Energiesparen: Der "Rebound-Effekt" wird überschätzt
"Kaum kaufst du dir ein sparsameres Auto, schon setzt du dich häufiger ans Steuer": Der so beschreibbare "Rebound-Effekt" dient kritischen Stimmen in der Klimadebatte gern als Argument gegen die Einführung energieeffizienter Technologien. So zum Beispiel in Zeitungsartikeln wie "Wenn Energieeffizienz die Umwelt verschmutzt", erschienen in der "New York Times" [1].
Die Idee hinter dem Rebound-Effekt – und seiner Extremvariante, dem "Backfire"-Effekt, bei dem die angestrebten Energiesparmaßnahmen sogar zu einem steigenden Stromverbrauch führen – ist schon im 19. Jahrhundert von Stanley Jevons formuliert worden. In seinem 1865 erschienenen Buch "Die Kohlefrage" (The Coal Question) stellt der Ökonom die Hypothese auf, dass der Energieverbrauch parallel mit zunehmend effizienterer Industrie wächst, weil die Gesellschaft in der Folge auch immer mehr produziert und konsumiert [2].
Der Rebound-Effekt ist durchaus real, und strategisch langfristig ausgerichtete Energiekonzepte sollten ihn berücksichtigen. Mittlerweile missbraucht man ihn allerdings gerne auch als Ablenkungsmanöver. Eine Vielzahl von Studien hat aufgezeigt, dass Rebound-Effekte zu gering ausfallen, als dass sie Energieeffizienzprogramme zum Scheitern verurteilen könnten. Simulationen und Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass durch Verhaltensänderungen etwa 5 bis 30 Prozent der angestrebten Energieeinsparungen wieder zunichtegemacht werden (siehe Kasten), und die Verluste erreichen selbst dann nie 60 Prozent, wenn makroökonomische Effekte eingerechnet werden.
Genug wissenschaftliches Beweismaterial entschärft also allzu große Befürchtungen über den Rebound-Effekt und gibt Energieeffizienzprogrammen Flankenschutz.
Viele Regierungen denken derzeit über gesetzliche Regelungen nach, die den Energieverbrauch drosseln, die Ölimporte vermindern und die Umweltverschmutzung bremsen sollen [3]. China plant bis 2015 eine Reduktion des Energieumsatzes um 16 Prozent, gerechnet vom Stand des Jahres 2010; EU-weit soll der für das Jahr 2020 projizierte Energieverbrauch um 20 Prozent gekappt werden; Japan möchte die Stromnachfrage im Zeitraum von 2010 bis 2030 um 10 Prozent senken. Energieeffizienz kann seinen Beitrag zu solchen Kürzungsvorhaben leisten – das volle Potenzial wird allerdings in keinem Land ausgenutzt.
Denn verschiedene Faktoren bremsen die Implementation von Energiesparmaßnahmen – zum Beispiel eingeschliffene Verhaltensmuster, hohe Kosten oder auch Interessenkonflikte zwischen Investoren und Leistungsempfängern. Energierichtlinien können hier hilfreich sein. In den USA zum Beispiel werden sich die PKW- und LKW-Verbrauchsobergrenzen bis zum Jahr 2025 deutlich verschärfen – und selbst wenn man einen Rebound-Effekt einkalkuliert, dürften diese Maßnahme unterm Strich zu erheblichen Einsparungen führen.
Vier Effekte
Ein Rebound-Effekt wirkt über vier unterschiedliche Mechanismen, die alle die Effektivität von Energieeffizienzprogrammen negativ beeinflussen. Interessant ist aber vor allem, wie stark sie im Einzelnen zum Tragen kommen.
Zunächst zum "unmittelbaren" Effekt – er tritt auf, wenn die sinkenden Kosten des Energieverbrauchs die Nachfrage erhöhen. Analysten berechnen seine Höhe anhand unserer üblichen Verhaltensanpassungen an schwankende Preise: Eine Vielzahl von Studien hat ermittelt, dass häufigeres Autofahren als Folge günstigerer Benzinpreise unmittelbar 5 bis 23 Prozent der Einsparungen wieder auffrisst. Dieser Wert steigt dann innerhalb von einigen Jahren auf rund 30 Prozent an, während derer sich die Verbraucher an die niedrigeren Preise gewöhnen [4]. Für Haushaltselektronik liegen diese direkt einsetzenden "unmittelbaren" Effekte bei etwa 10 Prozent [5].
