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Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf: Denken Sie sich in den Schlaf

Wer abends nicht einschlafen kann, vermutet oft, es gebe einen Trick, den alle anderen kennen. Doch es gibt nicht das eine Einschlaf-Geheimnis – allerdings gleich mehrere Methoden, die helfen.
Eine Person schläft friedlich in einem Bett mit weißer Bettwäsche. Über ihrem Kopf ist eine gezeichnete Gedankenblase zu sehen, die auf Träume hinweist. Im Vordergrund steht ein Nachttisch mit einem Buch und einer Brille. Sanftes Tageslicht fällt durch einen Vorhang ins Zimmer.
Der Schlaf beginnt im Kopf: Gegen Schlaflosigkeit gibt es eine Reihe von mentalen Techniken, die helfen können.

Mein Opa sagte: Ich denke an meine Tauben, dann schlafe ich ein. Ich stelle mir eine Runde auf der Rennstrecke vor, dann schlafe ich ein, sagt mein Stiefvater. Und ich? Ich dachte mir als Kind Geschichten über mein Leben aus, fand sie spannend und lag wach. Diese Geschichten waren der Beginn von mehr als zwei Jahrzehnten Schlaflosigkeit. Es muss irgendeinen Trick geben, den andere beherrschen und ich nicht, dachte ich mir. Bis heute zählt die Frage zu denen, die mir am häufigsten gestellt werden: Was ist das Geheimnis des Einschlafens?

Tatsächlich gibt es Denkmethoden, die beim Einschlafen helfen können und die wissenschaftlich untersucht wurden. Zu den bekannteren gehört die Paradoxe Intention, die, der Name verrät es schon, zunächst nicht allzu hilfreich klingt. Dabei nämlich richten die Betroffenen ihr Denken am Abend darauf aus, wach zu bleiben. Durch diese Fokussierung passieren zwei Dinge: Erstens bleibt das Grübeln über den Alltag aus und zweitens verliert das Wachsein seinen Schrecken – wodurch man wiederum weniger über den Schlaf grübelt.

Anhand einer Metaanalyse von zehn Studien berichtet ein schwedisches Forschungsteam um den Psychiatrieforscher Markus Jansson-Fröjmark im »Journal of Sleep Research«, dass mit dieser Technik die Insomniesymptome der Testpersonen gegenüber den Kontrollgruppen nachließen. Konkret verringerte sich die »performance anxiety«, also die Leistungsangst rund um den Schlaf. Dies helfe sowohl am Abend als auch nach nächtlichem Erwachen. Die Methode wird zum Beispiel von spezialisierten Psychologen und Psychotherapeuten vermittelt, kann aber natürlich auch selbstständig ausprobiert werden.

Achtsamkeit: Denken Sie mal kurz an nichts

Eine andere Technik, die Achtsamkeit, wird manchmal in eine esoterische Ecke gerückt. Da gehört sie aber nicht hin. Seit mehreren Jahrzehnten erforschen Fachleute Methoden wie die Atemmeditation wissenschaftlich, denn diese Techniken haben sich bei Schlafproblemen und Schlafstörungen vielfach als hilfreich erwiesen. Achtsamkeit kann ganz praktisch bedeuten, Atemzüge zu zählen. Andere spüren den Weg des Atems durch ihren Körper. Beim Bodyscan gehen die Übenden jeden Bereich ihres Körpers langsam durch und nehmen – wertfrei – wahr, wie sie sich gerade fühlen. Auch hierbei richtet man die Aufmerksamkeit bewusst aus, so dass das Grübeln stoppt und körperliche Erregung nachlässt.

Die Selbstwahrnehmung wird so zu einer Brücke, die dabei hilft, tatsächlich an nichts zu denken. Für Anfänger sind anleitende Apps wie Headspace gut geeignet, und die Krankenkassen bezuschussen in der Regel Achtsamkeitskurse.

