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Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf: Flexible Arbeitszeiten und Bewegungsmangel stören den Schlaf

Wer viel vor dem Bildschirm sitzt und noch spät am Abend erreichbar ist, wird nicht müde. Kleine Anpassungen können helfen.
Eine Frau sitzt in einem dunklen Raum vor einem beleuchteten Computerbildschirm. Sie trägt ein kariertes Hemd und stützt ihr Kinn auf ihre Hand, während sie konzentriert auf den Bildschirm schaut. Auf dem Schreibtisch vor ihr liegen eine Tastatur, eine Maus, ein Smartphone und eine Brille.
Flexible Arbeitszeitmodelle sind Fluch und Segen zugleich.

Nicht die Arbeit sei das Problem, sondern der Schlaf, sagt meine Klientin in der Schlafberatung. Ihr Arbeitgeber lasse ihr viele Freiheiten, ihr Chef sei sogar über ihre Schlafprobleme informiert. Sie könne zur Not später anfangen und abends Aufgaben nachholen. Sie arbeite oft von zu Hause aus, weil sie so Arbeitswege spare. Klar grübele sie im Bett manchmal noch weiter über ihren Aufgaben. Doch, so ihre Überlegung, wenn sie besser schlafen würde, dann ließen sich andere Herausforderungen viel besser bewältigen und sie hätte wieder mehr Kraft, um Sport zu machen. Ob ich ihr dabei helfen könne?

Im Kern hat sie Recht: Wenn Menschen gut schlafen, dann fällt ihnen der Alltag leichter. Sie sind gelassener, können Konflikte eher umschiffen und treffen klügere Entscheidungen. Nur ist besserer Schlaf leider nicht die Lösung für Schlafstörungen. Wollen wir die Ursache finden, dann müssen wir auf den Alltag schauen, und der schließt die Arbeit mit ein – selbst, wenn die Bedingungen schon richtig gut sind. Zu viel Bequemlichkeit und zu viel Flexibilität im Arbeitsleben können ausgerechnet jene Momente des Alltags stören, die wir für guten Schlaf brauchen.

Bewegungsmangel stört den Schlaf

Auch die arbeitspsychologische Forschung schaut sich die Bedingungen an, unter denen Menschen arbeiten, um Stellschrauben für besseren Schlaf aufzudecken. Entgrenzte Arbeitszeiten und sitzende Tätigkeiten sind dabei besonders im Fokus, berichtet die Psychologin Claire Smith im »Journal of Occupational Health Psychology«.

Smiths Forschungsteam verwendete Daten von rund 1000 Angestellten aus zehn Jahren. Menschen, die häufig nachts arbeiten, haben ein um 66 Prozent erhöhtes Risiko, Nachholschlaf zu brauchen, also zum Beispiel verlängerten Schlaf am Wochenende. Doch dieser Nachholschlaf wirkt sich auf den Schlaf der folgenden Tage aus, weil er den Rhythmus durcheinanderbringt. Wer sonntags ausschläft, wird abends nicht müde, liegt lange wach und hat am Montagmorgen wieder nicht genug geschlafen. Dies stärkt die negative Erfahrung: Ich kann nicht gut einschlafen, schon gar nicht, wenn ich muss. Und ein solcher Gedanke hält weiter wach.

Zusätzlich haben laut Smith jene, die sich bei der Arbeit wenig bewegen, eine um 37 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit, Schwierigkeiten beim Einschlafen zu erleben, nachts aufzuwachen und tagsüber müde zu sein. Das Problem hielt bei 90 Prozent der Betroffenen über den gesamten Untersuchungszeitraum an, also über zehn Jahre. Denn Schlaflosigkeit, die in der Tagesstruktur begründet ist, geht nicht weg, solange sich diese Struktur nicht ändert. Dafür muss nicht gleich die Profession gewechselt werden. Sportliche Bewegung etwa reduziert das Risiko für Schlafstörungen ebenfalls.

Dies passt zu den Daten deutscher Krankenkassen, die regelmäßig darüber berichten, dass die Zahl der Insomniepatientinnen und -patienten steigt. Mit der Zunahme der regungslosen Arbeit greift auch die Schlaflosigkeit um sich. So werden die bequemen New-Work-Arbeitsbedingungen zur Gesundheitsfalle. Zum Glück ist der Transformationsbedarf gar nicht so groß – und belastet weder Unternehmen noch Angestellte.

Eine Strategie, die müde macht

Für meine Klientin bedeutet das, dass sie etwas verändern muss. Bislang hat sie sich bei der Gestaltung ihrer Tage an ihre Schlafprobleme der jeweils vergangenen Nacht angepasst: Schonung stand auf dem Programm. Ihre neue Strategie: Sie legt sich eine Tagesstruktur zurecht, die der folgenden Nacht dient.

Um ihre Erschöpfung zu überwinden, rate ich meiner Klientin, zunächst ihren Hausarzt ins Boot zu holen, um sich untersuchen und für eine Übergangszeit krankschreiben zu lassen. Sie entscheidet sich dagegen und nimmt einige Tage Urlaub, in denen sie zu einer festen frühen Uhrzeit aufsteht und morgens lange Spaziergänge macht. Die Bewegung hilft ihrem Körper, chemische Prozesse in Gang zu setzen, die sie abends müde machen. Das Tageslicht früh am Morgen signalisiert ihrer inneren Uhr, sich auf Aktivität einzustellen. Außerdem beginnt sie, mit Entspannungstechniken zu experimentieren.

Zurück im Job, nimmt sich meine Klientin vor, an mindestens drei Werktagen pro Woche entweder mit dem Rad zur Arbeit zu fahren oder sich mit einem kurzen Sportprogramm Bewegung zu verschaffen. Dafür erstellt sie eine Linkliste mit Online-Kursen.

Mit ihrem Chef vereinbart sie, dass sie nach Feierabend nur in sehr dringenden Fällen erreichbar ist. Dafür beschließen sie gemeinsam eine feste Zeit, zu der ihr Arbeitstag an jedem Morgen beginnt. Nach schlaflosen Nächten darf sie weiterhin das Homeoffice nutzen. In einem Teammeeting entscheidet die gesamte Abteilung außerdem, dass alle Mitarbeitenden zusätzlich zur Lunchpause zwei kurze Pausen einlegen, die vor allem der Bewegung dienen sollen – damit aber auch die Konzentration fördern. Meine Klientin fühlte sich zwar zuvor bereits gut unterstützt, aber nun hat sie bewusst ihren Fokus verschoben: Sie nimmt nun stets die nächste Nacht in den Blick – nicht die, die zurückliegt.

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