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Lobes Digitalfabrik: Der Spion im Wohnzimmer

Wir umgeben uns mit elektronischen Geräten, die auf Sprachbefehle reagieren. Doch diese lauschen auch dann, wenn wir nicht mit ihnen sprechen.
Digitale Verschlüsselung

In einer Folge der Kultserie "Mr. Robot" wird Susan Jacobs, Generalbevollmächtigte des Konglomerats E Corp, zum Ziel einer Hackerattacke. Jacobs kommt gerade vom Joggen in ihr Smarthome zurück, als das Unheil seinen Lauf nimmt. Zuerst geht die Alarmanlage los. Als Jacobs anschließend in ihr Hallenbad geht, ertönt wie von Geisterhand "Figaros Hochzeit". Der Thermostat reguliert sich herunter. Dann klingelt auch noch das Telefon. Letztlich wird ihre ganze Wohnung von Hackern fremdgesteuert – die anarchistische Untergrundorganisation fsociety hat das Kommando über ihr Zuhause übernommen.

Diese von den Serienmachern erdachte Szene ist nicht mehr allzu weit von der Realität entfernt. Vor einigen Monaten wurde durch Wikileaks bekannt, dass die CIA von ihrer Frankfurter Zentrale unter dem Codenamen "Weeping Angel" mit einem Hackertool Smart-TVs von Samsung anzapfte und in einen Modus schaltete, der dem Nutzer suggerierte, er hätte den Fernseher ausgeschaltet – dabei war dieser in Wahrheit noch an und sammelte Daten.

"Bitte seien Sie sich bewusst, dass Ihre Worte aufgezeichnet und an einen Drittanbieter geschickt werden"

Das Smarthome ist voller so genannter Always-on-Geräte, die laufend mithören und sämtliche Gespräche aufzeichnen. Samsung warnte seine Kunden, dass man besser nichts Privates in Anwesenheit eines Smart-TVs sagen sollte. "Bitte seien Sie sich bewusst, dass Ihre gesprochenen Worte aufgezeichnet und an einen Drittanbieter geschickt werden", hieß es. Nach Amazon hat nun auch Google seinen smarten Lautsprecher Home in Deutschland auf den Markt gebracht. Das blumenvasenartige Gerät steuert per Spracherkennung Hausgeräte, reguliert die Heizung oder bestellt Pizza. Zwar wird das Gerät erst aktiviert, wenn das Sprachkommando "Okay Google" artikuliert wird. Doch die Mikrofone nehmen ständig auf.

Auch Amazons Netzwerklautsprecher Echo zeichnet Sätze, respektive Bruchteile von Sätzen, auf und leitet diese an einen Cloud-Dienst weiter, wo sie von Algorithmen analysiert werden. Die Polizei im US-Bundestaat Arkansas verlangte von Amazon die Herausgabe von Audiodateien, weil der smarte Lautsprecher womöglich bei einem Mord mitgehört hatte. Was geschah zur Tatzeit? Gab es Schreie des mutmaßlichen Opfers? Fielen Schüsse? Amazon gab nach anfänglichem Zögern die Daten schließlich heraus. Die Abfrage der Informationen ist aus rechtsstaatlicher Sicht fragwürdig. Mit Smartphones, Smart-TVs, smarten Spielzeugen und smarten Lautsprechern stehen immer mehr kamera- und mikrobewehrte internetfähige Geräte im Eigenheim, die von Dritten angezapft und abgehört werden können.

Der IT-Experte Mark Barnes demonstrierte kürzlich, wie er durch das Abschrauben des Gummibodens Amazon Echo in ein Spionagegerät verwandeln und den Besitzer heimlich abhören konnte. Durch die physische Manipulation gelang es ihm, eine Schadsoftware in das Betriebssystem einzuschleusen und Zugriff auf das Mikrofon zu erlangen. Jedes Wort, das der Besitzer in der Nähe des Lautsprechers spricht, könnte so mitgehört werden. Zwar ist der Hack ähnlich aufwändig wie die Installation einer Wanze in einer Wohnung. Doch die Vorstellung, dass ein Lautsprecher zum Spion wird, ist alles andere als behaglich.

