COP29 in Baku: Die Klimakonferenz bringt nichts mehr
Die Erwartungen an die Weltklimakonferenz 2024 in Baku waren gleich zu Beginn gedämpft. Nach Dubai fand die so genannte COP erneut in einem Erdölstaat statt; die Staatschefs von China, den USA und Indien, die zusammen die Hälfte der globalen Emissionen verantworten, ließen sich ebenso wenig blicken wie der deutsche Kanzler; der Wahlsieg von Donald Trump, der wie schon 2020 aus dem Klimavertrag von Paris aussteigen will, warf einen Schatten auf die Verhandlungen. Statt wie geplant am Freitag endeten diese nach Verlängerung in der Nacht zum Sonntag – und wären fast ergebnislos gescheitert.
Immerhin steht nun etwas, das erklärtes Ziel der Konferenz in Baku war: eine Zusage für milliardenschwere Ausgleichszahlungen an die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder. Diese hatten veranschlagt, dass dafür eine jährliche Gesamtsumme von einer Billion US-Dollar nötig sei – mindestens. Schließlich stand eine Zahl: Bis zum Jahr 2035 wollen die Staaten 300 Milliarden Dollar im Jahr aus verschiedenen Quellen bereitstellen, neben staatlichen sollen beispielsweise auch private Finanzierungen angerechnet werden.
Das klingt erst einmal nach einem Anfang. Doch ähnliche Zusagen gab es schon, und zwar über ein Ziel von 100 Milliarden Dollar jährlich. Es war 2009 bei der 15. COP in Kopenhagen beschlossen worden und sollte 2020 erreicht werden. Und es klappte bis zum damals gesetzten Fristende nicht ein einziges Mal, sondern erst im Jahr 2022. Mit Blick auf diese vergangene Zahlungsmoral ist also fraglich, ob das nun in Baku formulierte, ohnehin viel zu niedrige Ziel erreichbar ist.
Hat sich dafür das zwei Wochen dauernde COP-Spektakel mit mehreren zehntausend Menschen gelohnt? Das jährliche Ritual der Weltklimakonferenzen bietet zwar die einzige Gelegenheit, bei der praktisch alle Länder der Welt, auch die kleinsten, auf Augenhöhe miteinander über eines der drängendsten Probleme der Menschheit sprechen; und bei der die Staaten ihre Klimaschutzbemühungen voreinander rechtfertigen. Aber ein Gehörtwerden, dem regelmäßig unzureichende Versprechungen und wenig Taten folgen, ist ein zunehmend stumpfes Werkzeug.
Bereits kurz nach Beginn der 29. COP hat ein offener Brief vom 15. November für Gesprächsstoff gesorgt: Schlanker müsse die COP werden, verbindlicher, wissenschaftsnäher und weniger von Lobbyismus geprägt. Das alles würde der Veranstaltung sicher helfen. Es bleibt aber die grundsätzliche Frage: Was bringt sie überhaupt noch? Die Entscheidungen, die für die Klimazukunft tatsächlich zentral sind, fallen anderswo.
Einigen der 28 Weltklimakonferenzen zuvor haben wir durchaus wichtige Erkenntnisse, öffentliche Meinungsbildung und politische Zielsetzungen zu verdanken. So haben sich die Industrieländer mit dem Kyoto-Protokoll von 1997 erstmals völkerrechtlich verbindliche Emissionsziele gegeben. Mit dem Übereinkommen von Paris nach der 21. COP im Jahr 2015 hatten sich dann sämtliche Staaten verpflichtet, weniger Treibhausgase auszustoßen. Das war in vieler Hinsicht ein Durchbruch. Doch die Wirkung aller Konferenzen auf die einzige Größe, die für den Klimawandel wirklich zählt, war nachweislich sehr überschaubar. Wenn man über die zahlreichen Versprechungen hinwegblickt, auf die Kurve des globalen CO2-Anstiegs in der Atmosphäre, geht es immer weiter bergauf. Vielleicht mag trösten, dass es ohne COPs hätte noch schlimmer kommen können. Aber das reicht nicht.
Als Instrument sind die COPs inzwischen abgestumpft. Der Nimbus des Events befeuert die Erwartungen an ein neues spektakuläres Übereinkommen. Es würde aber schon reichen, das von Paris endlich umzusetzen. Seitdem gibt es eigentlich nichts Grundlegendes mehr zu klären, die einzelnen Staaten haben einen eindeutigen Auftrag. Wir müssen unsere Aufgaben angehen, statt sie wegzuverhandeln.
