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Storks Spezialfutter: Besser töten

Schlachtmethoden, bei denen Tiere weniger leiden? Das klingt zunächst einmal reichlich absurd, findet unser Kolumnist Ralf Stork. Doch die Idee hat das Zeug zum neuen Standard.
Kein Fleisch ohne Schlachtung

Vor einiger Zeit habe ich mich mit einer jungen Georgierin unterhalten, die vom Dorfleben ihrer Großeltern schwärmte. Jeden Sommer verbrachte sie zusammen mit ihrer Schwester in dem kleinen Ort ihres Großvaters: mit Plumpsklo, ohne fließend Wasser. Mit Kräutergarten und mit ein paar Kühen, die morgens auf die Weide und abends wieder zurückgetrieben wurden. Fast der ganze Tag voller Arbeit, und trotzdem fanden die beiden Schwestern ihre Sommerferien großartig. Die Lieblingskuh meiner Bekannten hieß »Schönheit«. Sie brachte Kälber zur Welt, gab täglich Milch und wurde sonst für die Feldarbeit eingespannt. Im stolzen Alter von 24 Jahren durfte sie an Altersschwäche sterben. So hart das Landleben auch für die Menschen gewesen sein mag, für die Tiere müssen es paradiesische Zustände gewesen sein. Es gibt heute wahrscheinlich in Georgien kaum noch Rinder, die an Altersschwäche sterben. Und bei uns schon gar nicht.

Dass Mett, Aufschnitt, Wurst und Fleisch zu einem früheren Zeitpunkt mal zu einem lebendigen Tier gehörten, wissen wir zwar schon noch irgendwie, aber bloß nicht zu genau. Ebenso verhält es sich mit der Tatsache, dass am Anfang der Verwurstungskette ein Tier aktiv und blutig ins Jenseits befördert werden muss.

In Baden-Württemberg haben zwei Tierschützer in jahrelanger privater Tüftelei eine »humanere« Schlachtmethode entwickelt, eine mobile Schlachteinheit, die auf jedem Hof zum Einsatz kommen kann. Das Schlachtrind wird mit ein paar Leckerbissen zu einer Futterraufe gelockt, wie es sie aus dem Stall kennt. Und zack – während es gerade noch den Leckereien nachschmeckt – wird es mit einem Bolzenschuss zwischen die Hörner betäubt, mitsamt der Raufe in einen Anhänger gezogen und dort hinter einem heruntergelassenen Rolltor innerhalb von 60 Sekunden nach Betäubung getötet.

Isoliert betrachtet wirkt auch dieses Verfahren brutal – geradezu heimtückisch. Das arglose Rind wird in eine Falle gelockt und hinterlistig getötet. Andererseits entpuppt sich bei genauerem Hinsehen die Nutztierhaltung insgesamt als perverses System, in dem Abermillionen Tiere bis zu ihrem grausamen Tod unentrinnbar gefangen gehalten werden.

Wie einst bei der Hausschlachtung

Die von den zwei Tüftlern gegen viele Behördenwiderstände entwickelte mobile Schlachteinheit schenkt den Tieren zwar nicht das Leben, erspart ihnen aber den Stress, den die Tiere beim Separieren von der Herde, beim Verladen in den Anhänger und beim langen Warten auf dem Schlachthof durchleiden. Sie sterben so schnell und unerwartet wie das Reh oder das Wildschwein, das auf der Lichtung vom Jäger erschossen wird.

Die Erfindung hat es mittlerweile zur Marktreife gebracht. Mit finanzieller Unterstützung des Landesministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist eine mobile Schlachteinheit bereits im Einsatz. Das Fleisch wird unter dem Label »Schlachtung mit Achtung« in verschiedenen Fleischereien und Landgasthöfen der Region zu etwas höheren Preisen verkauft.

Die neue Schlachteinheit kann nur in einem lokalen Netzwerk funktionieren. Spätestens 45 Minuten nach der Tötung muss das Tier in einem richtigen Schlachthof ankommen, wo es weiterverarbeitet wird. Pro Hof können immer nur einige Tiere pro Tag getötet werden, wenn überhaupt. Geschlachtet wird nur dann, wenn das Tier auch freiwillig zur präparierten Futterraufe geht.

Ist das System massenhaft und flächendeckend einsetzbar? Nein! Aber es setzt einen neuen Standard. Es zeigt, dass man selbst beim Töten noch bestimmte Bedürfnisse der Nutztiere berücksichtigen kann. Es ähnelt den Hausschlachtungen früherer Tage (mit dem Unterschied, dass alle Hygienebestimmungen der EU penibel eingehalten werden und das Fleisch frei vermarktet werden kann). Das Tier wird von einer Massenware, die man kreuz und quer durch ganz Europa fahren kann, wieder zum Individuum, das im Leben, beim Sterben und auch danach möglichst respektvoll behandelt wird.

Wenn wir uns in Zukunft bei einem Stück Fleisch häufiger fragen, ob es unter vertretbaren Bedingungen hergestellt wurde, und im Zweifelsfall auch auf den Kauf verzichten, wäre das schon mal ein Fortschritt, der auch mit dem gehobenen Standard der neuen Schlachterfindung zusammenhängt.

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