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Feuer in Australien: Ein Desaster aus Menschenhand

Australien erlebt gerade eine der schlimmsten Feuersaisons seit Jahrzehnten. Unerwartet kommt die Katastrophe allerdings nicht: Die Politik hat sie begünstigt, kommentiert Daniel Lingenhöhl.
Waldbrände in Australien

Mindestens 18 Menschen und eine geschätzte halbe Milliarde Tiere sind tot, fast sechs Millionen Hektar Land verbrannt – eine Fläche, die fast so groß ist wie Bayern. Tausende Menschen müssen teilweise vom Militär von Stränden in Sicherheit gebracht werden, weil ihre Siedlungen vom Feuer umschlossen sind. Die wirtschaftlichen Schäden lassen sich noch nicht beziffern; sie sollen aber einige Milliarden Euro betragen. Millionenstädte wie Melbourne oder Sydney waren in den vergangenen Wochen immer wieder tagelang in dichten Rauch gehüllt, und die Schadstoffkonzentrationen lagen um bis das Zwölffache über den offiziellen Grenzwerten. Die Aschewolken der Brände zogen sogar weit über den Pazifik, bedeckten Gletscher auf Neuseeland und waren noch in Südamerika nachweisbar.

Wem das jetzt schon zu apokalyptisch ist: Der Höhepunkt der Feuersaison steht Ostaustralien eigentlich noch bevor. Denn der Sommer hat gerade erst begonnen, mit den Höchsttemperaturen und trockensten Wochen ist im Januar und Februar zu rechnen. Dabei war schon der Frühling zu warm und zu trocken; in manchen Regionen fiel so wenig Niederschlag wie noch nie seit Aufzeichnungsbeginn.

Machtlose Feuerwehr | Die Brände sind so riesig und intensiv, dass die ohnehin schon vielfach ausgelaugten und überstrapazierten Feuerwehrleute mancherorts nur noch zusehen können.

Schuld daran sind unter anderem die Bedingungen im Indischen Ozean vor der australischen Westküste. Dort fand sich im Dezember 2019 einer der stärksten positiven Indischer-Ozean-Dipole (IOD), die bislang gemessen wurden. Der IOD bezeichnet eine natürliche Abweichung der Wassertemperaturen im westlichen und östlichen Bereich des Meeres. Herrscht vor Australien durchschnittlich zu kühles Wasser vor, fällt der IOD positiv aus – was weit reichende Folgen für das Wetter hat: Es regnet in Teilen Australiens sehr wenig. Gegenwärtig befindet sich der Wert noch immer im positiven Bereich.

Nicht nur natürliche Ursachen

Feuer sind ein ursprünglicher Teil vieler Ökosysteme des Kontinents: Ihre Arten sind häufig daran angepasst oder fördern Buschbrände sogar noch, um anschließend in den Genuss von Freiraum und frischen Nährstoffen zu kommen. Die Zahl dieser Pyrophyten ist in Australien besonders hoch. Der charakteristische Eukalyptus etwa ist voll mit ätherischen Ölen und heizt Brände damit so richtig an, ist aber dank einer dicken Borke wiederum gut vor dem Absterben geschützt. Viele Wälder werden sich daher relativ schnell wieder erholen – so es denn irgendwann wieder regnet.

Doch die ausufernden Feuersbrünste allein auf natürliche Faktoren zu schieben, wäre ein Fehler. Sie sind auch ein Desaster, das von Menschen und einer schlechten Politik verschärft werden.

Bevor die europäischen Siedler begannen, Feuer als Feind zu betrachten und es zu bekämpfen, brannte es regelmäßig im australischen Busch. Und die australischen Aborigines nutzten das Feuer in ihrem Sinn, etwa für die Jagd. Dadurch entstand ein kleinräumiges Muster unterschiedlicher Vegetationsstadien, was Brände natürlich eindämmt. Zudem sammelte sich weniger Brennmaterial in den Wäldern an, weil es schneller abbrannte. Jahrzehntelange Feuerbekämpfung hingegen sorgte dafür, dass sich die Menge an brennbarem Totholz und Laub – der so genannte »fuel load« – dramatisch vergrößert hat. Wenn es heute brennt, dann dank des zusätzlichen Materials und der einheitlicheren Altersstruktur auch intensiver und ausgedehnter.

