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Eine Prise Chemie: Die dunkle Seite des Toasts

Beim Toasten entstehen mit Chlorpropanolen und Glycidol gesundheitsschädliche Stoffe – je krosser, desto mehr. Kinder und Säuglinge nehmen zu viel davon auf. Wie kommt das?
Sechs Scheiben Toastbrot auf einem schwarzen Tablett, jede mit einem dunklen, gebräunten Muster, das einem ikonischen Helm ähnelt. Links unten ist eine kleine, schwarze Tasse zu sehen. Der Hintergrund ist eine dunkle Oberfläche.
Die schleichende Verwandlung des Anakin Skywalker.

Unser Essen steckt voller chemischer Details: Leckere, wohltuende und auch schädliche Inhaltsstoffe kommen zusammen und vollführen faszinierende Reaktionen. In der Kolumne »Eine Prise Chemie« klären wir, wie viele Bananen ein zuckerfreier Kuchen verträgt, warum abgestandener Kaffee so übel schmeckt oder wie man bäckt, ohne Acrylamid herzustellen.

Vor einigen Jahren hielt ich es für eine gute Idee, einen Darth-Vader-Toaster zu kaufen. Auf dem Toast, der dabei herauskommt, prangt ein wunderschönes Konterfei des bösen Sith-Lords aus »Star Wars«. Und das sieht am besten aus, wenn der Toast so richtig dunkel ist. Come to the dark side 

Aber so verlockend die Verheißungen der dunklen Seite der Macht auch sind: Wenn man Essen zubereitet, muss die Ästhetik leider auch mal zugunsten der Gesundheit zurückstehen. Also blickt mir von meinem Toast meist ein heller, freundlicher Darth Vader entgegen. Und das nicht nur, weil die schwarze Kruste doch etwas gewöhnungsbedürftig schmeckt.

Beim Toasten entstehen Chlorpropanole und Glycidol. Die Stoffe sind gesundheitsschädlich, teilweise krebserregend. Wie sich zeigt, nehmen vor allem Kleinkinder zu viel davon mit der Nahrung auf – und Babys. Dabei essen Säuglinge doch keinen Toast. Und schon gar nicht mit Darth Vader. Was also ist da los?

Die Substanzen, um die es geht, heißen 2-Monochlor-1,3-propandiol (2-MCPD), 3-Monochlor-1,2-propandiol (3-MCPD) und Glycidol. Sie sind Variationen des Moleküls Glycerol, eines der Hauptbestandteile von Fetten und Ölen: einer kurzen Kette aus drei Kohlenstoffatomen, von denen jedes eine Alkoholgruppe trägt. Bei 2-MCPD hängt am zweiten C-Atom statt einer OH-Gruppe ein Chloratom, bei 3-MCPD ist die OH-Gruppe am dritten C-Atom durch Chlor ersetzt. In Glycidol wiederum bilden zwei benachbarte C-Atome mit einem Sauerstoffatom einen Dreiring (Chemiker sprechen von Epoxid).

Fettschadstoffe | Glycerolmoleküle (links) sind in Fetten und Ölen mit Fettsäuren verknüpft. Erhitzt man fetthaltige Lebensmittel stark in Gegenwart von Salz, entstehen aus Glycerol Schadstoffe wie 2-Monochlor-1,3-propandiol (2-MCPD), 3-Monochlor-1,2-propandiol (3-MCPD) und Glycidol.

Wie genau die Stoffe entstehen, ist chemisch noch nicht im Detail aufgeklärt. Man weiß aber, dass sie sich zum einen dann bilden, wenn man fetthaltige Speisen zusammen mit Salz stark erhitzt – die Reaktion läuft also nicht nur beim Toasten ab, sondern in jeder Bratpfanne. Zum anderen entstehen sie beim Raffinieren von Pflanzenfett, was wiederum in fast jedem verarbeiteten Lebensmittel vorkommt. Dabei bilden sich Varianten von MCPD und Glycidol, bei denen an einer Stelle noch eine Fettsäure hängt; da diese im Körper aber wieder abgespalten wird, wirken sie im Körper gleich.

Am wenigsten erforscht ist die Wirkung von 2-MCPD: Man weiß zwar, dass hohe Dosen davon bei Ratten Herz und Nieren schädigen. Allerdings fehlen Daten, um einschätzen, wie die Giftigkeit von der Dosis abhängt, wie der Stoff im Körper wirkt und was das alles für den Menschen bedeutet.

3-MCPD: In hohen Dosen schädlich

Die verwandte Substanz 3-MCPD ist viel besser untersucht. Hohe Dosen davon lösen Tumoren in Nieren und Hoden von Ratten aus, wie Langzeitstudien zeigen. Deshalb gilt der Stoff als möglicherweise krebserregend für den Menschen. Die Betonung liegt hier auf »hohe Dosen«: Nach aktuellen Einschätzungen der EFSA, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, gelten zwei Mikrogramm 3-MCPD pro Kilogramm Körpergewicht täglich als unbedenklich. Ein 70 Kilogramm schwerer Erwachsener kann demnach täglich 140 Mikrogramm 3-MCPD aufnehmen, ohne sich Sorgen machen zu müssen.

Tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI)

Für Stoffe, die einen Effekt auf die Gesundheit haben, ermitteln Toxikologen eine »tolerierbare tägliche Aufnahmemenge« (TDI, kurz für: tolerable daily intake). Dieser Wert gibt an, bis zu welchen Gehalten es unbedenklich ist, eine Substanz aufzunehmen. Bei solchen Abschätzungen rechnet man gewöhnlich einen Sicherheitsfaktor von 100 mit ein zwischen der Dosis, bei der sich noch geringe Effekte zeigen, und der als sicher erachteten Aufnahmemenge. Ein Stoff, bei dem man beispielsweise bei einer täglichen Aufnahme von 200 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht in maximal zehn Prozent der Fälle einen schädlichen Effekt beobachtet, erhielte dann den TDI von zwei Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht.

Glycidol wiederum kann das Erbgut verändern und gilt damit als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen. Bei solchen Substanzen ermitteln Toxikologen keine »sichere Aufnahmemenge«, sondern schätzen stattdessen ab, ob die Bevölkerung unter bestimmten Umständen einer problematischen Menge des Stoffs ausgesetzt ist. In diesem Fall ermitteln sie also, ob man mit der einen oder anderen Ernährungsweise viel davon übers Essen aufnimmt.

Ausgerechnet bei Babys ist das der Fall. Säuglingsanfangsnahrung – das Pulver, mit dem man Säuglingsmilch anmischt – enthält ebenfalls Chlorpropanole und Glycidyl-Fettsäureester. Denn um diese Pre-Milch herzustellen, verwendet man raffinierte pflanzliche Fette. Doch Babys ernähren sich in den ersten Lebensmonaten nun mal ausschließlich von Milch. Und so nimmt ein Säugling, der ausschließlich Flaschenmilch trinkt, nach Berechnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu viel der schädlichen Substanzen auf. Ein Baby hat hier keine Wahl – es ist auf Milch angewiesen.

Babys nehmen zu viel MCPD und Glycidol auf

Weil das Problem inzwischen bekannt ist, gelten seit 2021 EU-weit Höchstgehalte für 3-MCPD und Glycidyl-Fettsäureester in Säuglingsanfangsnahrung und weiteren Lebensmitteln, die vor allem Kleinkinder und Babys konsumieren; zum 1. Januar 2025 senkte die EU nochmals die Grenzwerte für 3-MCPD in diesen Produkten. Es bessert sich also etwas. Wie sich die Regeln auf die aufgenommene Menge auswirken, werden künftige Studien zeigen.

Kleinkinder nehmen allerdings ebenfalls zu viel von den Schadstoffen auf; zwar nicht über Milch, aber über Donuts, Berliner, Schokocremes und andere Leckereien. Davon konsumieren die Kinder – Überraschung! – bezogen auf ihr Körpergewicht deutlich mehr als Erwachsene. Das zeigen Studiendaten von tausenden älteren Kindern und Erwachsenen sowie von hunderten Kindern unter fünf Jahren (an alle Eltern: Es tut mir aufrichtig leid, aber das war wohl ein Realitätscheck). Für Erwachsene hingegen gibt das BfR Entwarnung: Die Mengen, die sie täglich aufnehmen, sind demnach unbedenklich.

Daraus kann man drei Schlüsse ziehen. Erstens lohnt es sich für Eltern, darauf zu achten, was man daheim isst oder dem Nachwuchs vorsetzt. Schokocremes, Donuts und Berliner, Pommes oder Fischstäbchen sind zwar lecker, aber man muss eben selbst entscheiden, wie oft es sie gibt. Zweitens hat man in der Hand, was in der eigenen Küche geschieht. Das bedeutet in diesem Fall, Bratgut wie Fleisch oder Gemüse erst nach dem Braten zu salzen und Pommes oder anderes Frittiergut nicht übermäßig braun werden zu lassen. Drittens heißt es für einen Erwachsenen aber auch, nicht in Panik zu verfallen. Darth-Vader-Toast mit Schokocreme werde ich nach wie vor hin und wieder genießen. Allerdings habe ich Vollkorntoast aus der Küche verbannt: Die Gehalte an 3-MCPD sind darin nämlich deutlich höher als in Weißmehltoast, und man muss das Schicksal ja nicht unnötig herausfordern.

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  • Quellen

Andres, S. et al., Bundesgesundheitsblatt 10.1007/s00103–017–2564–3, 2017

Bundesinstitut für Risikobewertung, Stellungnahme 10.17590/20200420–134029, 2022

EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM), efsa journal 10.2903/j.efsa.2016.4426, 2016

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