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Angemerkt!: Der Arsen-Schnellschuss geht nach hinten los

In einer Pressekonferenz feierte die NASA eine Veröffentlichung über Arsen fressende Bakterien als Sensation. Inzwischen wünscht sich die Organisation vermutlich, sie hätte es nicht getan: Wissenschaftler lassen kein gutes Haar an der Arbeit.
Arsen fressende Bakterien
Die letzten Donnerstag von der NASA auf einer Pressekonferenz vorgestellte Forschung hatte alles, was eine gute Schlagzeile braucht: Außerirdisches Leben. DNA. Bakterien, die giftige Metalle fressen. Die Meldung ging um die Welt. Eine Woche später allerdings hat sich die Geschichte dank einiger zuvor unbemerkter Ingredienzen – darunter Nachlässigkeit und wohl auch eine gute Portion Wunschdenken der Wissenschaftler – zu einer inzwischen ziemlich peinlichen Posse weiterentwickelt.

Die zentrale Behauptung des Teams um Felisa Wolfe-Simon, das Bakterium GFAJ-1 aus dem Mono Lake hätte Arsen statt Phosphor in seine Biomoleküle eingebaut, ist inzwischen unter schweren Beschuss geraten. Mehrere Mikrobiologen und Chemiker haben die Veröffentlichung unter die Lupe genommen und einhellig verrissen. Die Arbeit liefere kein einziges überzeugendes Indiz dafür, dass Arsen in DNA oder ein anderes Biomolekül eingebaut worden sei, schreibt zum Beispiel die Mikrobiologin Rosie Redfield von der University of British Columbia. Auch Harvard-Geochemiker Alexander Bradley bemängelt, einfache Kontrollexperimente seien nicht durchgeführt worden.

Tatsächlich stützt sich die Veröffentlichung in ihren Aussagen auf zwei wesentliche Befunde. Zum einen wuchsen die fraglichen Bakterien in einem Kulturmedium, zu dem die Autoren Arsenat, aber kein Phosphat zusetzten – für die Autoren ein Hinweis darauf, dass sie Arsenat an Stelle des für die Zellteilung nötigen Phosphats zum Wachsen nutzten.

Das zweite Indiz lieferten Untersuchungen, die Arsen im Zusammenhang mit isolierten Biomolekülen nachweisen sollten. Es sind diese Experimente, die am heftigsten kritisiert werden, denn die Forscher verzichteten auf mehrere Arbeitsschritte und Verfahren, die für eine solche Untersuchung eigentlich Routine sind – darunter wichtige Reinigungsschritte. So können sie den Verdacht nicht ausräumen, die gemessenen Arsenkonzentrationen seien bloße Verunreinigungen gewesen.

Schlimmer noch: Dass ein Molekül wie DNA Arsen statt Phosphat enthält, weisen gängige chemisch-physikalische Analysemethoden wie die Massenspektrometrie mühelos nach. Die nötigen Gerätschaften stehen in jedem chemischen Institut der Welt zur Verfügung, allein genutzt haben die Autoren sie offensichtlich nicht.

Grundsätzliche Kritik kommt auch von Chemikern. DNA mit eingebautem Arsen zerfällt in Wasser mit einer Halbwertszeit von etwa zehn Minuten, so instabil sind die Bindungen. Wolfe-Simon und Kollegen vermuten deswegen, ein besonderer biochemischer Mechanismus bewahre die DNA der Mikroben vor dem Zerfall. Bradley weist allerdings darauf hin, dass bei der Reinigung des Erbguts alle Fremdmoleküle und vor allem eventuell stabilisierende Proteine abgetrennt werden – die DNA aber bliebe intakt.

Tatsächlich erweist sich auch der überzeugendste Teil der Befunde, nämlich das Wachstum der Bakterien in einer Kultur mit Arsen statt Phosphor, bei näherem Blick als nicht allzu überzeugend. Auch das angeblich phosphatfreie Nährmedium enthält nämlich geringe Mengen Phosphor durch Verunreinigungen. Geringe Mengen im Vergleich zum Mono Lake, allerdings 100-fach mehr des Nährstoffs, als man zum Beispiel in der Sargassosee findet, merkt Bradley an. Und auch dort können sich Bakterien vermehren.

Es sieht also sehr danach aus, als sei die groß angekündigte Veröffentlichung in "Science" ein unglücklicher und wenig durchdachter Schnellschuss. Die Befunde von Wolfe-Simon und Kollegen sind nur schlecht durch Kontrollexperimente belegt, und die Forscher müssen jetzt belastbare Daten nachliefern, wenn sie mit ihren Resultaten weiter ernst genommen werden wollen.

Die NASA jedenfalls steht schon jetzt blamiert da. Erst erntete sie Kritik für ihre überbordende Vermarktung der "Science"-Veröffentlichung, nun steht auch noch hinter der wissenschaftlichen Qualität ihrer mikrobiologischen Forschung – immerhin einer zentralen Komponente der Suche nach außerirdischem Leben – ein großes Fragezeichen. Zumal ausgerechnet die Mikrobiologin Redfield säuerlich darauf hinweist, dass sich die NASA auf diesem Gebiet auch in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert hat. Heute ließ sich dann der NASA-Sprecher Dwayne Brown laut einem Medienbericht zu der Bemerkung hinreißen, die Organisation halte es für "unangemessen", wenn ihre Forschung statt in wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Medien und Blogs diskutiert werde – gerade fünf Tage nachdem die Organisation genau das auf einer Pressekonferenz selbst ausgiebig getan hatte.

Man sollte hier das Kind aber nicht mit dem Bade ausschütten – die nun von den Kritikern über der Arbeit und ihren Autoren ausgeschüttete Häme ist völlig überzogen und eigentlich nur erklärbar aus dem Ärger vieler Wissenschaftler über Pressekonferenz und Alien-Schlagzeilen in der Boulevardpresse. Denn auch wenn die Kritiker Recht behalten und sich in DNA und anderen Biomolekülen kein Arsen findet, ist der Mikroorganismus aus dem Mono Lake eine kleine biochemische Kuriosität, die viele interessante Fragen aufwirft. Nicht zuletzt, wie die Mikrobe das Arsen von ihren Molekülen fernhält.

Es gibt also noch viel zu lernen von GFAJ-1. Wenn nicht über außerirdisches Leben, dann doch über Biochemie, extreme Umweltbedingungen und – wieder einmal – darüber, dass außergewöhnliche Behauptungen auch außergewöhnlicher Belege bedürfen.

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