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Klimakonferenz In Madrid: Die Null steht

Das Ergebnis ist so matt wie am Ende die Delegierten. Der Klimagipfel von Madrid lehrt: Von der Weltpolitik ist nichts zu erwarten. Ein Kommentar von Daniel Lingenhöhl.
Hitzige Stadt

Das Ende war vorhersehbar. Wohl nur die größten Optimisten hatten vor Beginn der Klimakonferenz von Madrid auf ein brauchbares Ergebnis und handfeste Maßnahmen zum Klimaschutz gehofft. Von den USA, die immer noch der zweitgrößte Produzent an Treibhausgasen sind, konnte man nichts erwarten: Präsident Trump führt sein Land aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015, und seine Administration tut zu Hause alles, um fossile Energie zu fördern und Umweltgesetze zu schleifen. Im brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und dem australischen Premierminister Scott Morrison hat er willfährige Verbündete: Der eine befeuert die Abholzung am Amazonas, der andere fördert die Kohleindustrie wie weltweit kaum ein zweiter Staatschef.

Vor allem diese Koalition hintertrieb laut verschiedenen Beobachtern Bemühungen, doch noch zu weiter reichenden Beschlüssen in Madrid zu kommen. Während die USA prinzipiell unwillig sind, etwas zum internationalen Klimaschutz beizutragen, versuchten sich die beiden anderen in Taschenspielertricks. Australien und Brasilien verhinderten vor allem ein neues Regelwerk zum Handel mit Klimaschutzzertifikaten. Beide wollten Milliarden Kohlendioxidzertifikate aus früheren Jahren in einem geplanten neuen Markt verkaufen. Der Brasilianer beabsichtigte dabei, schon einmal ins Ausland verkaufte Gutschriften nochmals auf die eigene Klimabilanz des Landes verrechnen zu lassen. Ein übles Tauschgeschäft, das ungestraft Milliarden Tonnen Kohlendioxid mehr freigesetzt hätte.

Dagegen wehrten sich die Staaten der Europäischen Union mit ihren Verbündeten zu Recht, dieser Zertifikatehandel soll 2020 in Glasgow nachverhandelt werden. Diese Staaten wollten zudem in der Schlussformulierung verankert haben, dass auf dieser folgenden Konferenz endlich ehrgeizige nationale Pläne zur Reduzierung von Kohlendioxid und Co vorgelegt werden. Doch selbst diese billige Absichtserklärung stieß auf Granit. Die jetzige Kompromissformel ist nichts mehr als heiße Luft.

Madrid reiht sich daher ein in die lange Reihe gescheiterter Konferenzen. Mit den momentanen vermeintlichen Anstrengungen steuert die Welt eher auf eine Temperaturerhöhung von durchschnittlich 3 Grad Celsius zu und ist weit davon entfernt, den Anstieg auf 1,5 oder 2 Grad Celsius zu begrenzen.

Wir sollten daher vielleicht keine weiteren Hoffnungen auf zukünftige Gipfel verschwenden. Von der Weltpolitik brauchen wir keine Veränderung zu erwarten, solange Staatsmänner wie Trump, Bolsonaro oder Morrison jeden legislatorischen Fortschritt zum Klimaschutz sabotieren oder sogar das Gegenteil fördern. Selbst in Deutschland, wo hunderttausende Menschen regelmäßig für mehr Klimaschutz demonstrieren und dieses Thema zu den wichtigsten in Wählerumfragen gehört, rafft sich die Regierung kaum zu wirklich weit reichenden Maßnahmen auf (siehe »Der Berg, der eine Maus gebar«).

Aufgeben ist jedoch ebenfalls keine Option. Die Lösung könnten bilaterale Abkommen sein: Mit dem »Green Deal« hat die Europäische Union immerhin eine Idee vorgelegt, mit der sie bis 2050 klimaneutral werden will. Füllt sie diesen Plan bald mit Leben, kann er als Vorbild für andere große Wirtschaftsräume dienen. Unterstützung bekommt Europa sicher von kleinen Nationen wie Neuseeland oder Costa Rica, die schon heute ihre Energieversorgung auf null Emissionen umbauen.

Immer noch ist Europa eine Wirtschaftsmacht und kann dies ausspielen. Als im Sommer Brasiliens Wälder brannten, reagierte Bolsonaro erst, als ihm Einschränkungen im internationalen Handel angedroht wurden. Und im September 2020 – und damit vor der Klimakonferenz von Glasgow – verhandeln die EU und China auch über den Klimaschutz. Klimaschützer erwarten sich hier ein positives Signal.

Selbst die viel gescholtenen Märkte könnten den Klimaschutz voranbringen. In Europa ging die Energieerzeugung aus Kohle 2019 teilweise massiv zurück, auch dank des EU-Emissionshandels, der CO2-Emissionen bepreist. Schon moderat steigende Kosten sorgten dafür, dass Kohlekraftwerke stillgelegt werden.

Ob dieser Wandel ausreicht und vor allem schnell genug geht, um einen drastischen Temperaturanstieg beim Weltklima zu verhindern, darf momentan allerdings bezweifelt werden. 2019 erreichte der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre einen neuen Höchststand seit Beginn der Industrialisierung, und die Zunahme beschleunigte sich wieder. Wir begeben uns leider sehenden Auges zunehmend in gefährliches Fahrwasser.

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