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COP27: Klimakonferenzen sind auch in Zukunft wichtig

Die Ergebnisse der COP27 enttäuschen – mal wieder. Doch die Klimakonferenzen haben Erfolge zu verzeichnen, durch die sie auch in Zukunft relevant bleiben, kommentiert Lars Fischer.
Teilnehmer der COP27 in Scharm el Scheich
So langsam scheint es duster zu werden um die Klimakonferenzen. Dabei können sie gerade in einer vom Klimawandel dramatisch veränderten Welt eine wichtige Rolle spielen.

Die Weltklimakonferenz hat das Klima wieder einmal nicht gerettet. In Scharm el Scheich haben es die Verhandlungsparteien gerade eben geschafft, nicht hinter die Zusagen des vergangenen Jahres zurückzufallen. Die Fossile-Brennstoffe-Lobby, vor Ort mit mehreren hundert Menschen und nicht zuletzt diversen Staaten, hat den nächsten Versuch blockiert, gegen treibhausgasintensive Energieträger vorzugehen und die 1,5-Grad-Grenze ist eigentlich nur noch theoretisch in Reichweite. Währenddessen steigt – auch das ist eine routinierte Feststellung nach jeder Klimakonferenz – der CO2-Gehalt der Atmosphäre schneller als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen.

Mehr denn je stellt sich deswegen die Frage, welchen Sinn Klimakonferenzen überhaupt noch haben, wenn das Ziel, den CO2-Anstieg in der Atmosphäre zu bremsen, jedes Jahr aufs Neue so deutlich verfehlt wird. Der Einwand ist absolut berechtigt. Ich bin allerdings der Ansicht, dass selbst mit dem sich abzeichnenden Scheitern des Klimaschutzes die Aufgabe der Konferenzen keineswegs beendet ist. Im Gegenteil, gerade der unerwartete Erfolg der Konferenz beim Thema Loss and Damages zeigt womöglich, welche Rolle Klimagipfel in Zukunft noch spielen können.

Mit dem ambitionierten 1,5-Grad-Ziel würde vor allem der Versuch scheitern, das Ausmaß der Veränderungen gering zu halten. Eine moderate Erwärmung hätte die Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts in ihren groben Zügen bewahrt, samt ihren Gewissheiten und Koordinatensystemen. Dass die Erde deutlich wärmer werden wird – global um knapp drei Grad gegenüber dem ausgehenden 20. Jahrhundert –, ist das Ende der Welt, wie wir sie kennen, aber eben nicht der Schlusspunkt der Geschichte.

Natürlich ist es absolut möglich, dass Kipppunkte, Teufelskreise oder einfach nur der schnelle Anstieg der Temperatur die biologische Anpassungsfähigkeit des Menschen überfordern. Dann wäre unsere Art einen von jenen, die in diesem spezifischen Klimawandel untergehen. Pech für uns, in der Erdgeschichte jedoch business as usual. Dass es so kommt, ist aber weder garantiert noch steht es unmittelbar bevor. Es ist zu früh, mit Popcorn und Whisky die Apokalypse zu erwarten.

Wie der Klimawandel verläuft, liegt noch in unserer Hand

Was tatsächlich bevorsteht, sind neue, dringende Aufgaben, die durch die voranschreitende globale Erwärmung entstehen. Während in den vergangenen Jahren die katastrophalsten Szenarien mit bis zu fünf Grad höheren Temperaturen immer unwahrscheinlicher geworden sind, hat sich gezeigt, dass die kurzfristigen Veränderungen schneller stattfinden und drastischer sind als befürchtet. Je mehr wir über selbst moderate Erwärmungen und ihre Folgen lernen, desto fremdartiger und unfreundlicher erscheint die Welt der nahen Zukunft.

Gleichzeitig bedeutet der Misserfolg beim Klimaschutz eben nicht, dass die Menschheit jetzt jegliche Kontrolle verloren hat. Im Gegenteil, nach wie vor können und müssen wir zusehen, dass die Treibhausgaskonzentrationen und Temperaturen langsamer und weniger ansteigen. Die Erdgeschichte lehrt: Je schneller und stärker ein Klimawandel vonstattengeht, desto drastischer sind die Folgen. Deswegen bleibt der globale Klimaschutz, der Versuch, die Treibhausgase zu begrenzen, weiterhin eine immens wichtige Aufgabe.

Daneben werden die Folgen des Klimawandels eine immer größere Bedeutung bekommen, genauso wie die Frage, wie sie sich in Zukunft bewältigen lassen. Ebenso wie der Klimaschutz ist auch die Anpassung an den sich wandelnden Planeten eine globale Aufgabe. Und teilweise stand sie in Scharm el Scheich bereits auf der Agenda. Mit der Erkenntnis, dass die Welt sich drastisch verändern wird, bekommen Initiativen wie der frisch beschlossene Fonds für Loss and Damage oder die multinationalen Partnerschaften für Anpassungsmaßnahmen breitere Bedeutung. Sie sind dann nicht bloß der fällig Ausgleich für die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit, sondern zukunftsweisende Initiativen für eine Welt, die auf Jahrzehnte hinaus von einem sich wandelnden Klima geprägt sein wird – und das eher früher als später auch die reichen Länder des globalen Nordens trifft.

Deswegen ist bei aller Enttäuschung über die Resultate von COP27 wichtig, auch die Stärken und Erfolge der Klimakonferenzen zu sehen. Zum Beispiel eben die überraschende Verhandlungsmacht des globalen Südens in Form der Gruppe G77, die die Vereinbarung über Klimaentschädigungen gegen den Widerstand der meisten großen Industrieländer durchsetzte. Und in der Abschlusserklärung steht ein Vorschlag für die Reform gleich mehrerer bedeutender Finanzorganisationen, um eben jene Länder besser zu unterstützen.

Das ist zugegebenermaßen nicht das, wofür die Klimarahmenkonvention diese Konferenzen vorsah. Aber es ist eine Funktion, in die die Klimakonferenzen hineingewachsen sind. In einer sich rapide erwärmenden Welt braucht die Staatengemeinschaft dringender denn je ein zentrales Forum, in dem die Staaten auf Augenhöhe Erfahrungen austauschen, Kooperationen vereinbaren und Konflikte auflösen. Wenn es die Klimakonferenzen nicht schon gäbe, müsste man sie neu erfinden.

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