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Hatts dufte Welt: Die Botschaften der Pheromone

Tiere brauchen keine Worte, um sich zu verständigen. Hauptsache, die Chemie stimmt. Mit Pheromonen erkennen sie das Geschlecht von Artgenossen, locken attraktive Sexpartner an und warnen vor Feinden. Ein spezielles Organ hilft bei der Kommunikation.
Hunde beschnüffeln gegenseitig ihre Feuchtgebiete. In aller Öffentlichkeit! Hund müsste man sein.

Beim Spaziergang mit einem Hund reicht nicht ein einziger Baum oder Laternenpfahl. Er pinkelt gern an jeden. Denn er verteilt mit seinem Urin ganz persönliche Visitenkarten: »Ich bin jung, gesund und potent, dies ist mein Revier, und ich komme hier jeden Tag vorbei. Also nehmt euch in Acht!« Seine Duftbotschaften informieren andere Hunde detailliert über Alter, Geschlecht, Paarungsbereitschaft und sogar über die Uhrzeit der Markierung.

Jeder Hund versteht sie – andere Tiere allerdings nicht. Denn die Sprache der Pheromone ist lediglich für Artgenossen gedacht. Sie existiert neben der erlernten und anerzogenen Duftbewertung. Und ein Hundepheromon wird auch nur von Hunden produziert. Katzen, Mäuse oder Kaninchen haben ihre eigene Sprache.

Alle Wirbeltiere haben ein spezielles Organ, um die chemischen Botschaften der Pheromone zu verstehen. Nach seinem Entdecker heißt es Jacobson-Organ oder − nach seiner Lage in der Nase − Vomeronasalorgan (VNO). Während Menschen und Menschenaffen im Verlauf ihrer Entwicklung dieses wichtige zusätzliche Geruchsorgan stillgelegt haben, ist es bei Mäusen, Katzen oder Pferden noch funktionsfähig.

Das VNO besteht aus einer blind endenden, einen Zentimeter langen, dünnen Röhre zu beiden Seiten der Nasenscheidewand, die von der Atemluft schlecht zu erreichen ist. Und es funktioniert wie eine Gummipipette, die Luft und damit Pheromone aufsaugt. Manche Tiere haben eine spezielle Atemtechnik entwickelt, das so genannte Flehmen – sozusagen um die »Pipette« besonders stark einzudrücken.

Geheime Geruchsbotschaften

Pferde, Schafe und vor allem Kamele ziehen dabei Nase und Oberlippe hoch. Auch Katzen saugen auf diese Weise möglichst viele Duftmoleküle in das VNO. Dort befinden sich auf Pheromone spezialisierte Sinneszellen, die über dünne Nervenfäden direkt mit tiefen Hirnregionen (Hypothalamus) fest verdrahtet sind. Deshalb lösen Pheromone immer die gleiche, reproduzierbare Reaktion des Tieres aus.

Pheromone können Artgenossen alarmieren und vor Gefahren warnen, über Nahrungsquellen informieren, Reviere markieren und Rangordnungen festlegen. Aber vor allem sind sie als Liebesdüfte wichtig. Der Duft einer läufigen Hündin löst beim Rüden ein Verhalten aus, das wie ein Reflex abläuft: Er ignoriert Futter und Herrchens gute Worte und flitzt davon. Hin zum Objekt der Begierde.

Der Eber macht sich für seine Sex-Gelüste die Pheromone Androstenon und Androstenol zu Nutze. Er verteilt sie mit seinem Speichel, um die Sau in Duldungsstarre zu versetzen: Sie hält still, bis der anstrengende Akt mit dem korkenzieherartigen Penis überstanden ist. Allerdings bloß, wenn gerade ein Eisprung stattfand und sich die Mühe lohnt. Weibchen anderer Tiere bleiben von diesen Düften völlig unbeeindruckt, denn auch Sexbotschaften richten sich nur an die eigenen Artgenossen. Tierische Sexualpheromone können Menschen zwar ebenfalls gefallen, wie etwa Moschus vom gleichnamigen Ochsen oder Zibet von der Zibetkatze, aber tierische Wirkungen haben sie keine.

Pheromone sind bereits für Neugeborene wichtig. Ihnen weist ein spezielles Zitzenpheromon den Weg zur Mutterbrust und löst den Saugreflex aus. Und wiederum besitzen Katzen einen anderen Duft als Kaninchen, Hunde oder Mäuse.

Sex sells – auch bei Pheromonen

Jedoch lassen sich Tiere von Pheromon-Imitaten aus der Pflanzenwelt täuschen. Baldrian oder Katzenminze zum Beispiel können rauschähnliche Zustände auslösen, die Tiere sexuell erregen, so dass sie sich darin wälzen und daran knabbern. Darum macht man Katzen mit entsprechend beduftetem Spielzeug eine große Freude. Der Einsatz von speziellen Wohlfühl- und Sozialpheromonen kann zudem beim Stressabbau helfen und das Wohlbefinden fördern.

Sie stammen, ähnlich wie beim Hund das so genannte DAP (dog appeasing pheromone), von der weiblichen Brustdrüse, oder es sind Duftstoffe von Pheromondrüsen hinter den Ohren der Katze. Eigentlich werden sie beim Stillen oder »Köpfeln« der Katzenmutter zur Beruhigung ihrer Kinder gebildet. Insofern ist das Köpfeln oder Schmusen der Katzen nicht unbedingt ein Liebesbeweis. Vielmehr markieren sie uns und nehmen uns damit in Besitz.

Das Gegenteil bewirken die Alarm-Pheromone: Sie sollen Artgenossen warnen, stressen und zur Flucht veranlassen. »Verpiss-dich«, ein häufig eingesetztes Kraut im Garten, das Katzen vertreiben soll, scheint eine ähnliche Duftmischung zu enthalten. Diese abschreckenden Pheromone sind ebenfalls früh in der Evolution entstanden. Schon der Goldfisch produziert sie. Besonders wichtig sind sie allerdings bei Wildtieren.

Der Duft vom Menschen als Feind ist dagegen kein Pheromon; die Wirkung darauf ist erlernt. Auch er löst bei vielen Tieren eine Fluchtreaktion aus. Manche Jäger kennen deshalb eine ganz spezielle Abschreckung: Sie laufen um ihr geschossenes Wild herum und verhindern durch ihre menschliche Duftspur, dass andere Tiere wie Fuchs oder Wildschwein sich nähern, obwohl sie »den Braten riechen«.

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