Eulbergs tönende Tierwelt: So schillernd, so vergänglich

Für viele von uns gehört er als »fliegender Edelstein« zu den attraktivsten heimischen Vögeln: der Eisvogel (Alcedo atthis). Oft berichten mir Menschen jedoch, ihn noch nie oder nur wenige Male zu Gesicht bekommen zu haben. Dabei ist er mit bis zu 15 000 Brutpaaren in Deutschland gar nicht so selten und kommt sogar recht flächendeckend vor. Warum also bleibt er so häufig unentdeckt? Das mag zum einen daran liegen, dass der farbenprächtige Vogel, den wir formatfüllend von tollen Naturfotos kennen, in Wirklichkeit recht klein ist: in etwa so groß wie ein Gimpel. Zum anderen ist er mit seinem vermeintlich auffälligen, blauschillernden Gefieder in seinem Lebensraum – langsam fließendes oder stehendes Gewässer – überraschend gut getarnt.
Um sich regelmäßig an seiner wunderbaren Pracht erfreuen zu können, ist es daher ratsam, sich seinen scharfen und lauten Flugruf einzuprägen. Dieser sollte dann wie ein Wecker unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Denn wenn man die kurzen Pfiffe hört, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, im nächsten Moment einen Eisvogel mit bis zu 40 Kilometern pro Stunde dicht über die Wasseroberfläche sausen zu sehen:
Die Familie der Eisvögel (Alcedinidae) umfasst weltweit 118 Arten. Ihre ersten Vorfahren sind vermutlich bereits vor etwa 30 bis 40 Millionen Jahren im Eozän entstanden. In Mitteleuropa kommt heute nur noch »unser« Eisvogel (Alcedo atthis) vor. Seinen Namen hat er wohl von dem althochdeutschen Wort »eisan« für schillern oder glänzen, in Anlehnung an sein changierendes Gefieder. Eis ist hingegen ein arger Feind des Eisvogels: Bis zu 90 Prozent aller Individuen erfrieren in harten Wintern oder verhungern wegen zugefrorener Seen.
Mit angelegten Flügeln stürzen sich Eisvögel blitzschnell von Sitzwarten aus kopfüber in klare Gewässer, um kleine Fische, seltener auch Kaulquappen oder Krebse zu erbeuten. Etwaiges Geschaukel der Äste gleichen die Vögel durch akrobatische Körperbewegungen aus, sodass ihr Kopf konstant auf einen festen Punkt gerichtet bleibt. Wenn kein Ast vorhanden ist, können sie auch aus einem kurzen Rüttelflug heraus tauchen. Dank ihres wasserabweisenden Gefieders, des Vorziehens der Nickhaut als »Taucherbrille« und des dolchförmigen Schnabels sind die Tiere perfekt für ein solches Stoßtauchen ausgerüstet. Sie sind bekannt für ihren gekonnten Beutefang, bei dem sie bis zu einen Meter tief tauchen. Das spiegelt sich in ihrem englischen Namen »kingfisher« (Königsfischer) wider. Um den erbeuteten Fisch zu töten, wird er auf einen Ast geschlagen. Anschließend verschlingt der Eisvogel ihn mit dem Kopf voran, um ein Sträuben der Schuppen in seinem Schlund zu verhindern.
- Der Eisvogel
Hier finden Sie alles Wissenswerte sowie Beobachtungstipps rund um den schillernden Eisvogel.
- Steckbrief
Klasse: Vögel
Ordnung: Rackenvögel
Familie: Eisvögel
Größe: 16 bis 18 Zentimeter
Gewicht: 35 bis 45 Gramm
Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 2 bis 3
Nachkommen pro Periode: 6 bis 7
Höchstalter: 21 Jahre
Bundesweiter Gefährungsgrad (Rote Liste): nicht gefährdet
Volkstümlicher Name: Uferspecht, Wasserspecht
- BeobachtungstippsDer Eisvogel ist ganzjährig an langsam fließenden oder stehenden Gewässern mit reichhaltigem Angebot an Kleinfischen und Sitzwarten zu finden.© Bernd Zoller / imageBROKER / picture alliance (Ausschnitt)Zwei auf einen Streich | Ein Eisvogel erschlägt gleich zwei erbeutete Fische auf einem Ast.
