Eulbergs tönende Tierwelt: Krötlein, wechsel dich!

Als ich eines Nachts im südlichen Westerwald unterwegs war, erklang in einer Tongrube ein seltsames Trillern. Ich konnte überhaupt nicht einschätzen, zu welcher Klasse die Tierart gehören sollte, die solche Töne von sich gab. Was denken Sie?
Tatsächlich erinnerten mich die vernommenen Sounds an die Stridulationslaute der Europäischen Maulwurfsgrille (Gryllotalpa gryllotalpa):
Doch im Lichtkegel meiner Taschenlampe offenbarte sich in einem kleinen Teich, inbrünstig rufend, ein ganz anderer Verursacher: Eine Kröte mit wunderbarem Camouflagemuster erzeugte mit einer Kehlschallblase die sonderbar anschwellenden Triller. Es handelte sich um eine männliche Wechselkröte (Bufotes viridis).
Jedes Individuum trägt auf Rücken und Flanken ein einzigartiges Muster aus olivgrünen Flecken samt eingesprenkelten orangeroten Punkten, ähnlich unverwechselbar wie der Fingerabdruck bei uns Menschen. Außerdem kann die Wechselkröte die Grundfarbe ihrer Haut je nach Lichtintensität und Umgebungstemperatur zwischen hell und dunkel anpassen. Daher lautet ein alter volkstümlicher Name für sie auch »Wandelbare Kröte«.
Eigentlich sind Wechselkröten klassische Steppenbewohner und auf trockene, heiße Standorte mit grabbaren Böden und schütterer Vegetation angewiesen. Hier können sich die Tiere dank ihrer kräftigen Unterarme und verdickten Schwielen an den Fußgelenken in den lockeren Böden eingraben und verstecken. Solche kargen Landschaften fanden sie nach der letzten Eiszeit und dem Rückzug der Gletscher in unseren Breiten großflächig vor. Durch die natürlich einsetzende Verbuschung und Bewaldung können sie heute allerdings nur noch in wenigen Gebieten bei uns existieren: etwa in sandigen Habitaten wie Küstenstreifen, Binnendünen oder dynamischen Flussniederungen. Die Art wich zunehmend auf Sekundärlebensräume wie Bahntrassen, Kiesgruben, Truppenübungsplätze, Braunkohletagebaue, Steinbrüche oder Tongruben aus.
Im Gegensatz zur Erdkröte besitzt die Wechselkröte eine Schallblase, um mit ihren durchdringenden Rufen möglichst viele Artgenossen in potenzielle Laichgewässer zu locken. Denn sie hat bei der Arterhaltung keine Zeit zu verlieren: Damit ihre Kaulquappen ohne die Bedrohung von Fressfeinden aufwachsen können, benötigt die Wechselkröte Stillgewässer in einem frühen Entwicklungsstadium, die frei von Fischen und Libellenlarven sind. Solche Pioniergewässer kamen früher häufig in natürlichen Überschwemmungszonen vor. Die Ablage des Laichs ist jedes Jahr von Neuem ein Wettlauf gegen die erbarmungslose Verdunstung, ein Lotteriespiel, das die Amphibie mit bis zu unglaublichen 15 000 Eiern in vier Meter langen Laichschnüren eingeht. Trocknet die Pfütze aus, sterben alle Nachkommen des Jahres.
- Die WechselkröteHier finden Sie alle wichtigen Eckdaten sowie Beobachtungstipps rund um die Wechselkröte.
- Steckbrief
Klasse: Amphibien
Ordnung: Froschlurche
Familie: Kröten
Größe: 6 bis 10 Zentimeter
Gewicht: 29 bis 87 Gramm
Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 2 bis 3
Nachkommen pro Periode: 2000 bis 15 000
Höchstalter: 10 Jahre
Bundesweiter Gefährungsgrad (Rote Liste): stark gefährdet
Volkstümlicher Name: Wandelbare Kröte, Grüne Kröte
- Beobachtungstipps© MriyaWildlife / Getty Images / iStock (Ausschnitt)Stimmgewaltig | Die imposante Kehlschallblase erlaubt es der Wechselkröte, laute Rufe zu erzeugen und so möglichst viele Artgenossen anzulocken.
Wechselkröten trifft man von März bis Oktober in sandigen Gebieten mit schütterer Vegetation an. Sie kommen punktuell in West-, Südost- und Ostdeutschland vor, schwerpunktmäßig in der Rhein-Main-Niederung und in Sachsen-Anhalt.
Hinsichtlich der Wasserqualität ihrer Laichgewässer ist die Wechselkröte nicht wählerisch. So besiedeln die Tiere auch Kläranlagen, Regenrückhaltebecken, Deponiegewässer oder lehmige Staugewässer auf Äckern. Wechselkröten sind ausgesprochen gute Wanderer, die sich mit für Kröten untypischen Sprüngen fortbewegen. So können sie in einer Nacht erstaunliche Strecken von über einem Kilometer zurücklegen. Auf diese Weise gelangen sie immer wieder in den Siedlungsbereich, wo sie in Gärten Insekten, Spinnen und Schnecken jagen. Im Volksmund nannte man sie deshalb früher auch »Dorfunke« oder »Hausunke«. Ich selbst habe schon rufende Männchen sowie Laich in Gartenteichen entdeckt. Sogar in Vogeltränken wurde der Laich manche Male gefunden.
Da ihr Lebensraum auf natürliche Weise verloren gegangen ist, hat es die Wechselkröte bereits ohne menschliches Zutun sehr schwer. Viele Sekundärhabitate sind verschwunden, nachdem sie nicht mehr genutzt wurden. Offensichtlich befällt zudem der aus Afrika eingeschleppte Chytridpilz (Batrachochytrium dendrobatidis) Wechselkröten und führt zu weiteren Bestandsrückgängen. Die Art gilt mittlerweile laut Roter Liste bundesweit als stark gefährdet.
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