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Freistetters Formelwelt: Geht am 13. November 2026 die Welt unter?

Der Weltuntergang übt eine unbestreitbare Faszination auf uns Menschen aus. Deshalb probieren wir auch schon seit Jahrtausenden, ihn auf die eine oder andere Art vorherzusagen – ist es bald schon so weit?
Eine brennende Erde
Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Wenn das Ende der Welt vorhergesagt wird, hat man es so gut wie immer mit religiösen, esoterischen oder pseudowissenschaftlichen Prognosen zu tun und kann die Angelegenheit getrost ignorieren. Dass echte Wissenschaft solche weit reichenden Aussagen über die Zukunft der Menschheit trifft, kommt eher selten vor. Noch seltener findet man den Weltuntergang mathematisch untermauert in seriösen wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Eine Ausnahme stellt diese Formel dar, die 1960 in einer Ausgabe von »Science« erschien:

t0=t1+kα0N11k

Der entsprechende Artikel trägt die Überschrift »Doomsday: Friday, 13 November, A.D. 2026« und wurde vom österreichischen Biophysiker Heinz von Foerster gemeinsam mit zwei seiner Studenten veröffentlicht. Es geht darin nicht um ein neuartiges Virus, das uns auslöschen soll, oder die Vorhersage eines Asteroideneinschlags. Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Bevölkerungswachstum und der Frage, wie man es mathematisch am besten modellieren kann. Ganz simpel betrachtet geht es um Geburt und Tod: Wenn die Geburtenrate die Sterberate übersteigt, dann erhält man ein exponentielles Wachstum der Weltbevölkerung. In der Realität muss man aber natürlich Umweltfaktoren berücksichtigen. Geht man zum Beispiel davon aus, dass mehr Menschen mehr (begrenzte) Ressourcen brauchen, so dass die »Produktivität«, das heißt die Differenz aus Geburten- und Sterberate, mit zunehmender Bevölkerung sinkt, dann tritt irgendwann eine Sättigung der Weltbevölkerung ein (in diesem Fall handelt es sich um ein logistisches Wachstum).

Heinz von Foerster schlug vor, das anders zu betrachten: Je größer die Gesellschaft, desto effizienter wird sie bei der Nutzung von Ressourcen und es gibt keine Sättigung. Das wurde in der Arbeit aus dem Jahr 1960 mathematisch formuliert, und daraus leitet sich die obige Formel ab. Darin beschreibt t0 den Zeitpunkt, an dem die Weltbevölkerung unendlich groß wird, was man durchaus als Weltuntergang bezeichnen kann. Die Grundproduktivität des Bevölkerungswachstums ist α0 und k ein Exponent, der angibt, wie stark diese Produktivität mit der Größe der Bevölkerung wächst. Außerdem benötigt man noch t1 und N1, also einen bekannten Wert der Weltbevölkerung zu einem konkreten Zeitpunkt.

Wo liegt der Fehler?

In der Arbeit wurden historische Daten zur Bevölkerung der Erde ausgewertet, um die Parameter zu bestimmen und t0 zu berechnen. Das Ergebnis ist das Datum aus dem Titel des Artikels: Am 13. November 2026 werden demnach unendlich viele Menschen auf der Erde leben. Dieser Tag ist nicht nur ein Freitag, sondern darüber hinaus auch offensichtlich nicht der Zeitpunkt des Weltuntergangs. Seit 1960 ist die Weltbevölkerung zwar deutlich angewachsen, von der Unendlichkeit sind wir allerdings noch weit entfernt – und bis Ende nächsten Jahres wird es keine so sprunghafte Veränderung geben.

Heinz von Foerster und seine Kollegen haben dieses Datum natürlich nicht ernsthaft als Tag des Weltuntergangs angesehen. Es ging zuerst einmal darum, ein mathematisches Modell zu finden, mit dem sich der historische Verlauf des Bevölkerungswachstums realistisch beschreiben lässt. Und darum, die Debatte darüber zu intensivieren. Oder, wie die Autoren selbst schreiben: »Es ist zu hoffen, dass die vorangegangene Darstellung etwas zur hitzigen Debatte darüber beiträgt, ob die Zeit gekommen ist, Maßnahmen zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums zu ergreifen.«

Mittlerweile wissen wir auch, wie sich das Wachstum der Menschheit eindämmen lässt. Nicht durch die Auswanderung auf ferne Planeten, wie am Ende des Artikels eher scherzhaft angemerkt wird, sondern vor allem durch Bildung und insbesondere durch Maßnahmen, die die Gleichberechtigung von Frauen fördern.

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