Achtsamkeit hat sich als geeignet erwiesen, die Einschlafzeit zu verkürzen und die Schlafdauer zu verlängern, berichtet ein australisch-chinesisches Forschungsteam in der Fachzeitschrift »Behavioral Sleep Medicine« nach einer Metaanalyse englisch- und chinesischsprachiger Forschungsarbeiten. Eine andere Übersichtsarbeit berichtet von gemischten Effekten und empfiehlt Achtsamkeitsmeditationen als Ergänzung zu anderen Maßnahmen.

Menschen, die Ängste oder Ärger rund um den Schlaf empfinden, sei aus der Praxis der Schlafberatung empfohlen, die Achtsamkeitsübungen zunächst tagsüber auszuprobieren. Am besten mehrmals in der Woche. Das kann ein kurzer Moment am Mittag im Park sein, bei dem die Aufmerksamkeit auf eine Pflanze gerichtet wird. Einige Minuten Bodyscan-Übung am Schreibtisch sind ebenfalls ein guter Start. Tagsüber übt man ohne Druck und ohne Ziel, das macht es leichter, die Wahrnehmung zu fokussieren.

Akzeptanz: Ja, Sie liegen wach. Wirklich. Schon wieder!

An der Schnittstelle der bislang genannten Methoden arbeitet die Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Die Idee: Menschen nehmen ihre Schlafprobleme an – und auch die negativen Gefühle, die damit verbunden sind. Sie leben damit, dass die schlaflose Nacht unangenehm ist und dass sie am nächsten Tag nicht voll leistungsfähig sein werden.

Stellen Sie sich das vor, als hätten Sie sich einen Knochen in der Hand gebrochen. Sie können nicht schreiben, Sie können nicht zum Sport, Sie können Ihr Kind nicht hochnehmen und Sie haben viele Monate Physiotherapie vor sich. Es ist nicht schön – es ist Mist. Mit der gleichen Haltung gehen Sie an die Schlafstörung ran. Sie ist nicht schönzureden und sie wird nicht weggehen, weil Ihnen beim nächtlichen Grübeln der schlauste Gedanken aller Zeiten gekommen ist. Sie haben eine Schlafstörung, und damit müssen Sie – für den Moment jedenfalls – leben.

Diese Haltung hilft langfristig, weil sie ebenfalls den Druck rausnimmt. Die Schlaflosigkeit verliert ihren Charakter als persönliches Versagen. Stattdessen wird sie zu einem Attribut, das kurzfristig nicht zu ändern ist. In einer Übersichtsarbeit im »Journal of Consulting and Clinical Psychology« berichtet das Forschungsteam um die klinische Psychologin Renatha El Rafihi-Ferreira, dass die Akzeptanz- und Commitment-Therapie vor allem langfristig gute Effekte zeige. Insbesondere für Menschen, denen beispielsweise die Schlafhygiene oder die Umsetzung von Verhaltensänderungen im Alltag schwerfalle, gilt sie als gute Alternative.

Guter Schlaf: Zurück zur Basis

Guter Schlaf ist kein Geheimnis. In den vergangenen zwölf Monaten habe ich in dieser Kolumne einiges aufgeschrieben, was es über Schlaf zu wissen gibt. Zum Beispiel: Bewegung macht müde, vor allem die helfende Wirkung von Krafttraining wird unterschätzt. Licht gibt unserem Leben seinen Takt. Mittagsschlaf ist gesund, aber nicht bei Schlaflosigkeit. Nachts klappt es mit dem vernünftigen Denken nicht, und das hat biologische Gründe – Sie machen nichts falsch.

Heute endet diese Kolumne, sie schafft Platz für neues Wissen, denn ich habe an dieser Stelle das – aktuell und aus meiner Perspektive als Schlafberaterin – Wichtigste gesagt. Schlaf bleibt ein spannendes Forschungsfeld und das Thema meines Lebens. Bleiben Sie dran, lernen Sie immer Neues darüber. Aber erinnern Sie sich auch an die Grundlagen: Licht am Morgen, Bewegung am Tag, Entspannungsübungen und ein wenig mentale Selbstkontrolle am Abend sind die Methoden, die uns schlafen lassen. Mehr Geheimnis ist da nicht. Schlafen Sie gut. Und wenn nicht heute, dann vielleicht morgen wieder.

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