Eisvögel gehören zur Ordnung der Rackenvögel (Coraciiformes), deren nächste Verwandten die Spechtvögel sind. Mit einem ähnlich kräftigen Schnabel ausgestattet, nennt man den Eisvogel im Volksmund mitunter auch Uferspecht oder Wasserspecht. Zudem sind Eisvögel ebenfalls Höhlenbrüter, die sich für das Brutgeschäft eigene Behausungen bauen. Anders als Spechte bauen sie ihre Bruthöhlen jedoch nicht in Bäume, sondern graben sie in Steilufer und Abbruchkanten, etwa an mäandrierenden Fließgewässern, zur Not auch in eine dicke Erdschicht bei großen Wurzeltellern umgestürzter Bäume. Die Bruthöhle erreicht je nach Substrat eine Tiefe von 40 bis 80 Zentimetern, in sandigen Böden auch mal bis zu einen Meter. Am Ende der Röhre befindet sich ein Brutkessel mit einem Durchmesser von rund 20 Zentimetern.
Generell ist die natürliche Sterblichkeitsrate beim Eisvogel so hoch wie bei kaum einer anderen heimischen Vogelart. Im Schnitt verenden 70 Prozent aller adulten Tiere während eines Jahres, und deutlich mehr als 80 Prozent der Jungvögel sterben noch im ersten Lebensjahr. Denn neben den strengen Wintern leidet die Art immer wieder unter Überschwemmungen, die Brutröhren und Gelege zerstören oder zu einer Trübung des Wassers führen, wodurch eine Jagd auf Fische nur noch schwer möglich ist.
Um diese Herausforderungen auszugleichen, hat der Eisvogel einige Strategien auf Lager: So rückt in den Brutkesseln jedes Junge nach seiner Fütterung im Kreis einen Platz nach hinten. Dieses »Futter-Karussell« sorgt für eine gerechte Aufteilung der Fische, wodurch alle eine Chance haben auszufliegen. Zudem führen Eisvögel zwei bis drei, selten sogar gleich vier sogenannte Schachtelbruten pro Jahr durch: Das Weibchen ist in der Höhle schon wieder mit dem Brutgeschäft zugange, während das Männchen sich noch um die gerade flügge gewordenen Jungvögel kümmert. So schaffen es die beiden Eltern locker auf 20 potenzielle Nachfahren pro Saison. Für die Versorgung einer Brut müssen an die 100 Fische pro Tag herangeschafft werden. Als wäre das nicht schon Plackerei genug, wird immer wieder mal beobachtet, dass manche Männchen gleich zwei Bruten mit unterschiedlichen Weibchen in benachbarten Revieren gleichzeitig am Laufen haben.
Weibliche Eisvögel kann man gut daran erkennen, dass sie »Lippenstift tragen«, ihr Unterschnabel rot gefärbt ist. Beim Männchen ist der Schnabel komplett schwarz. Jungtiere lassen sich daran identifizieren, dass ihre Füße nicht rot gefärbt sind wie bei den adulten, sondern schwarzbraun; zudem weist ihr Schnabel eine helle Spitze auf.
Mit seinem schillernden und exotischen Aussehen hat der Eisvogel seit jeher die Fantasie der Menschen beflügelt und ist in viele Mythen und Kunstwerke eingegangen. Seine Federn galten als begehrter Schmuck, etwa für Hüte oder als Talisman für den Schutz vor Blitzschlag. Ein getrocknetes Eisvogelherz an einer Kette getragen, sollte vor Gift und Not bewahren. Eisvogelhäute oder mumifizierte Tiere wurden zwischen Stoffe gelegt, um Motten und Schaben abzuwehren. An einem Faden aufgehängte Vogelkörper sollten als Kompass fungieren; nach dem Aberglauben zeigte dabei der Schnabel nach Norden. Legte man einen toten Eisvogel zu den Wertsachen, so würde dies angeblich den Reichtum mehren.
Wie dem auch sei: Für mich ist der Eisvogel in seiner Pracht selbst der größte Reichtum. Der reine Anblick dieses kostbaren Diamanten in der Natur bereicherte mein Leben schon so oft und lässt mich innerlich immer wieder glücklich jubilieren.
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