Unwahrscheinlich tödlich: Tod durch Spitzmaus

Alkoholisierte Wiesngäste, Weißwurst-Zuzler und Kreuz-Verfechter – Bayern hat zwar viel Schönes zu bieten, doch um diese drei Gruppen mache ich beim Besuch im Freistaat lieber einen großen Bogen. In ländlichen Gegenden kann einem allerdings noch etwas weitaus Unangenehmeres begegnen. Denn in bayerischen Feldern und Wäldern lauert eine Krankheit, die bislang fast immer einen tödlichen Verlauf nimmt. Ihr Überträger ist klein, unscheinbar und eher niedlich als abschreckend: die Feldspitzmaus. Sie ist das einzige bekannte Reservoir des gefährlichen Bornavirus (BoDV-1). Gelegentlich springt der Erreger von den Tieren auf Menschen über und löst in ihrem Gehirn eine lebensbedrohliche Entzündung aus, eine sogenannte Meningitis.
In Pfaffenhofen an der Ilm, einer Gemeinde rund 40 Kilometer nördlich von München, erlagen im Sommer 2025 zwei Männer dem tückischen Infekt. Bei beiden wurde das Virus Anfang Juni nachgewiesen. Einer von ihnen starb bereits kurz darauf im Krankenhaus, der zweite verbrachte einige Wochen auf der Intensivstation, bevor das Landesamt im Juli seinen Tod bekannt gab.
Die Bornakrankheit beginnt meist mit unspezifischen Symptomen wie Kopfschmerzen und Fieber. Die folgende Gehirnentzündung äußert sich dann über neurologische Funktionsstörungen. Patientinnen und Patienten entwickeln etwa Probleme beim Sprechen und beim Gehen, ihre Angehörigen bemerken mitunter Verhaltensauffälligkeiten. Innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen fallen Betroffene in ein Koma, aus dem die meisten nicht wieder erwachen. In Deutschland gab es laut Angaben der Bundesregierung bis Mitte 2025 51 nachgewiesene Fälle, von denen 50 tödlich endeten. Mehr als 90 Prozent der Ansteckungen fanden in Bayern statt. In der Schweiz, in Liechtenstein und in Österreich trat die Krankheit in vergangenen Jahren allenfalls in Einzelfällen auf.
Gefährlicher Kontakt
Das Bornavirus zirkuliert vor allem in einer Art von Spitzmäusen (die eigentlich gar keine Mäuse sind – aber das ist eine andere Geschichte). Diese Feldspitzmaus (Crocidura leucodon) kommt in weiten Teilen Europas vor. Wieso sich das Virus und mit ihm das Infektionsgeschehen gerade auf Bayern konzentriert, wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch nicht genau. Ebenfalls ungeklärt ist, wie es im Einzelfall zur Ansteckung kommt. Man weiß zwar, dass die kleinen Säuger das Virus in sich tragen und dass es nicht nur auf Menschen, sondern gelegentlich auch auf andere Tiere wie Pferde und Schafe überspringt. Welche Art von Kontakt mit den Spitzmäusen dem vorangeht, lässt sich aber noch nicht sagen.
Aus diesem Grund rät das Robert Koch-Institut zu umfassenden Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit den kleinen Tieren. Demnach sollte man tote Spitzmäuse nur mit einer Schutzausrüstung, bestehend aus Desinfektionsmittel, Handschuhen und FFP2-Maske, entsorgen und sich im Anschluss, wenn möglich, duschen. Infizierte Spitzmäuse können das Virus dauerhaft über ihren Urin und Kot ausscheiden, weshalb diese als potenzielle Infektionsquellen infrage kommen. Bei Tätigkeiten, die exkrementehaltigen Staub und Erde aufwirbeln könnten, sollte man deshalb zur Sicherheit ebenfalls einen Mundschutz tragen.
Vorsicht beim Katzenkuscheln!
Noch gibt es keine Belege dafür, dass der Erreger direkt von Katzen – die auch schwer an Borna erkranken und daran sterben können – auf Menschen überspringt. Die Stubentiger können jedoch den Kontakt mit dem Bornavirus begünstigen, etwa wenn sie eine Spitzmaus erlegen und ihre Beute nach drinnen schleppen. Dann sollte man zur Sicherheit einige Stunden lang davon absehen, mit den Samtpfoten zu kuscheln. BoDV-1 ist außerhalb der Wirtstiere zwar nur bedingt stabil. Eventuell überdauert es jedoch lange genug, um eine Person ohne direkten Kontakt zum Wirt anzustecken. Infizierte, die zu ihrer Ansteckung befragt wurden, konnten sich meist an keine vorhergehende Begegnung mit Spitzmäusen erinnern. Bislang ist nur einmal eine Übertragung von Person zu Person nachgewiesen worden, und hier handelte es sich um einen sehr speziellen Fall. Denn der Erreger gelangte nicht etwa über die Luft oder über Körperkontakt in die insgesamt drei Betroffenen, sondern durch Organtransplantation.
Prävention kommt bei der Bornakrankheit eine besonders bedeutsame Rolle zu. Wer sich einmal mit BoDV-1 angesteckt hat, hat nämlich schlechte Karten. Eine gezielte Therapie existiert bislang nicht. Es gibt auch keine Impfung, die eine Infektion verhindern könnte. Zudem erschweren die zu Beginn auftretenden unspezifischen Symptome die frühe Diagnose. Patientinnen und Patienten mit Meningitis werden auf der Intensivstation mit unterstützenden und lebenserhaltenden Maßnahmen behandelt. Und diese reichen, wie bereits erwähnt, nur sehr selten aus, um den Betroffenen das Leben zu retten. Selbst jene, die dem Tod entkommen, tragen schwerwiegende neurologische Beeinträchtigungen davon. Hier gilt noch mehr als sonst das, was man im Umgang mit Krankheitserregern sowieso beachten sollte: Vorsicht ist besser als Nachsicht.
- Steckbrief: Bornakrankheit© Iryna / stock.adobe.com (Ausschnitt)Sicherheit geht vor | Wer in Haus und Garten tote Feldspitzmäuse entsorgt oder eventuell kothaltigen Staub aufwirbelt, sollte sich mit geeigneter Ausrüstung vor einer möglichen Bornavirusinfektion schützen.
Auslöser: Borna Disease Virus 1 (BoDV-1)
Vorkommen: BoDV-1 zirkuliert in Feldspitzmäusen (Crocidura leucodon), vor allem in Bayern.
Krankheitspotenzial: In seltenen Fällen springt der Erreger auf den Menschen als Fehl- und Endwirt über – er kann Personen also krank machen, sich von ihrem Körper aus aber nicht weiter auf andere Tiere verbreiten. Die Infektion löst nach einer Phase mit grippalen Beschwerden eine Gehirnentzündung aus, die fast immer tödlich endet.
Häufigkeit: bis 2025 bis zu sechs nachgewiesene Erkrankungen pro Jahr in Deutschland, über 90 Prozent davon in Bayern.
Prävention: Tote Spitzmäuse und ihre Ausscheidungen immer nur mit geeigneter Schutzausrüstung entsorgen.
Besonderheiten: Neben Pferden, Schafen und Alpakas können Katzen sich ebenfalls mit BoDV-1 anstecken und schwer erkranken. Zur Sicherheit sollte man den Kontakt zu den Tieren einige Stunden lang meiden, nachdem sie eine Spitzmaus erlegt haben.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben