Eine Prise Chemie: Wie viele Bananen kommen in einen zuckerfreien Kuchen?
»Ich bringe zum Fest einen Bananenkuchen mit – ich habe ein Rezept ohne Zucker!« Vielleicht haben Sie schon einmal ein solches Angebot bekommen oder sogar selbst ausgesprochen. Es klingt ja auch verlockend: Einfach Obst rein, schon braucht man keinen »ungesunden Zucker« mehr.
Das wundert zunächst auch nicht, denn Bananen schmecken süß – aber woher kommt die Süße? Tatsächlich enthält eine unreife, grüne (nicht süß schmeckende) Banane bloß ein bis zwei Prozent Zucker, dafür besteht sie zu rund 20 Prozent aus Stärke. Allerdings: Während die Frucht reift, bauen Enzyme die Stärke nach und nach zu Zucker ab. Anschließend, im sattgelben Zustand, enthält sie nur noch weniger als ein Prozent Stärke und dafür 15 bis 20 Prozent Zucker.
Unser Essen steckt voller chemischer Details: Hier tummeln sich leckere, wohltuende und auch schädliche Inhaltsstoffe, die faszinierende Reaktionen vollführen, wenn wir ein Gericht zubereiten oder verspeisen. In der Kolumne »Eine Prise Chemie« stellen wir die spannendsten davon vor und räumen mit Mythen über Chemie in unserer Nahrung auf.
Diese verteilen sich im Fall der Banane auf drei verschiedene Stoffe: Saccharose (den bekannten Haushaltszucker), Fruktose (Fruchtzucker) und Glukose (Traubenzucker). Alle drei sind chemisch gesehen Zucker, und alle drei schmecken süß, wenn auch unterschiedlich stark: Im Vergleich zur Saccharose schmeckt Fruktose etwas süßer (zirka 1,2-mal so süß), während Glukose weniger Süßkraft besitzt (rund 70 Prozent jener von Saccharose).
Fruktose und Glukose sind Einfachzucker. Beide haben dieselbe chemische Formel C6H12O6 und bestehen aus einer Kette von sechs Kohlenstoffatomen (C). Fünf davon tragen OH-Gruppen, eine jedoch stattdessen ein doppelt gebundenes Sauerstoffatom.
Auch wenn man kein Chemiestudium absolviert hat, dürfte auffallen, dass die beiden Strukturen einander stark ähneln. Der feine Unterschied besteht nun darin, an welchem C-Atom das doppelt gebundene Sauerstoffatom sitzt (die »Carbonylgruppe«). Tatsächlich können sich die beiden Zucker sogar ineinander umwandeln – und zwar, wenn sie in einer sauren wässrigen Lösung schwimmen, etwa im Magensaft. Dabei sortieren sich die Wasserstoffatome des ersten und zweiten C-Atoms derart um, dass aus Glukose Fruktose wird und umgekehrt. In wässriger Lösung bilden die Zucker außerdem Ringe, die Moleküle reagieren also jeweils mit sich selbst.
Unter Wasserabspaltung lagern sich Glukose und Fruktose zusammen, was uns zum dritten in der Banane enthaltenen Zucker führt, der Saccharose (C12H22O11). Isst man ein Stück Kuchen – egal, ob mit Bananen oder direkt mit Saccharose gesüßt –, spaltet der saure Magensaft den Zweifachzucker wieder in Fruktose und Glukose auf.
Die beiden Moleküle nehmen nun verschiedene Wege und wirken daher trotz ihrer chemischen Ähnlichkeit unterschiedlich auf den Körper: Glukose wird ins Blut transportiert und anschließend in einem zehnstufigen Prozess, der Glykolyse, in zwei Pyruvatmoleküle zerlegt. Das liefert dem Körper Energie in Form von ATP. Alle Lebewesen besitzen den biochemischen Glykolyseweg, gewinnen also Energie aus dem Abbau von Einfachzuckern. Glukose ist daher essenziell, um die Zellen mit Treibstoff zu versorgen. Das ist aber kein Freibrief für hemmungsloses Naschen! Denn man muss die Glukose dazu keineswegs direkt in Form von Zucker aufnehmen: Auch Stärke besteht aus tausenden miteinander verbundenen Glukose-Einheiten, die der Körper problemlos Stück für Stück abspaltet und als Energiequelle nutzt. Bei Stärke dauert das allerdings sehr viel länger, als wenn die Zuckerbausteine bereits einzeln vorliegen. Deshalb steigt der Blutzuckerspiegel deutlich langsamer an, wenn man ein stärkehaltiges Lebensmittel wie Brot, Nudeln oder Reis isst, als wenn man Süßes nascht.
Fruktose hingegen beeinflusst den Blutzuckerspiegel nicht. Daher riet man Menschen mit Diabetes früher, fruktosehaltige Lebensmittel zu sich zu nehmen – eine denkbar schlechte Empfehlung, wie man heute weiß! Der Fruchtzucker wird in der Leber zu zwei Molekülen Glycerinaldehyd-3-phosphat abgebaut, die anschließend im Glykolysezyklus in Pyruvat umgewandelt werden. Aus einem Molekül Fruktose gewinnt der Körper dadurch genauso viel Energie wie aus einem Molekül Glukose. Nimmt der Körper zu viel Fruktose auf, wird das überschüssige Pyruvat zu Fett umgebaut und in der Leber eingelagert. Außerdem entsteht durch den Verzehr kein Sättigungssignal. Es wird deshalb sogar diskutiert, ob erhöhter Fruktosekonsum Insulinresistenz verursacht, die schließlich zu Diabetes Typ II führen kann.
