Eulbergs tönende Tierwelt: Ein König kommt unter die Räder

Meine erste Begegnung mit dem Wachtelkönig werde ich nie vergessen: Ich war Kind und hörte in der Abenddämmerung die schnarrenden, rhythmischen Rufe dieser ganz besonderen Vogelart am Rand einer Feuchtwiese. Zuerst dachte ich, ein Mensch würde im hohen Gras hocken und mit den Fingernägeln immer wieder kräftig über einen Kamm ratschen.
Der lautmalerische wissenschaftliche Name des Vogels beschreibt perfekt die knarrenden, zweisilbigen Rufe, die die männlichen Individuen zur Balz inbrünstig von sich geben: Crex crex. Im Volksmund nennt man den Wachtelkönig deshalb auch »Wiesenknarrer« oder »Schnarre«.
Meist in der Nacht rufen die paarungswilligen Männchen stundenlang ihr lautes »Crex, Crex«, das bei Windstille bis zu einen Kilometer weit zu hören ist. Dabei werfen sie ihren Kopf energisch nach hinten. Finden sich mehrere Männchen in einem geeigneten Habitat zusammen, bildet sich ein gemeinschaftlicher »Rufteppich« aus, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, von den nachts ziehenden Weibchen erhört zu werden. Obwohl ihr Flugstil auf uns vielleicht etwas unbeholfen wirkt, sind die Vögel tatsächlich Langstreckenzieher und verbringen den Winter meist im südöstlichen Afrika.
- Der Wachtelkönig
Hier finden Sie alle wichtigen Eckdaten und Beobachtungstipps rund um den Wachtelkönig.
- Steckbrief
Klasse: Vögel
Ordnung: Kranichvögel
Familie: Rallen
Größe: 27 bis 30 Zentimeter
Gewicht: 135 bis 200 Gramm
Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 1 bis 2
Nachkommen pro Periode: 6 bis 12
Höchstalter: 8 Jahre
Bundesweiter Gefährdungsgrad (Rote Liste): vom Aussterben bedroht
Volkstümlicher Name: Wiesenknarrer, Schnarre
- Beobachtungstipps
Man kann den Wachtelkönig von Mai bis September im deckungsreichen Offenland beobachten, wie etwa in Flussniederungen, Feuchtgebieten, Brachflächen, extensiv bewirtschafteten Wiesen, Bergwiesen oder auch in Getreidefeldern.
© Thomas Hinsche / Getty Images / image BROKER (Ausschnitt)Crex crex | Ein Wachtelkönig lässt seinen berühmten Ruf erklingen.
Der Wachtelkönig gehört zur Familie der Rallen (Rallidae), wie etwa auch die Teichralle oder die Blässralle (besser bekannt als Blässhuhn). Man erkennt ihre Familienzugehörigkeit an einem typischen Verhalten: Sie lassen beim Fliegen ihre Beine hängen. Trotz seines Namens ist der Wachtelkönig also weder mit Hühnervögeln noch mit Wachteln näher verwandt. Sein eigenartiger Trivialname rührt daher, dass er einen ähnlichen Lebensraum wie Wachteln beansprucht und früher bei der Jagd oft mit ihnen zusammen erlegt oder gefangen wurde. Zwar ähnelt er ihnen mit dem gefleckten Gefieder, ist jedoch deutlich größer und seltener. So dachten die Menschen einst: Das muss der König der Wachteln sein!
Der Wachtelkönig ist ein sehr scheuer und zurückgezogen lebender Vogel, den man so gut wie nie zu Gesicht bekommt. Als Lebensraum benötigt er deckungsreiches Offenland, in dem er schnell hin und her laufen und sich verstecken kann. Solche Habitate findet er meist in temporär überfluteten Gebieten wie beispielsweise in Seggen- oder Pfeifengraswiesen, in Flussniederungen oder Niedermooren. Die Art besiedelt auch extensiv bewirtschaftete oder beweidete Wiesen, solange genügend Deckung vorhanden ist, oder auch Ackerflächen, vor allem mit Luzerne- und Getreideanbau.
Die Bestände des Wachtelkönigs gingen in den letzten Jahrzehnten hier zu Lande dramatisch zurück. Sie schwanken jedoch von Jahr zu Jahr deutlich, da immer wieder viele Individuen aus dem östlichen Verbreitungsgebiet durch dortige Lebensraumverluste bei uns einfliegen. Mittlerweile gilt die Art laut der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands als vom Aussterben bedroht – der höchsten Warnstufe. Es existieren nur noch rund 1500 Wachtelkönig-Reviere in ganz Deutschland. Für den Bestandseinbruch gibt es mehrere Ursachen. Zum einen leiden die Tiere unter der Zerstörung ihrer Habitate, etwa durch Trockenlegung ehemaliger Feuchtgebiete. Zum anderen birgt auch der lange Zugweg Gefahren, wie zum Beispiel Hochspannungsleitungen. Hinzu kommt noch immer die Bejagung durch den Menschen, die dem Wachtelkönig sehr zu schaffen macht. In den Überwinterungsgebieten ist er ebenfalls von Lebensraumzerstörung und Pestizideintrag betroffen.
Eines seiner Hauptprobleme ist jedoch der Beginn der Mahd. Wachtelkönige erreichen unsere Gefilde Anfang bis Mitte Mai. Die possierlich wirkenden, pechschwarz gefärbten Jungvögel sind jedoch nicht selten erst Mitte Juli flugfähig, die eines Zweitgeleges mitunter erst Anfang September. Selbst in Schutzgebieten mit wiesenbrüterfreundlicher Flächenbewirtschaftung und einem Mahdtermin Mitte Juni ist dies ein großes Problem. Denn während Kiebitz, Uferschnepfe und Co ihre Brut dann meist schon abgeschlossen haben, fällt der Wachtelkönig durch das Raster und sein Gelege oder sein Nachwuchs werden häufig »vermäht«, wie es so martialisch heißt.
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