Stattdessen nutzen viele das COP-Theater, um ihre Verantwortlichkeiten wieder zu relativieren und zu verwischen. In Baku wurden zwar Kompensationszahlungen für die vom Klimawandel Betroffenen festgelegt. Doch sie sind bei Weitem unzureichend und nicht einzutreiben, da mögliche Sanktionen fehlen. Niemand glaubt, dass Trump irgendetwas freiwillig zahlt. Gleichzeitig sprachen die Staaten beim Thema Finanzen über marktbasierte Instrumente, mit denen die Verursacher von Emissionen ihre Klimabilanz für ihren nächsten COP-Auftritt aufhübschen können. Dazu können sie sich, auch das ein Ergebnis aus Baku, durch erworbene Zertifikate die CO2-Einsparungen anrechnen lassen, die anderswo erreicht wurden. Doch längst ist klar, dass dieser Ablasshandel weitgehend nutzlos ist. So wird ein verstärkter globaler Kohlenstoffmarkt nur dazu führen, dass die reichen Staaten sich eine von der Realität völlig entkoppelte Klimaneutralität erkaufen. Unter dem Strich hat diese COP dazu beigetragen, Verantwortung abzuwälzen, statt sie zu übernehmen.
Zähe Konsenssuche gegen eine kompromisslose Realität
Die COPs sind heute kein Rahmen mehr, in dem Lösungen entstehen. Sie sind ein Schaulaufen, bei dem sich die mächtigen Staaten der Welt gegenseitig ihre kleinen Beiträge und ihre großen Pläne zum Klimaschutz vorführen, während die am meisten leidenden Länder Jahr um Jahr darauf hinweisen, dass das alles längst nicht genügt. Sie sind zu einer Bühne verkommen, auf der am Ende immer nur der kleinste gemeinsame Nenner aufgeführt wird. Und wenn man zum 29. Mal erfolgreich Pflichten vernachlässigt und auf die Zukunft vertröstet hat, fällt es beim 30. Mal umso leichter.
Stattdessen sanktioniert uns der Klimawandel unterdessen ganz kompromisslos selbst. Seine Folgeschäden werden nicht nur immer offensichtlicher, sondern auch kostspieliger. So teuer, dass neben der Bewältigung der Schäden und der Vorbereitung auf die nächste Überflutung oder die nächste Hitzewelle immer weniger Ressourcen für aktiven Klimaschutz übrig bleiben.
Es gibt durchaus Entwicklungen, die Mut machen. Doch sie sind an vielen Stellen längst vom Verhandlungstisch abgekoppelt. Solarzellen sind inzwischen die billigste Stromquelle und übertreffen mit neuen Ausbaurekorden immer wieder selbst die optimistischsten Prognosen. Auch Stromspeicher werden leistungsfähiger und günstiger, ob stationär oder als Batterien in Elektroautos, die zur Stabilisierung von Stromnetzen bald eine zentrale Rolle spielen werden. Der Hauptproduzent und damit -profiteur solcher Technologien ist China. Für das Land ist die globale Dekarbonisierung längst zum nationalen Interesse geworden und wird es noch mehr, wenn sich die USA unter Trump wieder stärker den fossilen Energien zuwenden. Da ist fast schon egal, was China auf COPs verspricht oder nicht. Warum sollte es einen Kompensationsfonds ohne Aussicht auf Rückzahlungen ernst nehmen, wenn es stattdessen durch gezielte Investitionen die Entwicklung anderer Länder in seinem Sinn antreiben, seinen Einfluss mehren, neue Abhängigkeiten schaffen kann? Während in Baku verhandelt wurde, weihte Chinas Staatschef Xi einen chinesisch finanzierten Tiefwasserhafen in Peru ein.
Klimaschutz passiert heute, weil die mächtigen Länder erkennen, dass er in ihrem Interesse liegt. Weil sie unter Wetterextremen leiden, weil sie resilienter werden müssen, weil sie Klimaflucht verhindern wollen, weil erneuerbare Energie unschlagbar günstig ist, weil sie mit Klimaschutz Geld verdienen und Machtverhältnisse ändern.
Freilich befeuern weniger globale Absprachen regionale Alleingänge – und die bergen Risiken. Ein Beispiel, wie so etwas schiefgehen könnte, liefert das Geoengineering: Einzelne Länder könnten gezielt in die Physik und Chemie der Atmosphäre eingreifen, um die globale Erwärmung zu bremsen. Das würde aber möglicherweise ungeahnte negative Folgen in weit entfernten Weltregionen heraufbeschwören. Viele Fragen rund um Gerechtigkeit und Ressourcen in Zeiten des Klimawandels sind international und brauchen auch in Zukunft entsprechende Rahmen. Aber maßgeschneidert und auf eine Weise, die angesichts der rasenden Veränderungen raschen Erfolg und Verbindlichkeit verspricht. Die trägen und aufgeblähten COP-Verhandlungen können das nicht mehr leisten.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben