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Katastrophenschutz: Der Warntag läuft ins Leere

Im Notfall bekommt man eine Warnung aufs Handy. Doch was dann? Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung weiß, was zu tun ist. Das zu ändern ist die eigentliche Aufgabe, kommentiert Lars Fischer.
Ein grauer Sirenenmast ragt über ein mit Schieferplatten gedecktes Dach in den blauen Himmel. Die Sirene hat eine runde, schalenförmige Abdeckung. Das Bild zeigt eine klare, wolkenlose Wetterlage.
Tüdelüt – aber was macht man dann?

Ich bin ein Prepper. Zumindest ein bisschen. 40 Liter Wasser stehen in der Werkzeugkammer neben Dosenfisch und einem kleinen Gaskocher. Medikamente, Taschenlampe und wichtige Dokumente liegen griffbereit. Damit folge ich den Empfehlungen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), sich auf Notfälle vorzubereiten. In der Bevölkerung bin ich damit allerdings in der Minderheit. Weniger als die Hälfte aller Deutschen haben sich laut einer Umfrage vom September 2024 schon mal mit dem Thema auseinandergesetzt.

Und das ist auch das eigentliche Problem beim alljährlichen Warntag. So wichtig es ist, die Bevölkerung schnell über Notlagen informieren zu können – das ist nur der Anfang. Denn: Was macht man dann mit dieser Information? Wie man sich in einer bestimmten Notsituation verhält, weiß laut der gleichen Umfrage nur ein Drittel der Bevölkerung. Und wenn der Tornado schon aufs Haus zukommt, ist es ein Tickchen zu spät, das noch eben schnell zu googeln.

Es ist deswegen auf jeden Fall sinnvoll, sich damit zu befassen, welche Notlagen am eigenen Wohnort wahrscheinlich sind und wie man im Ernstfall damit umgeht. Aber bei der Vorbereitung komplett auf Eigenverantwortung zu setzen, ist ein Irrweg. Das funktioniert nicht, aus mehreren Gründen. Zum einen nämlich wird immer nur ein Teil der Bevölkerung von sich aus diese Informationen suchen – weil die Leute zu viel anderes um die Ohren haben oder nicht wissen, wie sie an die Informationen kommen.

Und zum anderen haben längst nicht alle Menschen die Möglichkeit, sich angemessen vorzubereiten. Das sieht man am besten beim Thema Vorräte. Wasser, Lebensmittel und Hygieneartikel für eine vierköpfige Familie brauchen Platz und kosten Geld – beides ist oft nicht ausreichend vorhanden. Dann werden manche Medikamente nur abgezählt herausgegeben, sodass man keine Reserve aufbauen kann und dergleichen. Es ist absehbar, dass viele Menschen in Deutschland schon bei drei Tagen Stromausfall in ernste Schwierigkeiten geraten werden.

Die praktischen Probleme setzen sich auf staatlicher Ebene fort. Es gibt keine flächendeckenden Informationsangebote zur Notfallvorsorge, Informationsketten zwischen Behörden sind lückenhaft, versprochene Verbesserungen versanden, und speziell lokal fehlen auch die Ressourcen und so weiter. Im Ernstfall einer Naturkatastrophe bedeutet das, dass sehr viele Menschen dringende Hilfe benötigen werden und dadurch auch die Hilfskräfte überlastet sein werden.

Und so sind die bundesweiten Warnsysteme, die am Warntag getestet werden, tatsächlich kaum mehr als ein Anfang. Wenn die Gesellschaft widerstandsfähig gegen Notlagen werden soll, dann geht das nicht individuell oder durch staatliche Infrastruktur – dann muss die Gesellschaft sich ganz bewusst gemeinsam vorbereiten. Das bedeutet, Katastrophenschutz auch als kollektive, solidarische Aufgabe zu begreifen. Wer gut vorbereitet ist, sitzt nicht nur selbst hoch und trocken, sondern kann auch anderen helfen.

Damit das wirklich bevölkerungsweit funktioniert, reichen Angebote an Volkshochschulen und dergleichen nicht aus. Nötig sind regelmäßige Lehrgänge dort, wo man Menschen erreicht: in Schulen – entsprechende Projekte gibt es schon –, an Arbeitsplätzen oder so weiter. Erstmal fünf Minuten lang Schockbilder, damit die Leute auch zuhören, und dann die zwei, drei wichtigsten Punkte. Nichts Großes, aber regelmäßig und flächendeckend. Das würde keineswegs alle Probleme lösen, doch es würde mehr als jeder Warntag dazu beitragen, den Katastrophenschutz dahin zu tragen, wo er hingehört: in die Gesellschaft.

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