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Unwahrscheinlich tödlich: Tod durch Gräte

Fischgräten können einem nicht nur im Hals stecken bleiben – mitunter durchlöchern sie sogar den Verdauungstrakt, schlitzen Blutgefäße auf, gehen in wichtigen Organen auf Wanderschaft oder sie bohren sich in den Po. Und das hat zum Teil fatale Folgen.
Ein Teller mit zwei gekreuzten Fischskeletten, einschließlich Köpfen und Schwänzen, auf einer dunkelblauen Keramikplatte. Der Teller steht auf einem Holztisch.
Fischmahl mit Folgen: Wer die filigranen Gräten verschluckt, kann sich damit eine Vielzahl von Problemen einverleiben.
Eines ist sicher: Irgendwann geben wir alle den Löffel ab. Weniger absehbar ist das Wie. Denn es gibt eine schier unendliche Zahl an Wegen, die einen Menschen ins Grab bringen können – manche von ihnen außergewöhnlicher, verblüffender und bizarrer als andere. In der Kolumne »Unwahrscheinlich tödlich« stellen wir regelmäßig solche Fälle vor, von bissigen Menschen über giftige Reisbällchen bis hin zu lebensgefährlichem Sex.

In der Region, in der ich aufwuchs, kommt zu Weihnachten traditionell Karpfen auf den Festtagstisch. Mir wären allerdings andere Fischarten lieber. Lachs, Forelle oder Zander und Barsch wandern häufiger über meinen Teller und in meinen Magen. Im Vergleich zum Karpfen haben all diese Arten auch einen angenehmen Vorteil: In ihrem Fleisch befinden sich in der Regel weitaus weniger Gräten. Und die können nicht nur (wie ich leider schon am eigenen Leib erfahren musste) beim Schlucken im Rachen stecken bleiben und dort bis zu ihrer Befreiung unangenehme Empfindungen auslösen. Sie dringen mitunter tief in das Gewebe ein und verursachen auf ihrem Weg zum Teil tödliche Verletzungen.

Besonders gefährlich wird es, wenn die filigranen Skelettteile sich in der Speiseröhre verfangen. Mit ihrer Spitze können sie die dünne Muskelschicht durchstoßen und anschließend in anliegende Körperteile gedrückt werden. Und entlang des Organs gibt es Bereiche, in denen kleine, nadelartige Fremdkörper viel Schaden anrichten können: große Blutgefäße, das Herz oder die Lunge, um nur einige davon zu nennen.

Betroffene kommen dann mitunter bereits im kritischen Zustand in die Klinik. So ging es im Jahr 2019 etwa einer 53-jährigen Chinesin. Sie wandte sich an ein regionales Krankenhaus, weil sie seit zwei Tagen mit Schwindel und Benommenheit kämpfte. Schon bei den ersten Tests stellte sich heraus, dass sie eine schwere Blutarmut hatte; die Ursache blieb jedoch vorerst unklar. Die Ärzte nahmen sie stationär auf und verabreichten ihr Infusionen, um ihr Blutvolumen zu erhöhen. Am folgenden Morgen fanden sie die Patientin tot neben ihrem Bett.

Gräten auf Reisen

Eine Obduktion sollte die Ursache für ihr plötzliches Ableben klären. Dabei entdeckten die Pathologen eine Fischgräte, die die Speiseröhre in der Nähe des Herzens durchstoßen hatte und in die dort liegende Unterschlüsselbeinarterie eingedrungen war. An der verletzten Stelle bildete sich eine Fistel, also eine unnatürliche Verbindung zwischen beiden Strukturen. Blut floss so direkt von der Ader in den Magen-Darm-Trakt und sammelte sich in diesem an – was erklärte, warum die Frau eine Anämie entwickelt hatte.

Eine 71-jährige Japanerin hatte 2020 mehr Glück. Ärztinnen und Ärzte entdeckten die Gräte, die sich durch ihre Speiseröhre bis in die Lungenarterie gebohrt hatte, am ersten Tag nach ihrem Fischmahl. Zu dem Zeitpunkt litt die Patientin bereits an einer Mittelfellentzündung und leichtem Fieber, ihre Schmerzen hielten sich jedoch in Grenzen. Den Fremdkörper entfernte das Operationsteam unter Vollnarkose, um – falls es dabei zu einer lebensbedrohlichen Blutung käme – sofort eingreifen zu können. Der Eingriff verlief gut und die Frau erholte sich vollständig.