Der erste Fehler liegt also im europäisch geprägten Umgang mit Feuer an sich. Oder wie es ein australischer Leiter eines Feuermuseums schon vor Jahren gegenüber dem »Spiegel« ausdrückte: »Der Umgang der Weißen mit dem australischen Feuer ist eine 200 Jahre lange Geschichte der Arroganz. Es wird ausschließlich als Bedrohung erlebt.«

Abholzung fördert ebenfalls Waldbrände

Zudem gehört Australien zu den Spitzenreitern bei der Abholzung: Kein anderes entwickeltes Land geht so destruktiv mit seinen Wäldern um wie Down Under. Jedes Jahr werden hunderttausende Hektar Busch, Savanne und geschlossener Wald gefällt, um vor allem Platz für Viehweiden zu machen.

Das fördert die Feuer, auch wenn das im ersten Moment kurios klingen mag. Die Rodungen schaffen Randeffekte bei angrenzendem Waldland, das durch Aufheizung der kahlen Flächen und Winde leichter und schneller an seinen Rändern austrocknet und deshalb leichter brennt. In weiten Teilen Australiens gingen die durchschnittlichen Niederschläge in den vergangenen Jahrzehnten zurück – zumindest teilweise könnte dies auf den Rückgang der Wälder zurückzuführen sein. Etwa die Hälfte der Regenverluste in Westaustralien lässt sich auf die Zerstörung der dortigen Wälder zurückführen, heißt es in einer Studie 2013. Für Südostaustralien werden ähnliche Zusammenhänge diskutiert.

Klimawandel als Gorilla im Raum

Zu diesen regionalen Problemen kommt inzwischen ein globales: Die Erderwärmung macht sich in Australien mehr und mehr bemerkbar. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die durchschnittliche Temperatur auf dem fünften Kontinent um ein Grad Celsius erhöht, während gleichzeitig die Niederschläge in den besonders von Waldbränden betroffenen Regionen in West- und Südostaustralien deutlich zurückgegangen sind. Ein Teil des Regendefizits schreiben australische Wissenschaftler dem Klimawandel zu. Seit den 1970er Jahren mehren sich Hitzewellen, sie dauern zunehmend länger an und fallen intensiver aus, wobei sich dieser Trend beschleunigt. Insgesamt dauert die Feuersaison länger, und es häufen sich die extrem feuerbegünstigenden Wetterlagen, wie der jüngste Klimazustandsbericht der australischen Regierung zusammenfasst.

Politisches Handeln leitet die Regierung um den Ministerpräsidenten Scott Morrison daraus allerdings nicht ab. Im Gegenteil: Australien fördert den Klimawandel national wie international. Das Land hat pro Kopf einen der höchsten Werte für Kohlendioxidemissionen und gehört zu den größten Kohleexporteuren weltweit. Und auf dem Gipfel in Madrid blockierte der Staat internationale Bemühungen um mehr Klimaschutz – sicher kein Wunder bei einem Staatsoberhaupt wie Morrison, der Kohlebrocken mit ins Parlament bringt und trotz nationaler Krise seinen Urlaub auf den Hawaii-Inseln antritt.

Dabei hätte der Kontinent ein großartiges Potenzial für saubere Energieerzeugung: Im Outback stehen riesige Flächen für Solarenergie auf übernutzten Viehweiden zur Verfügung, um das Land sauber zu elektrifizieren. Stattdessen soll in Queensland eine der größten neuen Kohleminen des Planeten eröffnet werden.

Und nun?

Wie geht es weiter in Australien? Für das Wochenende sagen die Wetterbehörden eine neue Extremwetterlage für Südostaustralien voraus. Für die heute schon erschöpften und ausgelasteten Feuerwehrmänner droht weitere Schwerstarbeit, bevor sich die Situation nächste Woche leicht entspannen könnte.

Langfristig deutet dagegen vorerst nichts auf Entspannung hin, wenn sich die australische Politik nicht endlich drastisch ändert. Sie muss die Abholzungen stoppen, die Zersiedlung des Hinterlands eindämmen und endlich im Klimaschutz aktiv werden. Danach sieht es allerdings nicht aus – im Gegenteil: Erste konservative Politiker schieben den australischen Grünen die Schuld für die Feuerkatastrophe zu. Frühere Regierungsbeteiligungen hätten dafür gesorgt, dass die Feuerprävention bis heute behindert würde. Und Scott Morrison? Der hat angekündigt, dass seine Regierung keinesfalls mehr für den Klimaschutz tun wolle.

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