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Freistetters Formelwelt: Wie man Tyrannosaurier zählt, ohne gefressen zu werden

Die Mathematik hilft auch bei eher ungewöhnlichen Problemen weiter. Zum Beispiel, wenn man die Population eines längst ausgestorbenen Raubtiers bestimmen will.
Zwei Tyrannosaurier beim Kämpfen.

Auf das Wesentliche reduziert ist Forschung eigentlich ganz einfach. Meistens geht es darum, etwas zu zählen. Viele Messungen und Experimente basieren darauf, Dinge oder Ereignisse zu zählen. In der Astronomie etwa »zählt« man die Photonen, die auf die Detektoren der Teleskope fallen. Die absolute Anzahl ist dabei natürlich selten interessant; das Zählen übernimmt ein Gerät, das die Menge an elektromagnetischer Strahlung in einfach zu betrachtende Bilder oder Diagramme umwandelt. Auf denen kann man dann beispielsweise Sterne betrachten, die unter Umständen auch gezählt werden müssen, um an die Erkenntnisse zu gelangen, die man sucht.

In der Teilchenphysik zählt man Kollisionen von Partikeln mit Messgeräten; anderswo werden Elektronen gezählt und die daraus resultierende Stärke eines elektrischen Stroms. In der Medizin zählt man, wie viele Viren oder Antikörper man im Körper trägt. Und in der Biologie will man gerne wissen, mit wie vielen Lebewesen man es zu tun hat.

Nimmt die Anzahl an Vögeln in einer bestimmten Region ab? Gibt es mehr oder weniger Insekten als in den Jahren zuvor? Wird eine Population größer oder kleiner? Um solche Fragen zu beantworten, sollte man eine Vorstellung davon haben, welche Größenordnungen man erwarten kann. Dafür kann man sich einer Formel bedienen, die der amerikanische Biologe John Damuth im Jahr 1981 veröffentlicht hat:

Mit D wird die Dichte einer bestimmten Population bezeichnet und mit W die durchschnittliche Masse eines erwachsenen Lebewesens der jeweiligen Spezies. Wer diese Formel aufmerksam betrachtet und Erfahrung mit der Auswertung von Daten hat, wird hier gleich an die Ausgleichsgerade einer linearen Regression denken.

Man kann Damuths Formel auch so formulieren: Trägt man den Logarithmus der durchschnittlichen Körpermasse W von Individuen verschiedener Spezies auf der x-Achse eines Diagramms auf und den Logarithmus ihrer Populationsdichte D auf der y-Achse, dann erhält man keine beliebige Ansammlung von Punkten. Die Werte verteilen sich um eine gerade Linie herum, die von links oben im Diagramm nach rechts unten verläuft. Etwas vereinfacht gesagt: Je weniger Masse ein Lebewesen hat, desto mehr gibt es von ihnen.

T. rex zählt man besser aus sicherer Entfernung

Damuth hat dieses Ergebnis aus verschiedensten Daten zusammengetragen; insgesamt hat er 307 hauptsächlich Pflanzen fressende Säugetierarten aus Habitaten in aller Welt herangezogen, um sein Diagramm zu zeichnen. Den Faktor b – der den Anstieg der Ausgleichsgeraden angibt – konnte er so quasi experimentell auf –¾ bestimmen; es hat sich aber gezeigt, dass dieser Wert allgemein für eine Vielzahl von Lebewesen gilt.

Mit Damuths Gesetz kann man deswegen auch Tiere zählen, die es gar nicht mehr gibt. Im April 2021 hat ein amerikanisches Forschungsteam damit berechnet, wie viele Exemplare von Tyrannosaurus rex es jemals auf diesem Planeten gab. Der war zwar kein Pflanzenfresser wie die Säugetiere, die die Daten für Damuths Gesetz geliefert haben, doch das lässt sich über eine entsprechende Wahl der Konstanten a ausgleichen.

Auch die Körpermasse eines T. rex lässt sich nicht direkt bestimmen; immerhin haben wir nur versteinerte Knochen, von denen wir auf den Rest des Tieres extrapolieren müssen. Die Zeit, in der diese Dinosaurierart auf der Erde gelebt hat, lässt sich ebenso wenig genau schätzen. Am Ende liefert die Formel aber ein Ergebnis: 2,5 Milliarden Exemplare von T. rex sind über die Erde gelaufen. Zu jedem Zeitpunkt gab es jedoch immer nur um die 20 000 von ihnen.

Diese Rechnung demonstriert drei wichtige Punkte: 1) Dinosaurier haben die Erde für sehr, sehr lange Zeit dominiert. 2) Mit Mathematik kann man auch Tiere zählen, die es nicht mehr gibt. Und 3) Zum Glück laufen diese Dinos heute nicht mehr überall durch die Gegend.

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