Direkt zum Inhalt

Eulbergs tönende Tierwelt: Lautlos durch die Nacht

Gejagt, getötet, an die Haustür genagelt – einst galt der Waldkauz als »Totenvogel« und Unheilsbringer. Dabei sind seine schaurig-schönen Rufe für jemand ganz anderen als uns bestimmt: seinen Partner fürs Leben. Und wie schafft es der geschickte Jäger, sich nahezu geräuschlos durch die Nacht zu bewegen?
Buntstift-Zeichnung des Waldkauz; man sieht die graue Farbvariante
Das Gefieder der Waldkäuze kommt in unseren Gefilden in zwei unterschiedlichen Farbmorphen vor. So gibt es grau gefärbte Vögel (wie hier zu sehen), aber auch rostbraune Varianten.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Oder ein Reh? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl all diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor.

Sie untermalen unzählige nächtliche Filmszenen und beflügeln die Fantasie der Menschen – die schaurig anmutenden Rufe des Waldkauzes (Strix aluco). In unseren Gefilden ist er die häufigste Art in der Ordnung der Eulen (Strigiformes). Waldkäuze verbringen meist ihr gesamtes Leben monogam mit demselben Partner im selben Brutrevier. Nur wenn einer von beiden stirbt, kommt es unabhängig vom Geschlecht zu einer neuen Verpaarung mit umherstreifenden Artgenossen in dem angestammten Revier. Bereits im Herbst findet eine so genannte Scheinbalz statt, die sich bis in den Dezember hinein zieht. Sie dient dazu, einen Partner zu finden und Reviere abzugrenzen. Das Männchen gibt dabei sein typisch lang gezogenes »Huh-Huhuhu-Huuuh« von sich:

Ab Ende Januar beginnt die Hauptbalz, welche im März mit allabendlichen Rufen ihren Höhepunkt findet. Das Weibchen antwortet mit einem rauen »Kuwitt«:

Dank dieses Duetts finden sich die Partner an einem gemeinsamen Treffpunkt und bauen Stück für Stück ihre Scheu voreinander ab. Die »Kuwitt«-Rufe wurden einst im Volksaberglauben als »Komm mit!« (ins Jenseits) verstanden. Außerdem traf man Waldkäuze häufig an, wenn ein Mensch im Sterben lag. Dies führte dazu, dass der Kauz als »Totenvogel« verschrien war; dass man ihn jagte, tötete und an Haustüren nagelte, um den Tod abzuschrecken. Der eigentliche Grund, warum sich die Eule gerne in der Nähe von Sterbebetten aufhielt, waren jedoch die schmackhaften Nachtfalter, die das Licht der Nachtwachen anlockte.

Auf einem Baum sitzend, ist der nachtaktive Jäger dank seines rindenfarbenen Gefieders tagsüber bestens getarnt. Seine Schultern und Flügel weisen zudem helle Tropfenflecken auf, die im Halbdunkel des Gehölzes wie Sonnenflecken wirken und so die Tarnung zusätzlich verstärken. Das Gefieder der Waldkäuze kommt hier zu Lande in zwei unterschiedlichen Farbmorphen vor. So gibt es graue sowie rostbraune Vögel. Diese genetisch bedingte Grundfärbung stellt eine evolutionäre Anpassung an den jeweiligen Lebensraum dar. In ariden Gefilden gibt es mehr helle, gräuliche Tiere, in humiden Gebieten mit hoher Walddichte mehr braun gefärbte Käuze. Neben der Tarnung ist dies womöglich auch ein Schutz gegen zersetzende Bakterien, da dunkle Federn durch den Farbstoff Melanin besser gegen bakteriellen Abbau geschützt sind.

Der Waldkauz | Zu sehen ist ein Waldkauz der rostbraunen Farbvariante. Die Grundfärbung des Gefieders ist weder alters- noch geschlechtsabhängig, wie man lange Zeit vermutete. Sie stellt vielmehr eine Anpassung an unterschiedliche Lebensräume dar.

