Eine Prise Chemie: Von Knoblauchduft, Chilischärfe und verbranntem Öl

Unser Essen steckt voller chemischer Details: Leckere, wohltuende und auch schädliche Inhaltsstoffe kommen zusammen und vollführen faszinierende Reaktionen. In der Kolumne »Eine Prise Chemie« klären wir, wie viele Bananen ein zuckerfreier Kuchen verträgt, warum abgestandener Kaffee so übel schmeckt oder wie man bäckt, ohne Acrylamid herzustellen.
Warum erhitzt man die meisten Lebensmittel in der Pfanne eigentlich in Öl oder Fett – und nicht einfach so? Klar, zum einen, damit die Zwiebeln, die Auberginen, das Spiegelei oder das Lachssteak nicht in der Pfanne festkleben. Das ist aber nicht alles. Zum Geheimnis manch eines leckeren Gerichts gehört es, geschmacksgebende Grundzutaten erst einmal in einer guten Portion Fett brutzeln zu lassen: beispielsweise Knoblauch und Chili für die berühmten Spaghetti aglio e olio.
Der Grund fällt dem ein oder anderen vielleicht spontan ein: Fett ist ein Geschmacksträger. Allerdings ist diese Rolle vielfältiger, als man zunächst denken mag. Fett verteilt nicht nur Geschmacksstoffe in einem Gericht (denn dann würde es ja auch genügen, Öl nach dem Kochen in die Suppe zu träufeln). Nein, beim Braten zieht man mit Hilfe des Fetts die erwünschten Substanzen aus dem Lebensmittel – Geschmacksstoffe und flüchtige Aromastoffe.
Wie effizient Fett flüchtige Moleküle aus der Umgebung aufnehmen kann, beschreibt die Lebensmittelchemikerin Arielle Johnson in ihrem Buch »Flavorama« anhand einer alltagsnahen Situation: Jeder, der schon einmal ein Stück Butter unverpackt länger im Kühlschrank hat stehen lassen, weiß, dass sie anschließend nach dem schmeckt, was dort sonst noch so lagerte. Anschaulicher geht es kaum – ich zumindest hatte nach dem Lesen gleich einen charakteristischen, wenig leckeren Geschmack im Mund.
Solche Aromastoffe lösen sich deshalb besonders gut in Fetten, weil sie ihnen chemisch ähneln. Fette bestehen aus Glycerolmolekülen (auch als Glycerin bekannt), die jeweils drei Fettsäuren tragen – lange Kohlenwasserstoffketten mit 4 bis 24 Kohlenstoffatomen. Viele Aromastoffe setzen sich zum größten Teil ebenfalls aus Wasserstoff tragenden Kohlenstoffketten oder -ringen zusammen. Chemisch gesprochen sind beide Substanzen unpolar, was bedeutet, dass die Elektronendichte relativ gleichmäßig über das Molekül verteilt ist. Die Fettsäureketten und die unpolaren Aromaverbindungen ziehen einander an und haften durch so genannte Van-der-Waals-Kräfte aneinander. So werden Aromen oder auch das »Schärfemolekül« Capsaicin aus der Chili direkt im Fett gebunden.
Dieselben zwischenmolekularen Kräfte halten die Fettsäureketten untereinander zusammen – wie stark, entscheidet darüber, ob ein Fett bei Zimmertemperatur fest ist wie etwa Schweineschmalz und Rindertalg oder flüssig wie Oliven- und Sonnenblumenöl. Für die Stärke der zwischenmolekularen Bindungen ist es wiederum entscheidend, welche Fettsäuren ein Lebensmittel enthält.