Tödlicher Stich ins Herz

Eine 2025 veröffentlichte Übersichtsarbeit analysierte 127 Fälle von wandernden Gräten. Neben solchen, bei denen die Fischknochen von der Speiseröhre aus in große Arterien eindrangen und dort zum Teil tödliche Verletzungen auslösten, beschreibt die Arbeit auch Schäden an der Lunge und an der Wirbelsäule. Letztere führten mitunter zu Lähmungen und in einem Fall zu einer fatalen Blutvergiftung. In sechs Fällen gelangte eine Gräte in das Herz eines Patienten oder einer Patientin. Eine Person starb daraufhin an einem unbehandelten Perikarderguss: einer Ansammlung von Flüssigkeit im Herzbeutel, die das Organ daran hindert, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen.

Auch etwas weiter unten im Verdauungstrakt hören die Probleme nicht auf. Ein Grieche starb etwa infolge eines Leberabszesses, der von einer aus dem Magen stammenden Gräte ausgelöst wurde. Er kam mit hohem Fieber, Bauchschmerzen und Gelbsucht ins Krankenhaus; seine Beschwerden hatten drei Tage zuvor begonnen und sich seither stetig verschlimmert. Das Notfallteam fand im Leberultraschall keine Anzeichen auf ernsthafte Schäden und verabreichte ihm Antibiotika. Seine Symptome nahmen jedoch weiter zu und er entwickelte eine Blutvergiftung, die ihn bald darauf das Leben kostete. Erst bei der postmortalen Untersuchung seiner Organe entdeckte man den Fremdkörper, der aus dem Magen in die Leber hineinragte.

Von perforierten Gedärmen bis hin zur Endstation Po

Wenn es nicht schon zuvor hakt, kommt es auf der Reise durch die Darmschlingen besonders häufig zu Problemen. In der Übersichtsstudie machten durchbohrte Gedärme mehr als ein Viertel der ausgewerteten Fälle aus. Sie traten in ganz unterschiedlichen Teilen des etwa sieben Meter langen Organs auf. Viele Gräten tauchten im Anschluss wieder in der Leber auf, manchmal mit schwerwiegenden Folgen. Einige verirrten sich in die Bauchspeicheldrüse oder Milz.

Selbst wenn der Fremdkörper keine weiteren Gewebe verletzt, kann das Loch im Darm tödliche Komplikationen nach sich ziehen. Ein Mann in Sri Lanka kam wegen drei Tage lang anhaltender Bauchschmerzen, Blähungen, Erbrechen und Verstopfung in ein lokales Krankenhaus. Sein Zustand war derart besorgniserregend, dass das Ärzteteam eine Notoperation einleitete. Im unteren Teil des Dünndarms fanden sie Entzündungsherde, die von ausgetretener Fäkalmasse umgeben waren. In der Nähe befand sich das winzige Loch, in dem eine verhakte Fischgräte steckte. Das Medizinerteam entfernte sie und schloss die Verletzung. Der Mann starb dennoch nur wenige Stunden später; die Infektion in seinem Bauchraum hatte bereits zu viel Schaden angerichtet.

Glück im Unglück hatte hingegen ein älterer Japaner. Er klagte über einen schmerzenden und geschwollenen Po. Bei der Untersuchung fanden die Mediziner einen eitrigen Abszess in der Nähe seines Afters. Mittels Computertomografie-Scan seines Hinterteils erkannten sie, dass eine nadelartige Struktur im Entzündungsherd steckte. Bei der folgenden operativen Öffnung und Drainage entfernten sie einen fünf Zentimeter langen Fischknochen, der sich hier tief im Gesäß eingenistet hatte. Nach einer Antibiotikatherapie konnte der Mann das Krankenhaus genesen verlassen.

Bei der Selbsthilfe statt zur Banane lieber zum Öl greifen

Selbst ein Pieks in die Rachenwand ist nicht immer harmlos, wie die bereits erwähnte Übersichtsarbeit dokumentiert. Sie registrierte 17 schwere Fälle, und bei manchen davon verletzte die Gräte kritische Blutgefäße im Rachenraum. Andere Male drang sie in die Zunge, die Mandeln oder in Drüsen ein und führte hier zu Schmerzen und Entzündungen.

Der gut gemeinte Ratschlag, eine Banane, Reisbällchen oder sonstige weiche Speisen zu essen, um den Fremdkörper in den Magen zu drücken, ist übrigens eher nicht empfehlenswert: Man kann damit nämlich genau das Gegenteil bewirken und die Knochenspitze noch tiefer ins Gewebe pressen. Besser sollte man versuchen, die Fischgräte auszuhusten oder die Blockade mit ein wenig Speiseöl zu lösen. Wenn das fehlschlägt, sollte man sich nicht davor scheuen, ärztliche Hilfe zu suchen. Und zwar am besten, bevor man weitere, heftigere Beschwerden entwickelt.

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