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Eulbergs tönende Tierwelt: Sounds aus dem Blumenbeet

Aus Ihren Lilien erklingt ein merkwürdiges Zirpen? Dann haben Sie es vermutlich mit einem tönenden Käfer zu tun – dem Lilienhähnchen (Lilioceris lilii). Kaum zu glauben, aber das scharlachrote Insekt beginnt sein Leben als wandelnder Kotsack.
Buntstiftzeichnung des knallroten Lilienhähnchens
Das Lilienhähnchen ernährt sich – wie der Name schon sagt – am liebsten von Lilienblättern.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Oder ein Reh? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl all diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor.

Käfer (Coleoptera) sind mit 400 000 Arten die artenreichste Ordnung auf der Erde. Mehr als ein Viertel aller derzeit beschriebenen Tierarten sind Käfer – in Deutschland sind es rund 6500. Bei so einer hohen Anzahl ist es nicht verwunderlich, dass sie im Lauf der Evolution auch in unseren Breiten erstaunliche Superkräfte entwickelt haben: etwa die Biolumineszenz der Leuchtkäfer (»Glühwürmchen«), die katapultartigen Sprünge der Schnellkäfer oder die kochend heißen »Chemiewaffen« der Bombardierkäfer. Einige Arten können auch für uns Menschen gut wahrnehmbare Sounds von sich geben, wie etwa das Lilienhähnchen (Lilioceris lilii) aus der Familie der Blattkäfer (Chrysomelidae).

Als Kind konnte ich Lilienhähnchen bestens im Garten meiner Mutter studieren. Denn wie sie hat auch diese Käferart eine große Vorliebe für Liliengewächse (Liliaceae), welche sie anhand des Geruchs ausfindig macht. Auch wenn die kleinen scharlachroten Käfer nicht einmal einen Zentimeter groß werden, konnte ich ihre zirpenden Sounds deutlich hören. Dabei lassen sie bis zu 200 hochfrequente Töne zwischen 1000 und 6000 Hertz pro Minute ertönen. Um den typischen »Hähnchensound« zu erzeugen, werden die Flügeldeckenkanten gegen spezielle, quergeriefte Felder auf dem Hinterleib gerieben. Sowohl die Männchen wie die Weibchen zirpen aus Kommunikationsgründen, aber auch, um potenzielle Angreifer zu verschrecken. Fühlen sich die Käfer dennoch bedroht, lassen sie sich urplötzlich auf den Boden fallen, bleiben regungslos auf dem Rücken liegen und stellen sich tot.

  • Das Lilienhähnchen
    Hier finden Sie alle wichtigen Eckdaten sowie Beobachtungstipps rund um das Lilienhähnchen.
  • Steckbrief

    Klasse: Insekten

    Ordnung: Käfer

    Familie: Blattkäfer

    Größe: 0,6 bis 0,8 Zentimeter

    Gewicht: 25 bis 35 Milligramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 2 bis 3

    Nachkommen pro Periode: 200 bis 300

    Höchstalter: 5 Monate (als Imago)

    Bundesweiter Gefährungsgrad (Rote Liste): nicht gefährdet

    Volkstümlicher Name: Lilienkäfer

  • Beobachtungstipps

    Man findet das Lilienhähnchen von April bis September an Standorten, auf denen Liliengewächse vorkommen, etwa auf Feuchtwiesen und Wiesen, in Parks oder Gärten.

    Gut verpackt | Die Larven des Lilienhähnchens umhüllen sich mit einem Kotsack – er schützt sie vor Feinden und hält auch noch warm.

Die Larven hingegen sind für das ungeübte Auge erst gar nicht als solche erkennbar, da sie einen bemerkenswerten Trick auf Lager haben: Sie tarnen sich, indem sie ihren Kot auf dem Hinterleib ablagern. Zu diesem Zweck ist ihr After verschoben und befindet sich auf dem Rücken. Ihr ganzes Larvenleben verbringen sie in einem glibberigen Kotsack, nur der schwarze Kopf ragt heraus. Der Trick funktioniert hervorragend, selbst Vögel rühren die krabbelnden Kothaufen nicht an. Einen weiteren Vorteil, den diese Hülle bietet, ist die Wärmeisolation: Wie eine Jacke sorgt sie für konstante Temperaturen.

Nach etwa drei Wochen lassen sich die Larven mit ihrem als Airbag fungierenden Kotsack gut gepolstert auf den Boden fallen und verpuppen sich in der Erde. Bereits nach ein bis zwei Wochen schlüpft der Käfer. Dank dieser Entwicklung im Eiltempo können Lilienhähnchen bis zu drei Generationen im Jahr ausbilden.

Das Lilienhähnchen | Auch wenn die kleinen scharlachroten Käfer nicht einmal einen Zentimeter groß werden, sind ihre zirpenden Sounds deutlich zu hören.

Neben ihrem natürlichen Habitat wie Wiesen und Feuchtwiesen besiedeln Lilienhähnchen mit Vorliebe Gärten und Parkanlagen, wo sie viele geeignete Fraßpflanzen finden. Das erfreut nicht alle Menschen. Wird man der Pracht der knallroten Käfer und ihrer Larven einmal überdrüssig, sollte man nicht zur Chemiekeule greifen. Es empfiehlt sich, die Käfer abzusammeln, wobei man am besten eine Hand direkt unter das Tier hält, da es sich unmittelbar fallen lässt. Bereits mit Larven besiedelte Pflanzen kann man gut mit einem Schlauch abspritzen, denn sie sind unfähig, den Stängel zu erklimmen.

Wer sich fragt, woher der Trivialname des Insekts rührt: Mit etwas Fantasie erinnern seine zirpenden Geräusche an das Krähen eines Hahns. Der Begriff »Käfer« stammt übrigens aus dem Germanischen und ist wortverwandt mit »Kiefer«. Es bedeutet so viel wie »nagen, kauen«, da Käfer meist über kräftige Mundwerkzeuge verfügen. Der wissenschaftliche Ordnungsname Coleoptera leitet sich von dem altgriechischen Wort »koleos« ab, für eine ledrige Schwerthülle. Der zweite Teil bedeutet so viel wie Flügel. Der Begriff ist also eine Anspielung auf die häufig ledrig wirkenden Deckflügel der Käfer.

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