Die Angaben zur Süßkraft verschiedener Zucker oder Süßungsmittel sind als Orientierung zu sehen. Man kann solche Werte zum Geschmack nämlich nicht anhand objektiver Kennzahlen ermitteln, sondern nur durch sensorische Experimente: Um festzustellen, wie süß eine Substanz wirkt, probieren speziell geschulte Personen verschieden konzentrierte Zuckerlösungen und geben an, ab wann diese so süß schmecken wie eine Vergleichslösung aus Saccharose. Die Ergebnisse sind allerdings mit Fehlern behaftet, denn wie stark man Süße wahrnimmt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem vom Alter und der Tagesform der Testenden. Zudem ändert sich die Süßkraft von Zuckern und Süßungsmitteln mit der Temperatur, und zwar nicht bei jedem Stoff auf dieselbe Weise.
Darüber hinaus variiert die relative Süßkraft je nachdem, wie konzentriert die Lösungen sind. Tests in den 1960er Jahren haben beispielsweise ergeben, dass 50-prozentige Glukoselösungen gleich süß schmecken wie 50-prozentige Saccharoselösungen. Verglich man hingegen einprozentige Lösungen, schmeckte die Glukoselösung nur halb so süß wie die Saccharoselösung. Heute weiß man: Die Süßkraft steigt nicht linear mit der Konzentration.
Und schließlich wirken unterschiedliche Zucker manchmal zusammen, was wiederum die Süßkraft beeinflussen kann. Wenn man beim Thema Süßkraft also genauer hinschaut, wird es ziemlich kompliziert.
Egal, in welcher Form, zu viel Zucker ist also keine gute Idee. Und jedes Obst enthält nun einmal mehr oder weniger Zucker. Bringt das Süßen damit dann überhaupt Vorteile? Einerseits ja: Zum einen finden sich in Früchten neben dem Zucker gesunde Komponenten wie Vitamine, Mineralstoffe oder Ballaststoffe. Zum anderen tragen die Aromen zum Geschmack des Gebäcks bei (um herauszufinden, was am besten schmeckt, ist so ein Kuchen natürlich ein tolles Experimentierobjekt). Aber wenn es darum geht, wie süß das Ergebnis schmeckt, wird hier nur der Haushaltszucker durch die chemisch identischen Zucker in den Früchten ersetzt.
Legt man ein typisches Rezept zu Grunde, in dem meist etwa drei (über)reife Bananen verlangt werden, und nimmt man an, dass eine geschälte Banane im Schnitt zirka 100 Gramm wiegt, dann landet man bei rund 60 Gramm Zucker pro Kuchen, wenn man von 20 Prozent Zuckergehalt ausgeht (die gesamte Stärke ist ja bereits zu Zucker umgesetzt).
Und das ist noch nicht alles, denn die meisten Rezepte listen neben den Bananen weitere Zutaten auf, die nicht gerade unter dem Verdacht der Zuckerfreiheit stehen: Hier tummeln sich etwa Datteln, Ahornsirup, Rosinen oder andere klebrige Köstlichkeiten. Je nachdem, wie viel davon in den Teig wandert, kommt zum Zucker aus der Banane noch eine weitere Portion dazu.
Lebensmittel | g Zucker pro 100 g | Art des Zuckers |
Früchte | ||
Banane (reif) | 15–20 | Saccharose, Glukose, Fruktose |
Datteln (getrocknet) | 59–64 | Fruktose, Glukose |
Rosinen | 69 | Glukose, Fruktose |
Süßungsmittel | ||
Agavendicksaft | 68–75 | Fruktose, Glukose |
Ahornsirup | 60–67 | Saccharose, Glukose, Fruktose |
Honig | 75–78 | Fruktose, Glukose |
Kokosblütenzucker | 70–75 | Saccharose |
Ersetzt man den Zucker statt durch Früchte durch andere beliebte Süßungsmittel wie Agavendicksaft, Ahornsirup, Honig oder Kokosblütenzucker, wird es richtig schwierig, noch mit der Gesundheit zu argumentieren: Wie man in der Tabelle oben sieht, bestehen sie zum allergrößten Teil einfach aus Zucker.
Sie unterscheiden sich vom weißen Haushaltszucker nur insofern, als sie (neben Wasser) noch ein paar Reststoffe aus der Pflanze enthalten, aus der sie ursprünglich stammen – anders als der Raffinadezucker, bei dem diese Substanzen durch Aufreinigung entfernt wurden. Doch das macht sie nicht spürbar gesünder: Vitamine, Mineralstoffe und andere Mikronährstoffe enthalten sie in solch geringen Mengen, dass man extrem viel davon essen müsste, um einen Effekt hervorzurufen. Und das wiederum wäre nicht gerade zu empfehlen, da man dabei notgedrungen Unmengen an Zucker zu sich nehmen würde.
Von daher: Wer ein leckeres Bananenkuchenrezept hat, darf sich damit gern austoben. Man sollte sich dabei bloß nicht der Illusion hingeben, einen besonders gesunden Snack zu zaubern. Dazu ist es wesentlich sinnvoller, in eine Banane zu beißen – am besten in eine grüne.
Transparenzhinweis (9. September 2024): In einer früheren Version hatten wir fälschlicherweise geschrieben, beim Abbau von Fruktose gewinne der Körper keine Energie. Wir haben die Passage korrigiert (vielen Dank für den Hinweis an unseren aufmerksamen Leser).
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