Freistetters Formelwelt: Wie berechnet man die Entfernung von Galaxien?

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Die Astronomie hat es schwer. Erstens, weil ihre Forschungsobjekte alle unvorstellbar weit entfernt und nur in sehr seltenen Fällen direkt erforschbar sind. Und zweitens, weil es sich als sehr schwer erwiesen hat, diese unvorstellbaren Entfernungen zu messen. Das aber ist wichtig, denn nur wenn wir wissen, wie weit etwas weg ist, können wir auch Aussagen über die Natur der kosmischen Objekte treffen.
Bis in die 1920er Jahre hat man beispielsweise noch darüber diskutiert, ob die Milchstraße das gesamte Universum ausmacht – oder ob sie nur eine gigantische Ansammlung von Sternen unter vielen anderen Galaxien ist, die durch riesige Distanzen voneinander getrennt sind. Erst als Edwin Hubble den Abstand zum damals noch sogenannten Andromedanebel bestimmte, wurde klar, dass es sich eigentlich um die Andromedagalaxie handelt. Das Universum wurde für uns auf einen Schlag sehr viel größer.
Hubble konnte sich bei seiner Messung auf die Vorarbeit von Henrietta Swan Leavitt stützen und die Distanz zu Andromeda aus den Eigenschaften der dortigen veränderlichen Sterne ableiten. Wenn Galaxien aber so weit von uns entfernt sind, dass wir keine einzelnen Sterne mehr auflösen können, braucht es andere Methoden, um ihren Abstand zu bestimmen. Eine davon funktioniert mit dieser Formel:
Sie beschreibt die Dₙ–σ-Relation, die in den 1980er Jahren entwickelt wurde. Sie basiert auf einer Verknüpfung des effektiven Durchmessers Dₙ einer elliptischen Galaxie und der dortigen mittleren Geschwindigkeitsdispersion σ der Sterne. Die Idee dahinter sieht folgendermaßen aus: In einer elliptischen Galaxie hängen ihre Masse, ihre Größe und die Bewegung der Sterne direkt zusammen. Wie und wie schnell sich die Sterne bewegen, hängt vom Gravitationsfeld ab, das wegen der Gesamtmasse der Galaxie existiert.
Es besteht aber natürlich auch ein Zusammenhang zwischen der Leuchtkraft einer Galaxie und ihrer Gesamtmasse. Man hatte zuvor schon Formeln aufgestellt, die empirisch beschreiben, wie die Leuchtkraft und die Bewegung der Sterne zusammenhängen, aber sie waren alle mit Ungenauigkeiten behaftet.
Eine umständliche Methode
1987 fanden Astronomen heraus, dass man eine engere Beziehung finden kann, wenn man den »effektiven Durchmesser« Dₙ einer elliptischen Galaxie in die Formeln einbaut. Man definiert diesen als Durchmesser einer Ellipse, innerhalb der die mittlere Flächenhelligkeit der Galaxie einen Wert von 20,75 Magnituden erreicht. Es handelt sich also explizit nicht um den gesamten sichtbaren Durchmesser der Galaxie; stattdessen wählt man eine Ellipse um das Zentrum der Galaxie, die so groß ist, dass die Helligkeit innerhalb der Ellipse gerade den Wert von 20,75 Magnituden hat (dieser Wert ist reine Konvention und man hat ihn gewählt, weil er mit den damals verfügbaren Instrumenten noch gut messbar war). Und da die Helligkeit direkt mit der Masse zusammenhängt und die Masse mit der Bewegung der Sterne, kann man Dₙ und σ über die obige Formel verknüpfen (a und b sind dabei Konstanten, die empirisch bestimmt werden).
In der Praxis misst man beide Werte möglichst vieler Galaxien eines Galaxienhaufens, deren Entfernung schon bekannt ist und bei denen sich der effektive Durchmesser mit dem realen Durchmesser verknüpfen lässt. Dann bestimmt man Dₙ und σ einer Galaxie mit unbekannter Entfernung und kann berechnen, wie stark der beobachtete Wert Dₙ von dem durch die Referenzwerte vorhergesagten Durchmesser abweicht.
Wir wissen also, wie groß die Galaxie erscheinen sollte und sehen, wie groß sie tatsächlich erscheint. Aus der Differenz folgt der Abstand. Das ist eine aufwändige Methode der Entfernungsmessung, aber wir müssen uns diese Arbeit machen. Denn die Astronomie funktioniert nur, wenn wir wissen, wie weit weg die Dinge sind.
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