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Mäders Moralfragen: Das Leid der geklonten Äffchen

Versuchstiere mit identischem Erbgut können in der Medizin nützlich sein. Doch ist das wirklich die Motivation der Forscher für ihre Experimente?
Zhong Zhong, einer der durch somatischen Kerntransfer erzeugten Affen.

Kommt beim Klonen als Nächstes der Mensch an die Reihe? Wird es bald möglich sein, eine Kopie von sich selbst zu erstellen – weil man sich für toll hält oder um jemanden zu haben, der einem im Notfall Organe spenden kann? Die Frage kam in der vergangenen Woche auf, nachdem Forscher aus Schanghai im Fachmagazin "Cell" von zwei geklonten Javaneraffen berichtet hatten: Zhong Zhong und Hua Hua sind einige Wochen alt und angeblich gesund. Sie besitzen dasselbe Erbgut wie ein dritter Affe, von dem sie geklont worden sind. Ihre Namen ergeben zusammengesetzt das Wort für "China": Zhonghua.

Primaten zu klonen ist schwieriger, als genetische Kopien von Hunden, Katzen oder Schweinen zu erzeugen. Die Methode ist zwar im Grundsatz dieselbe wie beim Klonschaf Dolly in den 1990er Jahren, doch es sind zuvor einige Versuche mit Affen gescheitert. Auch die neue Methode funktioniert nur selten: Von 79 geklonten Affenembryonen, die man Affenweibchen eingepflanzt hatte, wurden nur zwei geboren. Die chinesischen Forscher sehen nun aber keine technische Hürde mehr auf dem Weg, auch Menschen zu klonen. So zitiert das Wissenschaftsmagazin "Nature" einen der Autoren der "Cell"-Studie, der aber gleich versichert, keinen solchen Plan zu verfolgen.

Deutsche Forscher bleiben vorsichtig

Klar, dass die Aussicht auf den geklonten Menschen allen einen Schrecken einjagt. Aber vorerst liegt eine andere ethische Frage näher: Ist es gerechtfertigt, Affen zu klonen? Schließlich sind geklonte Tiere oft nicht richtig gesund. Auch bei Zhong Zhong und Hua Hua würden andere Forscher gerne noch abwarten, bevor sie sich ein Urteil darüber erlauben. Eine Methode, um kranke Tiere zur Welt zu bringen, kann niemand wollen. Die Tierrechtsorganisation Peta fordert daher ein Verbot aller Klonexperimente mit Tieren.

Stefan Treue vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen hat dem Science Media Center Deutschland erläutert, wozu man geklonte Javaneraffen brauchen könnte: An Javaneraffen werden üblicherweise Medikamente getestet, bevor sie den ersten Patienten verabreicht werden. Wenn alle Versuchstiere, wie es bei Mäusen und Ratten der Fall ist, das gleiche Erbgut hätten, würde ein Unsicherheitsfaktor wegfallen, der die Ergebnisse verfälschen könnte. Dann würden weniger Versuchstiere genügen, um zu entscheiden, ob das Medikament wirkt und sicher ist. Die chinesischen Forscher nennen einen anderen Anwendungsfall. Sie möchten die Affen zusätzlich gentechnisch verändern, um an ihrem Gehirn die Entstehung und eventuelle Therapie von Krankheiten wie Parkinson untersuchen zu können.

Ein Ethiker hegt einen Verdacht

Peta wendet sich auch gegen diese Tierversuche. Aber was ist von dem Argument zu halten, dass man mit geklonten Affen die Zahl der benötigten Versuchstiere reduzieren könnte? Ist es stichhaltig, sofern man die Prämisse akzeptiert, dass Tierversuche für den medizinischen Fortschritt nötig sind? Stefan Treue macht die Antwort davon abhängig, ob es den geklonten Affen wirklich gut geht. Doch der Theologe und Ethiker Peter Dabrock von der Universität Erlangen-Nürnberg wirft noch eine weitere Frage auf: Ist die Zeit schon reif für Klonexperimente an Primaten? Sollte man nicht erst noch mehr Erfahrungen mit Mäusen und Ratten sammeln? Und wenn die Forschung tatsächlich nicht warten kann – was treibt sie an? Liegt ihr wirklich nur die Gesundheit der Menschen am Herzen, für die sie das Leid der Affen in Kauf nimmt? Diese Fragen zielen alle in eine Richtung: Darf man den Wissenschaftlern vertrauen?

Das von Deutschland aus zu beurteilen, ist schwer, denn wir kennen die chinesische Wissenschaft kaum. In der Studie selbst steht nichts dazu, wie die Autoren die ethischen Fragen bewerten. Daher ist es – vorerst – nicht möglich, die Zweifel auszuräumen, und man kann Peter Dabrock in seinem Verdacht nicht widersprechen: "Die Namen der beiden Äffchen, die mit dem chinesischen Nationalstolz spielen, deuten … an, dass [es] bei diesen Versuchen … vor allem um Prestige und andere nicht hochrangige Ziele geht."

Die Moral von der Geschichte: Auf ethisch sensiblem Terrain sollten Wissenschaftler auch Gründe liefern, ihnen zu vertrauen.

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