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Klimawandel: Die Nullrunde

Wieder wurden keine Ziele auf dem Klimagipfel vereinbart, um die globalen Kohlendioxidemissionen zu reduzieren. Die Verhandlungen verkommen zur Farce, meint Daniel Lingenhöhl.
Daniel Lingenhöhl
Daniel Lingenhöhl

Welchen Stellenwert die so genannten Weltklimakonferenzen noch haben, bezeugte exemplarisch das Verhalten des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk: Mitten in den Warschauer Verhandlungen entlässt er seinen Umweltminister und damit den Konferenzleiter Marcin Korolec – eindeutiger kann man nicht belegen, dass innenpolitische Erwägungen deutlich mehr wiegen als ein internationales Klimaschutzabkommen.

Mit dieser Einstellung ist Tusk aber nicht allein, denn nationale Egoismen überwogen die 19. Veranstaltung dieser Art: Schon vor dem Gipfel hatte Japan angekündigt, seinen CO2-Ausstoß deutlich weniger abzusenken als ursprünglich vereinbart – statt um ein Viertel des Werts von 1990 bis zum Jahr 2020 sollen es nun nur noch 3,8 Prozent weniger sein als 2005. Kanada stieg bereits 2011 aus dem Kyoto-Protokoll aus, Australien verweigert sich ebenfalls stärkeren Kohlendioxideinsparungen. Deutschland verhält sich mittlerweile auch zögerlicher (angesichts der abwartenden Haltung der anderen europäischen Staaten durchaus verständlich); immerhin sabotieren die USA Verhandlungsbemühungen nicht mehr so offensichtlich wie noch vor wenigen Jahren. Und über allem thront der Konflikt zwischen den alten Industriestaaten des Westens, den aufkommenden Giganten China, Indien und Brasilien sowie dem großen Rest der Entwicklungsländer des Südens: Keiner ist bereit, auf den anderen zuzugehen.

Warschau steht daher allenfalls für minimale Kompromisse. Das gravierendste Versäumnis stellt das völlige Fehlen von verbindlichen Reduktionszielen dar. Es gibt nur einen "Fahrplan", der dafür sorgen soll, dass bis zum nächsten ganz großen Gipfel 2015 in Paris derartige Einsparwerte erarbeitet werden sollen. Vor allem auf den Druck Chinas und Indiens hin ist aber nur noch von "Beiträgen" und nicht mehr von festen Vorgaben die Rede – auf gut Deutsch: Jeder Staat kann einen Wunschwert melden, muss sich daran aber nicht gebunden fühlen. Zynisch könnte man allerdings auch sagen, dass es vielleicht ehrlicher ist als das Kyoto-Protokoll, an dessen jeweilige nationale Vorgaben sich auch kaum einer halten mag.

Immerhin erreichten die Europäer und die USA, dass sich 2015 auch die so genannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) sowie die Entwicklungsländer zu Einsparungen verpflichten: China emittiert insgesamt mittlerweile mehr Kohlendioxid als die Vereinigten Staaten, bis spätestens 2025 überholt das Reich der Mitte ganz Europa. Indien und Brasilien sind ebenfalls stark auf Wachstumskurs. Ohne diese Länder und ihre Reduzierungsanstrengungen macht kein Klimaschutzabkommen mehr einen Sinn.

Wie sehr das Klima und sein Schutz mittlerweile aus dem Zentrum der Diskussionen gerückt sind, zeigt sich vor allem im Geschacher um finanzielle Zuweisungen: Geld und wie es verteilt wird, bestimmt mittlerweile die Agenda. Die Entwicklungsländer forderten die Industriestaaten auf, ab 2016 jährlich mindestens 70 Milliarden Dollar für den Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen im armen Süden bereitzustellen. Ab 2020 soll dieser Betrag auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen. Ohne Beitrag der boomenden BRIC-Staaten ließen sich diese Summen allerdings vor den europäischen oder amerikanischen Wählern kaum rechtfertigen. Eine Arbeitsgruppe soll nun den Finanzplan bis 2015 erarbeiten.

Zudem brach ein nachdrücklicher Hinweis der Europäer auf den Grünen Klimafonds und den Anpassungsfonds, die vor allem die Europäische Union mit Geldern füllt, den Block des Südens auf und zog die 48 ärmsten Staaten der Welt auf die Seite der Europäer. Sie gaben ihren Widerstand gegen das Abschlussdokument auf und ermöglichten so diesen Minimalkompromiss. Auch einigte sich die Weltgemeinschaft nach sieben Jahren Diskussion immerhin auf die REDD+-Vereinbarung: Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, indem man die Abholzung von Urwäldern reduziert beziehungsweise stoppt und neu aufforstet – etwa ein Zehntel des globalen Kohlendioxidausstoßes geht auf Brandrodung und Ähnliches zurück. Für diese Maßnahmen werden die entsprechenden Staaten finanziell entschädigt.

Dennoch: Wie festgefahren die Verhandlungen sind und wie misstrauisch sich Nord und Süd gegenüberstehen, zeigen exemplarisch die heftigen Wortgefechte, die sich an dem einzigen Wort "unter" entzündeten. Es ging um den Punkt "Loss and Damage" und die Entschädigung von armen Ländern, wenn diese von klimabedingten Katastrophen wie dem Taifun "Hayian" getroffen werden. Die Industriestaaten, allen voran die USA, wollten diesen Punkt unter Anpassungsmaßnahmen abhandeln, weil sie fürchteten, sonst automatisch mit immer größeren Summen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der Süden hingegen wollte dieses "Loss and Damage" als komplett neue Maßnahme mit eigener Infrastruktur unter Federführung der Vereinten Nationen durchsetzen.

Letztlich endete alles wie üblich bei dieser Klimakonferenz: Man einigte sich auf einen Minimalkompromiss. "Loss and Damage" läuft nun unter "Anpassung". Bei der 22. Klimakonferenz 2016 wolle man aber diesen "Warschau-Mechanismus für Verluste und Schäden" wieder neu verhandeln. Und so wird man immer weiter tagen, aber nicht handeln.

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