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Freistetters Formelwelt: Die universale Zukunftsformel

Eine einzige Gleichung reicht aus, um die Entwicklung des Universums zu beschreiben. Damit ließe sich sein Schicksal berechnen - gäbe es da nicht einen entscheidenden Haken.
Milchstraße

»Die Friedmann-Gleichung beschreibt die Entwicklung des Universums.« So lautet der höchst erstaunliche erste Satz des entsprechenden Artikels bei Wikipedia. Wir sind heute fast schon daran gewöhnt, dass die Wissenschaft keine Probleme damit hat, unvorstellbar weit entfernte Galaxien zu erforschen, die unvorstellbar kleine Welt der Elementarteilchen zu verstehen oder eben auch das unvorstellbar große und alte Universum in seiner Gesamtheit zu untersuchen. Für mich ist es aber immer wieder erstaunlich, wenn ich bewusst darüber nachdenke, was die moderne Naturwissenschaft zu leisten im Stande ist.

Die Friedmann-Gleichung beschreibt die Entwicklung des Universums. Nicht nur, dass wir heute in der Lage sind, überhaupt etwas über den Anfang, die Entwicklung und das Ende des gesamten Kosmos herauszufinden! Wir können es auch noch mathematisch formulieren, und das in einer einzigen Gleichung – dieser hier:

Wie es sich für solch einen komplexen Untersuchungsgegenstand wie das Universum gehört, ist die Friedmann-Gleichung ebenfalls ein wenig komplex. Auf der linken Seite steht eine für das Schicksal des Kosmos grundlegende Zahl: der Hubble-Parameter H, mit dem die Expansionsrate des Universums angegeben wird. Er sagt uns, wie schnell sich die Galaxien im Weltall voneinander wegbewegen; er sagt uns, wie groß das Universum früher war und wie groß es in Zukunft sein wird. Auf der rechten Seite der Gleichung stehen ein paar fundamentale Naturkonstanten: Die Kreiszahl π, die Lichtgeschwindigkeit c, die Gravitationskonstante G, die kosmologische Konstante Λ und der kosmische Skalenfaktor a (der Proportionalitätsfaktor, mit dem das Wachstum des Universums beschrieben wird). Mit ρ wird die durchschnittliche Massendichte im Kosmos beschrieben, und der unscheinbare Buchstabe k ist für das zukünftige Schicksal unseres Universums verantwortlich.

k ist der so genannte »Krümmungsparameter«, und er kann drei mögliche Werte annehmen: +1, -1 und 0. Welchen Wert man tatsächlich verwenden muss, um unser Universum zu beschreiben, wissen wir nicht. Das hängt von der Krümmung der Raumzeit selbst ab und damit von der grundlegenden »Form« des Universums. Ein Krümmungsparameter von +1 entspricht einem sphärischen Universum. Diese Art der Krümmung ist die, die wir auch auf der Oberfläche einer Kugel beobachten; in diesem Fall wäre das Universum zwar unbegrenzt (so wie man sich auf der Oberfläche einer Kugel beliebig lange in eine Richtung bewegen kann, ohne an eine Grenze zu stoßen), aber trotzdem nur endlich groß. Sich den Fall eines Krümmungsparameters von -1 vorzustellen, ist schwieriger. Das Universum wäre dann nicht sphärisch, sondern »hyperbolisch«. Das zweidimensionale Analogon ist unter diesen Umständen keine Kugeloberfläche, sondern zum Beispiel die Oberfläche eines Sattels. So ein Universum wäre unendlich groß und unbegrenzt. Ist der Raum weder positiv noch negativ gekrümmt, dann nimmt der Parameter k den Wert 0 an. Ein derartiges Universum wird »flach« genannt, ist unendlich groß und unbegrenzt und entspricht im zweidimensionalen Fall einer flachen Ebene.

Die Frage nach der Form des Universums ist nicht nur für sich genommen interessant, sie bestimmt auch, wie seine zukünftige Entwicklung aussehen wird. In einem »geschlossenen« Universum, in dem die Krümmung der Raumzeit sphärisch ist, wird die Expansion irgendwann zum Stillstand kommen und sich umkehren. Das Universum wird danach wieder schrumpfen, bis es in einem einzigen Punkt kollabiert, dem Gegenteil des »Big Bang«, aus dem es einst entstanden ist. In einem »offenen« Universum mit hyperbolischer Geometrie wird es dagegen immer weiter expandieren. In einem »flachen« Universum wird die Expansionsrate zwar stets abnehmen, aber trotzdem nie völlig verschwinden. Alles wird sich immer weiter von allem anderen entfernen, doch die Geschwindigkeit, mit der das passiert, wird immer geringer, ohne jemals ganz null zu werden.

Alle bisher gesammelten Beobachtungsdaten deuten darauf hin, dass das Universum, in dem wir leben, flach ist. Mit letzter Gewissheit können wir darüber aber noch keine Aussage machen. Wir haben zwar die Friedmann-Gleichung zur Beschreibung des universalen Schicksals. Solange wir nicht wissen, welche Zahlen wir in diese Gleichung einsetzen müssen, hilft sie uns allerdings nur bedingt weiter.

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