flächenprämie. Zu dem gleichen Schluss ist bereits der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Landwirtschaftsministerium gekommen. Und die Nationale Akademie der Wissenschaften »Leopoldina« auch.

… dabei hatte die Kommission ambitioniert vorgelegt

Zum Teil fallen die abgestimmten Regelungen sogar hinter die derzeit geltenden Standards zurück. Kritik entzündet sich etwa an dem Umstand, dass künftig lediglich fünf Prozent nichtproduktiver Fläche (beispielsweise als Brache oder Blühstreifen) vorgesehen sind und damit deutlich weniger, als es derzeit vorgeschrieben ist. Es soll zwar so genannte Eco-Schemes (zu Deutsch ungefähr »Ökoregelungen«) geben, die 20 bis 30 Prozent der Direktzahlungen ausmachen. Allerdings ist die Teilnahme daran – anders als bisher – freiwillig. Außerdem ist noch nicht klar, welche Maßnahmen später dazugerechnet werden können. Eine ausführliche Kritik der Beschlüsse findet sich unter anderem im Blog von Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Uni Rostock. Kritikpunkte an der Entscheidung hat auch der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, auf seiner Internetseite zusammengetragen.

Das allerletzte Wort in Sachen GAP ist zwar noch nicht gesprochen. Parlament und Europäischer Rat haben ihre Positionen festgelegt. In Verhandlungen mit der EU-Kommission muss noch ein endgültiger Kompromiss gefunden werden. Die Beratungen dazu haben in diesen Tagen begonnen. Klar ist aber schon jetzt, dass die Verhandlungspositionen nicht zu den ambitionierten Umweltzielen passen, die die Kommission Anfang des Jahres in ihrer Farm-to-Fork- und der Biodiversitätsstrategie formuliert hat. Darin werden unter anderem zehn Prozent Brachflächen gefordert und eine Erhöhung des Anteils der Biobetriebe EU-weit auf 25 Prozent. Doch die GAP-Runde zeigt, wie stark die Beharrungskräfte in der EU nach wie vor sind. Selbst wenn sich das Endergebnis dann noch ein bisschen grüner einfärben sollte, den wichtigen »Systemwandel«, von dem Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner spricht, wird die zukünftige GAP mit Sicherheit nicht bringen.

Das EU-Life-Programm ist das wichtigste Umweltschutzprogramm in der Union. In der aktuellen Förderperiode von 2014 bis 2020 gab es dafür ein Budget von insgesamt 3,46 Milliarden Euro. Das geplante Budget für die GAP der kommenden sieben Jahre beläuft sich auf rund 387 Milliarden Euro – das entspricht in etwa dem deutschen Bundeshaushalt für ein Jahr. Mit dem Geld könnten die Europäer einen wichtigen Beitrag zur Lösung der drängenden Klima- und Biodiversitätskrise leisten. Derzeit deutet alles darauf hin, dass diese Chance vertan wird.

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