Die Ohren der Eule sitzen asymmetrisch an ihrem Schädel, wodurch der Schall zeitverzögert auftritt. Mit Hilfe dieses Zeitunterschieds kann der Vogel seine Beute auf Suchflügen oder bei der Ansitzjagd selbst in tiefer Dunkelheit exakt orten. Der Waldkauz ernährt sich zum großen Teil von Wühlmäusen und Echten Mäusen, aber auch von Singvögeln, Amphibien, Fischen oder Regenwürmern. Zudem ist er in der Lage, Beutetiere bis zu seiner eigenen Größe zu schlagen, wie beispielsweise Eichhörnchen oder Kaninchen.

Seine Federn sind sehr weich und haben ausgefranste Kanten mit kammartigen Zähnchen. Statt eines großen Luftstroms entstehen so viele kleine Ströme. Dadurch werden Fluggeräusche so weit gedämpft, dass der Flug nahezu lautlos ist. Deshalb können Waldkäuze ihre ahnungslose Beute einerseits störungsfrei orten und andererseits stark überraschen.

Um alles im Blick zu haben und seinen Gesichtsschleier, der als Schalltrichter dient, auf eine Geräuschquelle zu richten, kann der Kauz seine Halswirbelsäule um bis zu 270 Grad drehen. Möglich wird das durch die große Anzahl an Halswirbeln: Es sind doppelt so viele wie bei uns Menschen. Die 14 Halswirbel des Waldkauzes verfügen außerdem über extraweite Wirbellöcher, die verhindern, dass die Halsschlagader bei der extremen Kopfdrehung abgequetscht wird. Die Netzhaut seiner riesigen, lichtempfindlichen Augen besitzt viele Sehzellen für die Hell-Dunkel-Wahrnehmung, aber kaum Rezeptoren fürs Farbsehen. Daher sieht eine Eulenwelt hauptsächlich schwarz-weiß aus.

  • Der Waldkauz
    Hier finden Sie alle wichtigen Eckdaten sowie Beobachtungstipps rund um den Waldkauz.
  • Steckbrief

    Klasse: Vögel

    Ordnung: Eulen

    Familie: Eigentliche Eulen

    Größe: 37 bis 42 Zentimeter

    Gewicht: 330 bis 630 Gramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 1

    Nachkommen pro Periode: 2 bis 6

    Höchstalter: 22 Jahre

    Bundesweiter Gefährungsgrad (Rote Liste): nicht gefährdet

    Volkstümlicher Name: Baumkauz

  • Beobachtungstipps

    Den Waldkauz trifft man ganzjährig in Laub- und Mischwäldern mit altem Baumbestand an. Aber auch im Siedlungsraum auf Friedhöfen, Parkanlagen oder Gärten kann man ihn beobachten.

    Noch flugunfähig | Die jungen Ästlinge sitzen verborgen zwischen Zweigen. Hier werden sie bis zu einem Alter von 100 Tagen von den Eltern versorgt und beschützt.

Waldkäuze brüten meist in Baumhöhlen, aber auch in Fels- und Mauernischen oder in verlassenen Krähen- und Greifvogelnestern. In den ersten Lebenstagen füttert das hudernde Weibchen die Jungen unter seinem Bauch mit abgesenktem Kopf. Ab dem zehnten Tag tragen beide Elternteile Futter an den Brutplatz und übertreiben es dabei mitunter mit ihrer Fürsorge. So ist ein Fall bekannt, bei dem man in einer Baumhöhle die Jungkäuze auf einem Berg von 38 Mäusen und einer Kohlmeise sitzend fand.

Nach einem Monat springen die noch flugunfähigen Eulen aus der Brutstätte und klettern auf Zweige von Bäumen oder Büschen. Diese so genannten Ästlinge werden hier bis zu einem Alter von 100 Tagen von den Eltern versorgt und vehement durch Angriffsflüge ohne Vorwarnung gegen potenzielle Angreifer verteidigt. Diese unerbittliche Verteidigung erlebte der englische Naturfotograf Eric Hosking am eigenen Leib: Bei seinen Aufnahmen in der Nähe eines Waldkauznestes wurde er von den Elterntieren angegriffen und verlor dabei sein linkes Auge.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.