Nun reagieren Menschen beim Management ihres Stromverbrauchs allerdings stärker auf schwankende Preise als auf wahrgenommene Effizienzverbesserungen [6]; um dies auszugleichen, hat man die Prozentwerte im Durchschnitt eher zu hoch angesetzt. Der reale "unmittelbare" Anteil des Rebound-Effekts beläuft sich – bezogen allein auf die Energieeffizienz – wohl eher auf Werte am unteren Ende der Schätzwerte, also auf etwa 5 bis 10 Prozent [4, 5].
Geld, das man durch Effizienzeinsparungen nun mehr hat, kann auch in neuen Produkten angelegt werden – einem neuen Smartphone zum Beispiel –, was für "indirekte" Rebound-Effekte sorgt, sobald zusätzliche Energie bei der Herstellung und während der Nutzung des neuen Geräts verbraucht wird. Wertet man die Aufwendungen von Privathaushalten aus, so kommt man auf rund 5 bis 15 Prozent, die durch solche Zusammenhänge von möglichen Energieeinsparungen verringern [7]. Auch der "indirekte" Effekt liegt hier real eher am unteren Ende, wenn man dabei nun wieder die höheren Anschaffungskosten von energieeffizienter Technik einpreist: Ein Toyota Prius zum Beispiel ist teurer als ein vergleichbares Fahrzeug mit höherem Energieverbrauch, sein Kauf verschlingt also mehr vom frei gewordenen Betrag.
In zweifacher Hinsicht macht sich der Rebound-Effekt auch auf volkswirtschaftlicher Ebene bemerkbar. So werden die gerade verabschiedeten Verbrauchsrichtlinien in den USA die Ölnachfrage bremsen – was aber, weil damit der Ölpreis global sinkt, nun weltweit mehr Menschen zum häufigeren Autofahren anregen könnte; ein "makroökonomischer Preiseffekt".
Dazu kommt noch ein "makroökonomischer Wachstumseffekt", sobald die höhere Energieeffizienz einzelne Industriezweige punktuell aufblühen lässt. Ein energieeffizient optimiertes Unternehmen könnte zum Beispiel dafür sorgen, dass energieintensivere Firmen anderer Branchen profitieren. So könnten etwa für Sprit sparende Autos neu entwickelte, leichtere Materialien in verbesserten Flugzeugtypen eingesetzt werden – und dafür sorgen, dass der Luftverkehr sich belebt und mehr Energie verbraucht.
Makroökonomische Rebound-Effekte sind schwer fassbar, grundlegende ökonomische Theorien setzen ihnen allerdings Obergrenzen. So kann es zum Beispiel unmöglich einen Backfire-Effekt als Folge von Preisschwankungen geben, wenn man die üblichen Annahmen über den Zusammenhang von Angebot und Nachfrage zu Grunde legt: Eine weltweit fallende Nachfrage nach Öl macht den Rohstoff auch billiger und seine Förderung damit weniger lohnend. Also wird – trotz niedrigerer Kosten – dann unterm Strich weniger Öl verbraucht.
Komplizierte Summe
Die vier Rebound-Effekte lassen sich nicht einfach zu einem Gesamtbetrag aufaddieren – sie beeinflussen sich gegenseitig. Wenn zum Beispiel "unmittelbare" und "indirekte" Effekte gemeinsam auftreten, nimmt ihre Gesamtwirkung ab: Der unmittelbare Rebound-Effekt verschlingt ja Geld, das man anderswo hätte ausgeben können, was dann erst "indirekte" Effekte hätte auslösen können. Nach makroökonomischen Berechnungen summieren sich beide Aspekte zu 20 bis 60 Prozent des theoretischen Höchstwerts [8, 9].
Es bleibt also festzuhalten, dass Rebound-Effekte gering ausfallen und daher nicht als Ausreden für Untätigkeit herhalten können. Vielleicht fahren Verbraucher wirklich in Energie sparenden Autos mehr, und vielleicht kaufen sie auch häufiger andere Produkte – insgesamt aber wird ein Benzin sparendes Auto unterm Strich auch Energie einsparen. Maßnahmen zur gesteigerten Energieeffizienz müssen auf die Agenda, damit wir den Energieverbrauch begrenzen und der globalen Klimaerwärmung Herr werden können. Man sollte flächendeckend schärfere gesetzliche Anforderungen an Energieeffizienz einführen – und zusätzlich Maßnahmen wie eine Bepreisung von Kohlenstoffemissionen fördern, die einem Rebound-Effekt gar nicht erst unterliegen.
Dieser Artikel ist im Original unter dem Titel "The Rebound effect is overplayed" in "Nature" erschienen
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