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Klonen: Bitte wiederbeleben

Es ist gut, wenn ausgestorbene Arten mit Hilfe der Gentechnik wiederkehren, findet der Genetikprofessor George Church von der Harvard University. Ohne sie fehlt etwas.
Tasmanische Tiger, Männchen und Weibchen

Vor Kurzem warnte an dieser Stelle Kate Wong in einem Essay ausführlich davor, ausgestorbene Arten wie das Wollmammut aus funktionstüchtigen DNA-Resten wiederzubeleben: Das sei eine schlechte Idee. Diese Zurückweisung ist voreilig. Die Idee hat einen gewissen Wert und sollte unvoreingenommen diskutiert werden – von verschiedenen Standpunkten aus.

Die Wiederbelebung hat nicht die Absicht, perfekte lebende Kopien ausgestorbener Organismen zu erzeugen, und sie taugt auch nicht als einmaliges Vorzeigeexperiment fürs Gentechniklabor oder einen Zoo. Wiederbelebung bedeutet, dass wir die besten Eigenschaften alter und synthetischer DNA wirksam einsetzen. Wir zielen darauf ab, die momentan vorhandenen Ökosysteme an die extremen momentanen Umweltveränderungen wie den Klimawandel anzupassen und womöglich diese Entwicklungen wieder umzukehren.

Lebensräume, die von so genannten Schlüsselarten abhängen, haben ihre einstige Artenvielfalt verloren, weil bestimmte Spezies fehlen und andere sich daher nicht mehr richtig einfügen. Doch diese historische Biodiversität könnte bald wieder vonnöten sein angesichts des gegenwärtigen raschen ökologischen Wandels. Die Tundra Russlands und Kanadas bestand beispielsweise vor 4000 Jahren aus einem reichhaltigen gras- und eisdominierten Ökosystem. Heute schmilzt sie – und sollte sich dieser Prozess fortsetzen, könnte sie mehr Treibhausgase freisetzen, als alle Wälder der Welt zusammen, sollte man diese auf einmal abbrennen. Wenige Dutzend Eingriffe im Genom heutiger Elefanten – damit diese mehr Unterhautfett ausbilden, wolliges Haar und Talgdrüsen bekommen – könnten schon ausreichen, um eine Variante zu züchten, die funktionell dem Mammut gleicht. Brächte man diese Schlüsselart zurück in die Tundra, ließen sich wohl einige Folgen des Klimawandels abfangen.

Mammuts könnten die Region kühler halten, indem sie abgestorbenes Gras fressen, so dass die Sonne leichter zum frischen Frühjahrswuchs vordringen kann, dessen tiefe Wurzeln Erosion verhindern. Sie sorgen dafür, dass mehr Licht vom Boden reflektiert wird, weil sie aufwachsende Bäume zerstören, die andernfalls die Sonnenstrahlung absorbieren. Und sie zertrampeln dämmende Schneedecken, so dass die eiskalte Luft im Winter tiefer in den Boden vordringen kann.

Diese Wiederbelebung ist keine neue Idee. Mediziner haben das komplette Genom des menschlichen Retrovirus HERV-K und des Grippevirus der Spanischen Grippe von 1918 zu neuem Leben erweckt. Studien an diesen Viren könnten Millionen Leben retten. Verschiedene andere ausgestorbene Gene – inklusive jenem für das Mammuthämoglobin – wurden ebenfalls bereits rekonstruiert und auf ihre Eigenschaften getestet. Es ist wahrscheinlich nicht notwendig, alle 20 000 Gene eines Vogel- oder Säugetiergenoms wiederherzustellen: Die charakteristischen der ausgestorbenen Art genügen. Und selbst wenn man sie doch brauchen würde, wäre es nicht schwer, sie zu kreieren. Die Kosten für die relevanten Technologien sind meist niedrig – und fallen weiter.

Die Zucht der Tiere, bis man genügend Exemplare hat, um sie wieder auszuwildern, stellt ein ambitioniertes Unterfangen dar. Doch sollten die Aufwendungen hierfür im gleichen Rahmen liegen wie bei der Viehhaltung oder der Haltung aktuell bedrohter Tierarten. Die Kosten ließen sich zudem wohl weiter reduzieren, wenn wir die wiederzubelebenden Arten mit Hilfe der Gentechnik "verbessern", also ihr Immunsystem stärken, ihre Fruchtbarkeit erhöhen und ganz allgemein sie lebensfähiger machen, indem sie effektiver ihre Nahrung verwerten und gelassener mit ökologischen Stressfaktoren umgehen.

Neben der Rückkehr ausgestorbener Arten könnte diese Technologie auch noch lebenden Spezies helfen, weil sie deren genetische Vielfalt wiederherstellt. Der Tasmanische Teufel (Sarcophilus harrisii) ist wegen Inzucht genetisch so verarmt, dass die meisten Artmitglieder untereinander aggressive Krebszellen austauschen können, ohne dass ihr Immunsystem darauf reagiert. Dieser seltene, übertragbare Krebs verbreitet sich über Wunden im Gesicht und drängt das Beuteltier an den Rand seiner Existenz. Hier könnten vielfältige, alte Sarcophilus-Gene helfen, die für die Abstoßung fremden Gewebes verantwortlich sind. Ähnliches gilt für Amphibien, Geparden, Korallen und andere Organismen. Bestimmte Gene machen sie womöglich unempfindlicher gegenüber Chemikalien, Hitze, Infektionen oder Dürre.

Wiederbelebung ist kein Allheilmittel für Ökosysteme in Not. Elefanten, Nashörner und andere bedrohte Arten vor dem Aussterben zu bewahren, ist extrem wichtig. Unter allen Umständen müssen wir Prioritäten setzen, wenn es darum geht, die begrenzten Mittel für den Artenschutz zu verteilen. Aber es wäre ein Fehler, dieses Thema als Nullsummenspiel zu betrachten. So wie ein neuer Impfstoff medizinische Ressourcen freisetzen kann, die ansonsten in die Behandlung der von der ursprünglichen Krankheit betroffenen Patienten geflossen wäre, könnte die Wiederbelebung auch den Naturschützern wirkungsvolle Werkzeuge an die Hand geben. Allein diese Aussichten sind Grund genug, dieses Forschungsfeld ernsthaft zu betreiben.

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