Direkt zum Inhalt

US-Wahl: Die Macht der Algorithmen

Social Bots könnten den US-Wahlkampf zu Gunsten von Donald Trump beeinflusst haben. Schon beim Brexit haben sich Softwareagenten in die Debatte eingeschaltet, kommentiert Adrian Lobe.
US-Wahl zwischen Clinton und Trump

Donald Trump ist entgegen allen demoskopischen Erwartungen zum US-Präsidenten gewählt worden. Der Republikaner hat offensichtlich eine schweigende Mehrheit in entscheidenden Bundesstaaten zum Urnengang mobilisiert. Doch womöglich haben ihm nicht nur seine Anhänger zum Wahlsieg verholfen, sondern auch Maschinen. Laut einer Untersuchung von Alessandro Bessi und Emilio Ferrara von der University of Southern California haben sich 400 000 Bots in die politische Diskussion zur US-Präsidentschaftswahl auf Twitter eingemischt. Vor allem bei der letzten Debatte traten automatisierte Pro-Trump-Accounts als aggressive Agenda-Setter auf den Plan und feuerten siebenmal mehr relevante Hashtags ab als das Clinton-Lager. Rund 20 Prozent des Twitter-Traffics während der TV-Duelle waren automatisiert.

Zwar lässt sich empirisch (wie auch in vorherigen Studien) nicht feststellen, ob Bots tatsächlich die öffentliche Meinung beeinflusst haben. Doch die schiere Präsenz von Meinungsrobotern in sozialen Netzwerken verweist auf einen gravierenden Strukturwandel – man könnte auch Strukturdefekt sagen – der (digitalen) Öffentlichkeit. Die Grundidee der deliberativen Demokratie ist es, dass Menschen ihre Meinung zu Markte tragen und durch den Austausch von Argumenten zu einer Entscheidung gelangen.

Nicht Trump hat die Demokratie beschädigt, sondern eine beschädigte Demokratie hat Trump zur Macht verholfen

Bots torpedieren den Gedanken einer offenen Debatte, an der jeder gleichberechtigt teilnehmen kann, weil sie durch ihre schiere Masse und Effizienz (Minderheits-)Meinungen unterdrücken können. So sorgten Meinungsroboter nach dem ersten TV-Duell dafür, dass der Hashtag "TrumpWon" (Trump hat gewonnen) zum Trending Topic in den USA auf Twitter avancierte und eine Gegengeschichte zur medialen Erzählung konstruiert wurde, wonach Clinton das Duell gewonnen habe.

Maschinen manipulieren Trends und erzeugen eine neue Realitätsebene, eine, in der nicht Wahrheit als Prüfmaßstab gilt, sondern Schnelligkeit und Häufigkeit. Es muss sich nur eine kritische Masse an Bots vereinen, um ein Thema in den Trending Topics zu platzieren und so Aufmerksamkeit zu generieren. Selten war Meinungsmache so einfach.

Auch beim Brexit-Votum, an das sich viele am Morgen nach der US-Wahl erinnert fühlten, haben sich Softwareagenten eingeschaltet. Wie der Kommunikationswissenschaftler Philip N. Howard und sein Koautor Bence Kollanyi in einer Studie aufzeigen, handelte es sich bei den aktivsten Accounts beider Lager um Bots. Diese Accounts namens @ivoteLeave und @ivoteStay folgten, welche Ironie, einem ähnlichen Algorithmus. Das belegt, dass es im Meinungswettbewerb schon gar nicht mehr auf Programmatik, sondern lediglich auf eine effektive Programmierung ankommt. Ersetzen also Algorithmen Argumente?

Die Wahrheit scheint in diesem postfaktischen Raum, wo sich falsche Nachrichten und Lügen in Windeseile verbreiten, bloß simuliert, weshalb sie sich auch nur bedingt als Orientierungsgröße von Debatten eignet. Trump hat diesen hochmanipulativen Raum geschickt bespielt, indem er immer wieder Nebelkerzen zündete. Es gibt Stimmen wie die des Journalisten Nick Bilton, die den republikanischen Radaubruder für ein Geschöpf des Silicon Valley halten.

Trumps Kandidatur im Jahr 2000, als es weder Facebook noch Twitter gab, scheiterte kläglich. Hat künftig derjenige die Deutungshoheit über Ereignisse, der die stärkste Bot-Armee hinter sich vereint? Sind opake Systeme wie Algorithmen überhaupt legitime politische Akteure? Wenn ein Fünftel einer Debatte automatisiert ist, zeigt das, dass Maschinen Menschen vom Prozess der politischen Willensbildung verdrängt haben und der Repräsentationsgedanke der Demokratie signifikant eingeschränkt ist. Trumps Triumph ist auch ein Versagen der Politik, deren vornehmste Aufgabe darin besteht, Meinungen zu strukturieren. Nicht Trump hat die Demokratie beschädigt, sondern eine beschädigte Demokratie hat Trump zur Macht verholfen. Die Wahl mag für viele schwer verdaulich sein. Viel gravierender ist jedoch, dass in diesem Wahlkampf Algorithmen, die niemand gewählt hat, die Agenda mitbestimmten.

Schreiben Sie uns!

2 Beiträge anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.