Freistetters Formelwelt: Wie man aus mathematischer Sicht am besten Zwiebeln schneidet

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Ich koche gerne und viel. Und wenn ich einmal nicht weiß, was ich zubereiten soll, fange ich meistens damit an, ein paar Zwiebeln zu schneiden. Denn die kann man für so gut wie jedes Rezept brauchen. Außerdem hat die Tätigkeit eine meditative Wirkung, sodass mir dann meistens ein passendes Gericht einfällt. Zum Glück bin ich relativ unempfindlich, was die Ausdünstungen der Zwiebel angeht. Ich muss das Schneiden nur sehr selten aufgrund von Tränen unterbrechen. Mit der richtigen Mathematik kann man das Weinen allerdings auch fast komplett vermeiden.
Das, was die Tränen verursacht, ist ein Stoff mit der Bezeichnung Propanthial-S-oxid. Wenn die Zwiebel aufgeschnitten wird, gelangt er durch kleine Tröpfchen in die Luft und regt in unseren Augen die Nerven an, die für die Tränenproduktion zuständig sind. Diesen Prozess hat ein US-amerikanisches Forschungsteam im Mai 2025 ausführlich untersucht: einerseits durch konkrete Experimente und Messungen und andererseits durch ein mathematisches Modell, dessen zentrale Formel so lautet:
Die Zwiebel wird dabei als zweidimensionales Modellsystem dargestellt. Außen befindet sich eine starre Membran (die Zwiebelhaut) und darunter eine elastische, weiche Schicht. Wird ein Messer auf die Zwiebel gedrückt, entsteht Spannung in der Membran und die elastische Schicht wird komprimiert. Die Formel gibt die kritische Kraft an, bei der die Haut bricht. Sie hängt von der Kontaktfläche zwischen Zwiebel und Messer ab (Lc), der Eindringtiefe δc und diversen Parametern, die die Elastizität und Schichtdicken der Zwiebel beschreiben.
Die mathematische Analyse dieses Modells stimmt sehr gut mit den realen Beobachtungen überein. Ziel war es, zum einen die Anzahl der beim Schnitt freigesetzten Tröpfchen zu beschreiben und zum anderen ihre kinetische Energie, die bestimmt, wie weit sie geschleudert werden. Sowohl die Experimente als auch die mathematische Modellierung zeigen, dass beides vor allem von der Schärfe des Messers abhängt. Das ist wenig überraschend: Je schärfer das Messer, desto weniger spritzt die Zwiebel. Doch es kommt auch auf die Geschwindigkeit an. Hier sollte man sich nicht an dem orientieren, was man in Kochsendungen und Internetvideos sieht: Eine Zwiebel in Windeseile zu zerhacken, mag zwar beeindruckend wirken – ist aber kontraproduktiv, was die Tröpfchenbildung angeht. Wer Tränen vermeiden will, braucht ein scharfes Messer und viel Geduld.
Mit der Zwiebel-Konstante zur perfekten Form
Ein anderes Problem beim Kochen mit Zwiebeln hat mit dem Schneiden an sich zu tun. Aus ästhetischen Gründen möchte man in der Regel möglichst gleich große Stücke erhalten. Form und Aufbau der Zwiebel machen das jedoch schwer. Typischerweise hat man eine halbe Zwiebel vor sich liegen und schneidet sie einfach vertikal von oben nach unten. Dann fallen die Stücke, die nahe der Mittellinie liegen, ungefähr gleich groß aus. Je näher man aber dem Rand kommt, desto stärker variiert die Größe. Man kann die Schnitte auch radial anstatt vertikal ansetzen, also immer in Richtung Zentrum der Zwiebel schneiden. Doch dann erhält man ebenfalls unterschiedlich geformte Stücke.
Der US-amerikanische Koch James Kenji López-Alt hat 2021 behauptet, das bestmögliche Resultat erhalte man, wenn man beim Schneiden auf einen Punkt ziele, der unterhalb der Zwiebel liegt, bei zirka 60 Prozent des Zwiebelradius. Der Mathematiker Dylan Poulsen vom Washington College in Chestertown hat versucht, dafür einen Beweis zu finden, und gezeigt, das Kenji López-Alt fast richtiglag. Am besten ist es, man zielt auf einen Punkt unterhalb der Zwiebel mit einem Abstand von 55,7306… Prozent des Radius. Diesen Wert hat er als »Zwiebel-Konstante« bezeichnet. Aber zum Glück schmeckt das Essen auch, wenn man nicht ganz so exakt ist.
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