Der US-Sicherheitsforscher Matt Jakubowski schaffte es, die smarte Puppe "Hello Barbie" zu hacken, in deren Nacken ein Mikrofon integriert ist. Mit einem technischen Kniff konnte er problemlos auf diverse Funktionen zugreifen, darunter Netzwerknamen, Audiodateien und das Mikrofon. "Es ist nur eine Frage der Zeit, den Server auszutauschen und die Puppe sagen zu lassen, was immer wir möchten", erläuterte Jakubowski dem Sender NBC.

Der Architekturkritiker Edwin Heathcote schrieb kürzlich in einem eindrücklichen Artikel in der "Financial Times": "Unser Zuhause wird besessen. Und die dunklen Mächte des 21. Jahrhunderts sind die Geister, die unsere Maschinen kontrollieren." Das klingt alarmistisch, schirrmacheresk. Doch bei den smarten Geräten, die uns eigentlich Autonomie verschaffen sollen, zeigt sich ein fataler Kontrollverlust, weil man gar nicht weiß, wer am Steuerknüppel sitzt. Die Knöpfe und Sprachkommandos verschaffen dem Nutzer lediglich die Illusion von Kontrolle. Im Januar dieses Jahres löste ein US-Nachrichtensprecher eine Kettenreaktion aus, indem er in einer Livesendung Amazon Echo einen Sprachbefehl erteilte, woraufhin sich in tausenden Haushalten wie von Zauberhand der Netzwerklautsprecher aktivierte, weil das Gerät nicht zwischen der Stimme aus dem Fernsehen und einer im Raum zu unterscheiden vermag.

Im Lichte der Hackerangriffe wirkt der Steuer- und Verschaltungsprozess im smarten Home wie eine Simulation. Sind die Bewohner nur die Avatare eines Computermodells, die von Maschinen berechnet werden? Wer ist das Bedienelement von wem? Thermostate wie Nest könnten nicht nur die Raumtemperatur messen, sondern auch, ob geraucht, getrunken und gefeiert wird. Sie können sogar aus der Temperatur ableiten, wie viele Leute in der Wohnung sind. Big Brother kommt im Gewand des netten Helfers daher. "Ohne unser Wissen führen wir Marktforschung für die Hersteller und Onlinehändler durch, indem wir häusliche Arbeit verrichten, essen, chatten und uns in unserer Wohnung bewegen", kritisiert Heathcote.

Das Tech-Blog "Gizmodo" spekulierte unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Reuters, dass der Haushaltsroboter Roomba in den letzten Jahren heimlich unser Zuhause vermessen haben könnte. Roomba sammelt nicht nur Staub ein, sondern auch jede Menge Daten. Der Staubsaugroboter ist seit März mit Amazons Sprachsoftware Alexa kompatibel. Wenn Amazon seinen Netzwerklautsprecher Echo optimieren möchte, wäre es in der Lage auf die vom Roboter erhobenen Raumdaten zurückzugreifen. Ist das Zimmer gefüllt, bestände die Möglichkeit, Werbung für Raumdekorationen auszuspielen. Ist der Raum eher leer, wären Anzeigen für Möbel oder Haushaltswaren von Interesse. Doch der künstliche Doppelagent könnte noch viel mehr sensible Informationen erfassen. Welche Bücher stehen im Regal? Welche Medikamente werden benutzt? Befinden sich möglicherweise Waffen oder Drogen in der Wohnung?

Man kann sich leicht den nächsten Schritt ausmalen: Hacker, die eine Wohnung nicht nur abhören, sondern mit Hilfe smarter Haushaltsgeräte auch deren Bewohner filmen.

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