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Eulbergs tönende Tierwelt: Die Sängerin, die für blaue Wunder sorgt

Dieser häufig anzutreffende heimische Vogel birgt so manche Überraschung: Oder wussten Sie, dass Singdrosseln blaue Eier legen und fast eine Stunde lang am Stück trällern können?
Eine detaillierte Illustration einer Singdrossel mit braunem Gefieder und charakteristischen dunklen Flecken auf der Brust. Der Vogel steht im grünen Gras vor einem dunklen Hintergrund.
Die Singdrossel ist gut an den typischen pfeilspitzenförmigen Punkten auf ihrer Unterseite zu erkennen.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor. Podcast-Tipp: In WUNDERKAMMER feiert er mit dem »Zeit«-Reporter Fritz Habekuß die Schönheit der Natur.

Sehr häufig senden mir Menschen Aufnahmen von Tieren zu und fragen, um welche Art es sich dabei handle. Kaum einen Vogelgesang erhalte ich so oft wie den der hier beschriebenen Spezies. Das liegt wohl daran, dass er so laut, durchdringend und vielfältig melodisch ist. Viele vermuten deshalb eine exotische Art oder eine Nachtigall dahinter.

Diese wunderbare Vogelstimme stammt jedoch von einer Singdrossel (Turdus philomelos). Ihren Namen verdankt sie dem auffälligen Gesang, und auch ihr wissenschaftlicher Name leitet sich davon ab: »Philomelos« bedeutet so viel wie »der das Lied Liebende« oder »Freund des Gesangs«. Die Singdrossel ist eine wahre Meistersängerin und besitzt ein umfangreiches Repertoire an höchst unterschiedlichen Motiven. Ihr flötendes Lied, vorgetragen von einer erhöhten Warte aus, kann man meist morgens schon vor dem Sonnenaufgang und sehr spät abends genießen. Besonders gut erkennt man sie daran, dass sie ihre Motive deutlich voneinander absetzt und jedes davon in charakteristischer Singdrossel-Manier zwei- bis viermal rhythmisch wiederholt, bevor eine neue Strophe beginnt. Bis zu 50 Minuten am Stück kann so eine Gesangsaufführung andauern. Auch Imitationen anderer Vogelarten sind dabei immer wieder zu hören.

Hingucker | Warum das Drosselei derart auffällig gefärbt ist, konnten Fachleute noch nicht abschließend klären.

Die Singdrossel ist nach der Amsel in unseren Gefilden die zweithäufigste Art aus der Familie der Drosseln (Turdidae). Man kann sie sicher an dem dunklen, pfeilspitzenartigen Muster auf ihrer hellen Unterseite von anderen Drosselarten unterscheiden. Die Zugvögel überwintern vorwiegend in Südeuropa und Nordafrika, aber auch in Großbritannien, Frankreich oder den Niederlanden. Einige wenige Tiere bleiben im Winter jedoch bei uns, wobei diese immer mehr werden. Die meisten von ihnen kann man in Deutschland aber nur zur warmen Jahreszeit beobachten, weshalb man sie auch »Sommerdrossel« nennt. Ihren anderen volkstümlichen Namen – »Zippe« – verdankt sie ihren scharfen »Zip«-Rufen, die häufig zur Zugzeit zu hören sind.

Ähnlich wie die Amsel sucht die Singdrossel ihre Nahrung auf dem Boden. Dabei bewegt sie sich hastig und bleibt dann oft abrupt stehen. Neben Insekten und Regenwürmern hat sich der Vogel bei der Nahrungssuche auf Gehäuseschnecken spezialisiert, vor allem auf Bänderschnecken. Ist die Schnecke zu groß, um sie in einem Stück zu verschlucken, wendet die Singdrossel eine besonders raffinierte Methode an, um an das Innere zu gelangen. Dabei schlägt sie das Schneckenhaus so lange auf einen flachen Stein, bis es zerbricht. Mit etwas Glück kann man bei Streifzügen durch die Natur die als »Drosselschmieden« bezeichneten Werkstätten entdecken: Da der Vogel bewährte »Amboss-Steine« immer wieder benutzt, häufen sich darum herum zertrümmerte Schneckengehäuse an.

  • Die Singdrossel
    Hier finden Sie wichtige Rahmendaten sowie Beobachtungstipps rund um den heimischen Singvogel.
  • Steckbrief

    Klasse: Vögel

    Ordnung: Sperlingsvögel

    Familie: Drosseln

    Größe: 21 bis 24 Zentimeter

    Gewicht: : 65 bis 90 Gramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 2

    Nachkommen pro Periode: 3 bis 5

    Höchstalter: 19 Jahre

    Bundesweiter Gefährungsgrad (Rote Liste): nicht gefährdet

    Volkstümlicher Name: Sommerdrossel, Zippe

  • Beobachtungstipps
    Mahlzeit | Schnecken stehen auf dem Speiseplan der Singdrossel. Um an das weiche Fleisch zu gelangen, brechen die Vögel die Schneckenhäuser in ausgeklügelter Manier auf.

    Die Singdrossel sieht man von Anfang März bis Ende Oktober in Laub-, Misch- und Nadelwäldern, sie fühlt sich aber auch in Gärten und Parkanlagen wohl.

Außergewöhnlich ist zudem das Nest der Singdrossel: Es wird mit einem Brei aus zerkautem und eingespeicheltem, morschem Holz ausgekleidet und innen mit einer Schicht Lehm glatt verputzt. Auch ihre Eier sind wahre Kunstwerke. Sie sind dank des Pigments Biliverdin intensiv himmelblau bis leuchtend blaugrün und besitzen kleine, unregelmäßige schwarze Flecken. Das besondere Pigment entsteht als Abbauprodukt des Blutfarbstoffs Hämoglobin und wird beim Durchgang des Eis durch den Eileiter in die Kalkschale eingelagert.

Warum die Eier der Drossel so auffällig gefärbt sind, ist wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt. Jedoch ist klar nachgewiesen, dass die Eifarbe in den bestens versteckten und tiefen Napfnestern keinerlei Einfluss darauf hat, wie viele Eier Nesträuber erbeuten. Womöglich ist die Farbe der Eier ein Indikator für die genetische Fitness der Mutter und damit der Nestlinge: Je kräftiger die Eier gefärbt sind, desto besser das Erbgut. Dies könnten männliche Drosseln als Signal für ihre Entscheidung nutzen, wie viel Ressourcen sie in die Aufzucht dieses Nachwuchses investieren. Ein ähnliches Verhalten wurde bei der amerikanischen Wanderdrossel erforscht.

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