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Freistetters Formelwelt: Eine Formel für das Erdinnere

Bislang haben Menschen nur an der Oberfläche von Planeten gekratzt. Um den Kern von Erde oder Mars zu erforschen, braucht es andere Methoden.
Aufbau der Erde

Ende November 2018 ist die NASA-Sonde InSight auf dem Mars gelandet. Das alleine ist schon bemerkenswert, denn nur wenig mehr als die Hälfte aller Raumsonden erreichen die Oberfläche unseres Nachbarplaneten intakt. Noch viel beeindruckender ist aber die Aufgabe, die InSight dort erledigen wird.

Wir glauben, dass wir unseren Planeten recht gut kennen. Immerhin kann man mittlerweile genaue Landkarten und sogar hochaufgelöste Satellitenbilder von jedem Punkt der Erdoberfläche betrachten. Aber genau das ist eben das Problem: Wir kennen nur die Erdoberfläche! Darunter verbirgt sich aber der ganze Rest des Planeten. 6371 Kilometer sind es bis zum Erdmittelpunkt. Wir Menschen haben gerade etwas mehr als 12 Kilometer weit nach unten gebohrt und dass auch nur an einem einzigen Punkt: der russischen Halbinsel Kola.

Trotzdem sind wir nicht völlig unwissend. Natur und Wissenschaft arbeiten hier gewissermaßen zusammen, um das unsichtbare Innere der Erde sichtbar zu machen. Das physikalisch-mathematische Verständnis natürlicher Ereignisse hilft bei der Erforschung der unzugänglichen Regionen, wie in dieser Formel deutlich wird:

Ausbreitungsgeschwindigkeit von P-Wellen

Sie beschreibt die Ausbreitungsgeschwindigkeit so genannter P-Wellen. Diese entstehen bei Erdbeben und breiten sich vom Bebenherd durch die gesamte Erde aus. Ihre Geschwindigkeit hängt dabei von den Eigenschaften des Materials ab, durch das sie sich bewegen: Der Dichte ρ, dem Kompressionsmodul K (der beschreibt wie gut ein Stoff auf Druckänderungen reagiert) und dem Schermodul μ (der beschreibt wie ein Stoff sich unter Scherspannung verformt).

In der Kruste der Erde bewegen sich P-Wellen mit etwa fünf bis sieben Kilometer pro Sekunde fort; im Erdmantel mit bis zu 14 Kilometer pro Sekunde und im Erdkern mit circa acht Kilometer pro Sekunde. Diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten zeigen uns, dass die Erde aus Schichten unterschiedlicher Materialien aufgebaut ist. Neben den P-Wellen, die in Ausbreitungsrichtung schwingen, gibt es auch noch »S-Wellen«, die quer zur Richtung ihrer Ausbreitung schwingen. Außerdem gibt es noch ein paar andere Arten seismischer Wellen, und alle zusammen liefern uns ein erstaunlich vielfältiges Bild des Erdinneren. Da sich S-Wellen zum Beispiel nicht in Flüssigkeiten ausbreiten, P-Wellen aber schon, können wir feste von flüssigen Bereichen unterscheiden und wissen, dass ein Teil des Erdkerns aus flüssigem Metall besteht.

InSight auf Mars | Abhorchen und Temperatur messen: Während ein Seismometer (vorne links unter der kuppelförmigen Schutzhaube) anhand von Erschütterungen den inneren Aufbau des Mars erforscht, bringt die Sonde InSight über einen Maulwurf (vorne rechts) einen Wärmeflusssensor bis in eine Tiefe von fünf Metern in den Marsboden ein.

Was auf der Erde schon lange Zeit erforscht wird, soll nun dank InSight auch auf dem Mars passieren. Die Raumsonde wird nicht nur bis zu fünf Meter weit in den Marsboden hinein bohren, sondern hat auch ein Seismometer mit an Bord, das einige grundlegende Fragen über unseren Nachbarplaneten beantworten soll. Zum Beispiel: Hat der Mars noch einen flüssigen Kern und wenn ja, wie groß ist er? Der vergleichsweise große und flüssige Eisen-Nickel-Kern der Erde ist maßgeblich für die Existenz des Erdmagnetfeldes verantwortlich und das wiederum schützt unsere Atmosphäre. Dem Mars fehlt so ein starkes Magnetfeld, weswegen seine Atmosphäre im Laufe der Zeit auch ins All verschwunden ist.

Ohne Atmosphäre gibt es aber auch kein flüssiges Wasser an der Oberfläche und damit kaum Aussichten auf etwaiges extraterrestrisches Leben. Die bisherigen Untersuchungen am Mars zeigen jedoch, dass vor langer Zeit dort Wasser geflossen sein muss. Warum es das heute nicht mehr macht, ist eine der Fragen, die InSight beantworten soll.

Wir sind heute fast schon ein wenig zu verwöhnt von den Erfolgen der Wissenschaft und Raumfahrt. Man muss sich daher klarmachen, was hier gerade passiert. Eine robotische, von der Erde aus gesteuerte Raumsonde untersucht das unsichtbare Innere eines Millionen Kilometer entfernten Planeten! Ich finde es schon erstaunlich genug, dass wir dank Mathematik und Geophysik das Innere der Erde erforschen können. Dass wir nun aber in der Lage sind, dies auch bei einem völlig anderen Himmelskörper zu tun, ist mehr als nur beeindruckend. Es grenzt schon an Sciencefiction und wird nicht weniger fantastisch dadurch, dass es tatsächlich real ist.

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