Eulbergs tönende Tierwelt: Wer ist hier wer?

Manche Vogelarten sehen sich derart zum Verwechseln ähnlich, dass man sie als Zwillingsarten bezeichnet. Der Fitis (Phylloscopus trochilus) und der Zilpzalp (Phylloscopus collybita) sind dafür wunderbare Beispiele. Beide gehören zur Gattung der Laubsänger (Phylloscopus). Einst waren sie eine gemeinsame Art, die sich evolutionär vor langer Zeit in zwei Arten aufgespalten hat.
Äußerlich sind sie kaum voneinander zu unterscheiden. Die Beine des Zilpzalps sind vielleicht etwas dunkler, der Überaugenstreif des Fitis, vor allem hinter dem Auge, ist etwas länger und deutlicher ausgeprägt. Außerdem ist die so genannte Handschwingen-Projektion, also der Überstand der Handschwingen über die Schirmfedern, beim Fitis größer. Doch die Merkmale können individuell stark variieren, und im Eifer der Vogelbeobachtung in freier Natur sind dies keine verlässlichen Indizien. Der Fitis sucht zudem häufiger in Bodennähe und im Unterholz nach Nahrung, der Zilpzalp hingegen eher hoch oben in den Baumkronen.
Um sich jedoch deutlich voneinander abzugrenzen, besitzen die zwei Laubsänger ihren Gesang, der bei beiden Arten sehr unterschiedlich ist. So singt der Fitis eine weiche, wehmütige Pfeifstrophe, die zum Ende hin abfällt und etwas an einen Buchfinken erinnert. Am Anfang steht eine melodiöse, fließende Folge von »sisisi«-Lauten, die an den Namen des Vogels erinnern – er hat also einen onomatopoetischen Ursprung. Man kann sein Lied gut mit dem Bild eines heruntersegelnden Blattes beschreiben:
Auch der Zilpzalp verdankt seinen Namen seinem Gesang, und dies offenkundig. Es ist ein monotones, rhythmisch vorgetragenes »zilp-zalpzelpzilp-zalp«. Im Englischen heißt der Zilpzalp lautmalerisch »chiffchaff«, auf Niederländisch »Tjiftjaf«, auf Finnisch »Tiltaltti«. Sein Lied erinnert mit etwas Fantasie an klimpernde Münzen, die man beim raschen Sortieren auf unterschiedliche Haufen wirft. Von dieser Vorstellung leitet sich sein wissenschaftlicher Name ab: Collybita stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie »Geldwechsler«.
Während der Zilpzalp im Winter meist nur bis nach Südeuropa zieht und manche Individuen gar hierbleiben, fliegt der Fitis bis nach Zentralafrika. Je nach Brutgebiet legt er pro Strecke 6000 bis 13 000 kräftezehrende Kilometer zurück. Dabei muss er auch den 2000 Kilometer breiten Saharagürtel nonstop überfliegen, verliert dabei mehr als ein Drittel seines Körpergewichts und verzehrt sogar bis zu 30 Prozent seiner Organe.
- Die Nachtigall
Hier finden Sie alles Wissenswerte sowie Beobachtungstipps rund um die sagenumwobene Sängerin.
- Steckbrief
Klasse: Vögel
Ordnung: Sperlingsvögel
Familie: Fliegenschnäpper
Größe: 16 bis 17 Zentimeter
Gewicht: 18 bis 27 Gramm
Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 1
Nachkommen pro Periode: 4 bis 6
Höchstalter: 12 Jahre
Bundesweiter Gefährungsgrad (Rote Liste): nicht gefährdet
Volkstümlicher Name: Auvogel, Nachtsänger
- Beobachtungstipps
Die Nachtigall kann man von April bis August in unterholzreichen Laubwäldern, Gärten und Parks mit Gebüschen und vor allem in tieferen, wärmebegünstigten Gebieten beobachten. Ihre Verbreitungsschwerpunkte liegen im Norden und Osten Deutschlands. Sie fehlt in vielen Mittelgebirgen, an der Küste sowie in weiten Teilen Süddeutschlands. Im äußersten Norden und Osten Deutschlands wird sie durch die Zwillingsart Sprosser ersetzt.
© Andyworks / Getty Images / iStock (Ausschnitt)Aus voller Kehle | Tagsüber singen Männchen hauptsächlich, um Konkurrenten die Reviergrenzen akustisch mitzuteilen und Eindringlinge abzuschrecken. Hier liegt der Fokus stärker auf den schlagenden Strophen.
Der Zilpzalp kommt auf Grund der deutlich geringeren Zugstrecke im Schnitt etwa drei bis sechs Wochen früher in sein Brutgebiet zurück als der Fitis und verweilt in unseren Gefilden auch mehrere Wochen länger. Dadurch ist er in der Lage, meist zweimal im Jahr zu brüten, der Fitis hingegen absolviert in der Regel nur eine Jahresbrut. Beide Arten bevorzugen eine dichte, bodennahe Vegetation als Nistplatz, in der sie sehr versteckt ein backofenförmiges Nest mit seitlichem Eingang erbauen.
Auch wenn man die beiden unscheinbaren, gut getarnten Vögel nur selten zu Gesicht bekommt, gehören sie doch zu den 25 häufigsten heimischen Brutvogelarten. Der Zilpzalp rangiert laut aktueller Liste des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) gar auf Rang 7.
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