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CRISPR/Cas9: Der Kampf um die Genschere fängt erst an

Das US-Patentamt urteilte im viel beachteten Patentstreit um CRISPR/Cas9. Doch der Ärger fängt jetzt erst richtig an: Die Zukunft des Gene Editing wird wohl vor Gericht entschieden.
DNA model

Die Heftigkeit der Auseinandersetzung hatte die Wissenschaftswelt erschüttert. Seit Jahren beharken sich Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna auf der einen Seite und Feng Zhang auf der anderen, alle mit ihren Universitäten im Rücken und neu gegründeten Unternehmen in der Hinterhand. Es ging um die Frage: Wer darf Lizenzen für die CRISPR/Cas9-Technologie vergeben und damit an neuen Anwendungen verdienen? Diese Frage wird die Wissenschaft auf Jahre hinaus beschäftigen – und wohl dauerhaft verändern.

Schon jetzt ist klar, dass selbst die grundlegende Frage keineswegs gelöst ist: Wer darf denn nun die Anwendung der Genschere lizensieren? Am Mittwoch entschied das US-amerikanische Patentamt, dass ein entscheidendes CRISPR/Cas9-Patent von Zhangs Broad Institute für die Manipulation an Mäusen und Menschen Bestand hat. Die Streitpartei der University of California (UC) hätte es dagegen gerne aufgehoben gesehen – die Behörde folgte ihrer Argumentation aber nicht, obwohl ein grundlegenderes Patent der UC auf der Basis der Arbeiten von Doudna und Charpentier älter ist. Zhangs Verfahren, so die Begründung, sei nicht offensichtlich von der älteren Forschung abgeleitet.

Man sieht sich vor Gericht

Das aber ist keineswegs das letzte Wort in der Sache. Zwar war der Widerspruch der University of California gegen Zhangs Patent auf die Anwendung von CRISPR/Cas9 an Eukaryoten nun erfolglos. Die gerade mit ihrem Antrag gescheiterte Universität stellt sich nun aber auf den Standpunkt: Wer sich auf Zhangs Patent stützt, braucht selbstverständlich auch eine Lizenz für das von Charpentier und Doudna patentierte allgemeine CRISPR/Cas9-Verfahren.

Diese Frage, davon darf man ausgehen, muss wiederum ein Gericht klären. Und das ist nur die erste aller möglichen Streitfragen rund um Gene Editing. Während man noch auf Konferenzen darüber diskutiert, ob durch CRISPR/Cas9 veränderte Bakterien oder Pflanzen als gentechnisch verändert gelten sollen, ob man den so genannten Gene Drive gegen Malaria einsetzen oder gar das Erbgut des Menschen verändern darf, zeigt der Rechtsstreit: Gütliche Einigungen werden unwahrscheinlicher. Wer auf dem Gebiet mitreden will, muss vermutlich vor Gericht ziehen, auch bei Fragen, die bisher innerhalb der Wissenschaft geklärt wurden.

Es wird teuer

Bei den potenziell gefährlichen Gain-of-function-Mutationen, mit denen Vogelgrippeviren auch für Säugetiere gefährlich gemacht wurden, hatte sich die wissenschaftliche Gemeinschaft noch geeinigt, dem Moratorium der USA zu folgen. Und selbst der erbitterte Patentstreit um die Entdeckung des HI-Virus beschäftigte zwar die Präsidenten zweier Staaten; die aber sorgten für ein salomonisches Ergebnis.

Was aber, wenn zum Beispiel eine Arbeitsgruppe wegen der Einwände einer Ethikkommission ein milliardenschweres Patent verliert und dann die Universität auf Schadenersatz verklagt – womöglich mit einem multinationalen Unternehmen im Rücken? Was, wenn umgekehrt eine Forschungsorganisation sich unter Druck sieht, eine umstrittene Anwendung durchzuwinken, um des Patents willen? Die Zukunft des Gene Editing dürfte teuer werden.

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