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Ein Quantum Wahrheit: Seid nett zueinander – es lohnt sich!

Positive Eigenschaften strahlen auch auf andere Gebiete aus, so besagt es der Halo-Effekt. Das ist nicht immer gerecht, aber oft hilfreich, findet unser Psychologie-Kolumnist.
Eine lächelnde Frau mit Brille und langem braunem Haar unterhält sich mit einer anderen Person, die im Vordergrund von hinten zu sehen ist. Die Frau trägt eine grüne Bluse und gestikuliert freundlich mit den Händen. Im Hintergrund sind eine Ziegelwand und Pflanzen zu erkennen.
Die Neue im Team sieht nicht nur sympathisch aus – sie hat bestimmt auch voll die Ahnung!
Irren tun immer die anderen. Man braucht etwas nur oft genug zu hören, um es zu glauben. Und wer sein Gegenüber imitiert, wirkt sympathisch. Der Wissenschaftsjournalist und Bestsellerautor Steve Ayan stellt in seiner Kolumne »Ein Quantum Wahrheit« die wichtigsten Effekte und Verzerrungen der menschlichen Psyche vor.

»Wow, du hast ein umwerfendes Lächeln!« Als der Mann hinter der Bar das zu mir sagte, wäre mir fast das Bierglas aus der Hand gerutscht. Ich fragte mich eine Sekunde lang, ob ich in einer Schwulenbar stand, und drehte dann, verlegen lächelnd, von der Theke ab – so dass ich die hinter mir wartende, groß gewachsene Frau erblickte, der der Spruch des Barkeepers gegolten hatte. Ihr Lächeln war in der Tat ziemlich umwerfend, und ich sagte seufzend zu ihr: »Ich dachte schon, er hätte mich gemeint.« Sie erwiderte: »Das habe ich auch gehofft.«

Während ich mich durch die Menge zurück zu meinen Freunden schlug, staunte ich erstens über den schlagfertigen Witz der Schönen und zweitens über eine tiefe psychologische Wahrheit, die ich bei dieser Gelegenheit bestätigt fand: Wer hat, dem (oder der) wird gegeben! Denn Leuten, die wir sympathisch oder attraktiv finden, schreiben wir schnell auch andere positive Eigenschaften zu, egal wie viel Anlass dazu wirklich besteht.

Seit der so genannte Halo-Effekt (von englisch »halo« für Heiligenschein) von dem US-Psychologen Edward Thorndike (1874–1949) Anfang des 20. Jahrhundert empirisch belegt und ausführlich beschrieben wurde, steht es so in einschlägigen Psychologiebüchern: Lehrkräfte halten freundliche Schüler im Schnitt für aufgeweckter und hilfsbereiter als die Miesepeter in der Klasse. Groß gewachsene Bewerber (besonders Männer) gelten als durchsetzungsfähiger, und wer ein freundliches Wort für uns übrig hat, ist doch bestimmt obendrein auch noch spendabel, humorvoll und belesen. Wenn wir uns da mal nicht täuschen!

Alle bisherigen Effekte in dieser Kolumne
- Der fundamentale Attributionsfehler
- Die Normalitätsverzerrung
- Der Rückschaufehler
- Der Halo-Effekt

Meist rührt die wundersame Übertragung von Eigenschaften daher, dass bestimmte Charakteristika gemäß der allgemeinen Erwartung eher zusammen auftreten. Über den Einzelfall sagt das allerdings wenig aus. So assoziieren wir eine umgängliche Persönlichkeit häufig mit Großzügigkeit oder Verlässlichkeit – dabei steckt womöglich nur Scheinheiligkeit oder Opportunismus dahinter.

Doch wissen Sie was? Warum genau jemand freundlich zu mir ist, interessiert mich im Zweifel gar nicht besonders. Selbst wenn derjenige nur so tut als ob, finde ich, es sollte belohnt werden. Und halte ihm bereitwillig noch manches andere zugute.

Halo umgekehrt: Der Teufelshörner-Effekt

Es gibt allerdings – das ist der Haken an der Sache – auch den umgekehrten Fall, den man etwas hölzern als »Teufelshörner-Effekt« bezeichnet hat. Der sonst so erfolgsverwöhnte Elon Musk erlebt ihn derzeit wohl zumindest hier zu Lande. Seit Musk als faschistoider Unsympath verschrien ist, finden viele seine E-Autos gar nicht mehr so cool und fortschrittlich.

Vielleicht kommt er aus diesem Tief erst wieder heraus, wenn er sich »Elon T. Musk« oder ähnlich nennt. Denn Mittelinitialen, das ergab eine Studie von 2015, gelten auf Grund ihrer größeren Verbreitung unter (angelsächsischen) Bildungsbürgern als Ausweis von hoher Intelligenz – weshalb sie in der wissenschaftlichen Literatur bevorzugt auftauchen.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich Ihr Steve J. Ayan.

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