Sobald man das Fett seiner Wahl in der Pfanne erhitzt, beginnt es zu schmelzen (fall es vorher fest war) oder wird dünnflüssiger (falls es bereits ein Öl ist). Chemisch gesprochen: Die Fettmoleküle bewegen sich mit zunehmender Temperatur heftiger. Jetzt kann man das Bratgut zugeben. Entscheidet man sich beispielsweise für gehackte Zwiebeln und Knoblauch, steigt einem schon nach kurzer Zeit ein unverwechselbarer Duft in die Nase. Schwefelhaltige Aromaverbindungen werden freigesetzt und verströmen einen würzigen, röstigen, mitunter stechenden Geruch. Gibt man stattdessen fein zerkleinerte Chilischoten in die Pfanne, wird man nicht allzu viel riechen, dafür aber anschließend ein wunderbar scharfes Gericht genießen dürfen. Das Molekül Capsaicin, das die Schärfewahrnehmung auslöst, ist nämlich nicht flüchtig und löst sich dank seiner Struktur ausgezeichnet in Fetten. Durch das Braten mit Fett extrahiert man es aus der Chili und sorgt dafür, dass es sich gleichmäßig verteilt.
Mit der höheren Temperatur verändern sich jedoch auch die Bestandteile des Fetts selbst. Bei Fettsäuren unterscheidet man gesättigte und ungesättigte Fettsäuren. Sie verhalten sich beim Braten unterschiedlich, weil einige ihrer Kohlenstoffatome anders verknüpft sind. Sind alle Kohlenstoffatome über Einfachbindungen verbunden, spricht man von gesättigten Fettsäuren. Gibt es eine oder mehrere Doppelbindungen, hat man es mit einer einfach oder mehrfach ungesättigten Fettsäure zu tun.
Am unempfindlichsten sind Fette mit vielen gesättigten Fettsäuren, denn die Einfachbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen sind selbst bei hoher Hitze noch stabil. Doppelbindungen hingegen werden bei Brattemperaturen leichter von Sauerstoff angegriffen, am schnellsten in mehrfach ungesättigten Fettsäuren: So entstehen in der Pfanne zum einen verschiedenartig oxidierte Fettsäuren, zum anderen kann die Kohlenstoffkette in kürzere Aldehyde, Ketone und weitere Stoffe gespalten werden. Einige dieser Moleküle tragen zum schmackhaften Brataroma bei, andere sind jedoch gesundheitsschädlich, manche Krebs erregend.
Der Temperaturbereich, bei dem ein Fett seine chemische Zusammensetzung ändert, nennt man Rauchpunkt. Wasser und flüchtige Bestandteile dampfen zuerst aus der Pfanne ab, anschließend beginnen freie Fettsäuren zu reagieren. Welche Stoffe man genau dabei produziert, hängt von der Wahl des Fetts ab. Aus Sonnenblumenöl und Leinöl mit ihrem hohen Anteil der mehrfach ungesättigten Linolsäure und alpha-Linolensäure entstehen unter anderem Substanzen, die vermutlich giftig sind (die Aldehyde 4-Hydroxy-2-nonenal und 4-Hydroxy-2-hexenal). Mit Olivenöl bildet sich deutlich weniger davon. Vermutlich ist es durch seinen hohen Anteil an der einfach gesättigten Ölsäure oxidationsbeständiger. Als Faustregel empfehlen Wissenschaftler daher, zum Braten ein Öl mit weniger als drei Prozent Linolensäure zu verwenden.
Solange das Fett in der Pfanne samt seinem Bratgut einen leckeren Duft verströmt und man das richtige Öl gewählt hat, sollte also alles in Ordnung sein. Falls es aber beginnt, in der Küche beißend zu stinken, so dass der Hals kratzt und die Augen anfangen zu tränen, hat man es mit der Temperatur definitiv übertrieben und Acrolein hergestellt. Der Stoff ist gesundheitsschädlich und für Menschen wahrscheinlich Krebs erregend. Er bildet sich aus dem freien Glycerin, nachdem die Fettsäuren bei hohen Temperaturen abgespalten wurden, aber auch aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Das ist schneller passiert als gedacht (wer einmal eine Pfanne oder einen Topf mit Öl auf dem Herd vergessen hat, weiß, wie es dann riecht – das vergisst man nicht so schnell!). Dann hilft leider nur eins: Der Pfanneninhalt ist nicht mehr zu retten und muss in den Mülleimer wandern (nach dem Abkühlen). Nachdem die Küche gut durchgelüftet ist, bleiben hoffentlich noch genügend Zeit und Zutaten für einen neuen Versuch – optimalerweise mit einem schmackhafteren Ergebnis!
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