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Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte der Jagd auf den Großen Panda

Vor knapp hundert Jahren katapultierten zwei Söhne Theodore Roosevelts den Panda auf die Weltbühne. Unsere Geschichtskolumnisten über eine Art, die beinahe zu Tode geliebt wurde. 
Zwei Männer stehen vor einer mit Efeu bewachsenen Steinwand. Beide tragen wetterfeste Kleidung und haben Bärte. Links im Bild ist ein Fenster zu sehen. Die Szene wirkt historisch und rustikal.
Auf Jagd für das Museum: Theodore (links) und Kermit bei einer ihrer Asienexpeditionen. Im Jahr 1928 hatten sie vor allem ein Ziel im Auge – den Panda.
Die beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner bringen jede Woche »Geschichten aus der Geschichte« in ihrem gleichnamigen Podcast. Auch auf »Spektrum.de« blicken sie mit ihrer Kolumne in die Vergangenheit und erhellen, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind.
Alle bisherigen Artikel der Kolumne »Hemmer und Meßner erzählen« gibt es hier.

Irgendwann zeigte der Kalender Anfang April, und die Brüder Theodore und Kermit Roosevelt hatten immer noch keinen Erfolg vorzuweisen. Seit inzwischen vier Monaten stapften sie durch die bergige und waldige Landschaft im Südwesten Chinas, ohne auch nur ein einziges dieser Wesen zu Gesicht zu bekommen. Niemand konnte – oder wollte – ihnen weiterhelfen. Wo auch immer sie das Bild der pummeligen Kreatur zeigten, ernteten sie Kopfschütteln. Dabei wussten sie, dass sie keinem Phantom nachjagten: Erst kurz zuvor hatten sie einem Händler in der Provinz Sichuan ein altes Fell abgekauft, auf dem die charakteristische Schwarz-Weiß-Zeichnung des Tieres eindeutig erkennbar war. In wenigen Tagen würde die Regenzeit einsetzen und spätestens dann müssten sie ihre Expedition abbrechen. 

In der Nähe von Chengdu wagten sie einen letzten Versuch. Und da, mitten in einem dichten Bambuswald, entdeckte Kermit den lang gesuchten Pfotenabdruck. Das Gewehr im Anschlag nahmen sie die Fährte auf. Denn das geheimnisvolle Tier sollte nicht etwa studiert, sondern nach Hause gebracht werden. Im Field Museum für Naturgeschichte in Chicago wartete man bereits auf den illustren Neuzugang: Ein echter Großer Panda sollte es sein. Tot natürlich, man war ja kein Zoo.

Auf der Suche nach dem Großen Panda

Es war nicht die erste gemeinsame Expedition der beiden. Bereits 1925 waren die Söhne des ehemaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt unterwegs gewesen, um die Zentralasiensammlung des Field Museums zu erweitern. Ende 1928 startete dann der Versuch, die schwarz-weißen Einzelgänger zu finden.

Das Verbreitungsgebiet von Ailuropoda melanoleuca ist ziemlich klein. Der Große Panda lebt nur in wenigen Bergregionen im Südwesten Chinas, die meisten in der Provinz Sichuan, wo er am liebsten durch dicht bewaldete Berghänge streift und einen Großteil des Tages mit dem Fressen von Bambus zubringt. 

Erstmals beschrieben wurde die Art vom französischen Missionar und Naturforscher Armand David im Jahr 1869. Lebend hatte er das Tier allerdings nicht gesehen. Er hatte lediglich ein Fell nach Paris geschickt.

In China waren die Tiere zwar seit Jahrhunderten bekannt, aber eigentlich interessierte sich niemand so wirklich für sie. Ihr Fleisch galt als ungenießbar, das Fell brachte nicht viel ein. Kurz: Um den Großen Panda wurde so wenig Aufhebens gemacht, dass sein Ruf kaum die Landesgrenzen überschritt. In Europa oder den USA war er bestenfalls einigen Naturforschern ein Begriff. Das allerdings sollte sich mit der Roosevelt-Expedition schlagartig ändern. 

Erst vergessen, dann Superstar

Vom heutigen Myanmar aus hatten sich die Roosevelts über die Ausläufer des Himalayas auf das tibetische Hochplateau und dann weiter nach Chengdu in der Provinz Sichuan vorgearbeitet, geplagt von Höhenkrankheit und schwierigstem Gelände, wie die Autorin Nathalia Holt in ihrem Buch »The Beast in the Clouds: The Roosevelt Brothers' Deadly Quest to Find the Mythical Giant Panda« schreibt.

Die Beharrlichkeit zahlte sich aus: In jenem Bambusdickicht wurden die Brüder Kermit und Theodore Roosevelt zu den allerersten Nichtchinesen, die einen Panda erschossen.

Auch in ihrem Heimatland wurden die Pandas mit einem Mal zum Sympathieträger.

Mit dem gekauften Fell und dem selbst erjagten konnten sie so gleich zwei Pandafelle nach Chicago bringen. Dort wurden die Häute präpariert und in der Halle der asiatischen Säugetiere im Field Museum ausgestellt – bis heute übrigens.

Auch den noch lebenden Pandas bescherte die Expedition ungeahnte internationale Aufmerksamkeit. Bald machten sich weitere Expeditionen auf den Weg. In der Provinzhauptstadt Chengdu etablierte sich ein Markt für den Handel mit den Bären, der seinerseits Jäger auf den Plan rief, die dem Tier nachstellten. Und so dauerte es nicht lange, bis auch der erste lebende Panda in die USA kam: Die Modeschöpferin Ruth Harkness reiste 1936 nach Chengdu, wo sie ein wenige Wochen altes Pandababy kaufte. Die putzige Su Lin wurde mit der Flasche aufgezogen und schließlich für 9000 Dollar an den Brookfield Zoo in Chicago verkauft. Doch die fehlende Erfahrung im Umgang mit den Tieren kostete Su Lin wohl bald das Leben. Nach nur einem Jahr starb sie und wurde für 150 Dollar ans Field Museum verkauft, wo das präparierte Tier ebenfalls noch heute zu sehen ist.

Su Lin mit Frauchen | Die Designerin Ruth Harkness beschaffte sich ein Pandajunges in Chengdu und brachte es in die Vereinigten Staaten. Dort starb das Tier allerdings recht bald.

Immer mehr Artgenossen Su Lins fanden sich nun unversehens in Europa und den USA wieder. Die Kommerzialisierung des Großen Pandas hatte begonnen. Es dauerte gerade einmal zwei Jahre, bis – im Jahr 1938 – lokale Behörden einen rapiden Rückgang der Pandapopulation registrierten und ein Jagd- und Ausfuhrverbot forderten.

Pandadiplomatie

Ihre Rettung vor der Ausrottung verdankt die Art dem Umstand, dass sie auch in ihrem Heimatland zum Sympathieträger geworden war, die Roosevelt-Expedition hatte offenbar hier ebenfalls Wirkung gezeigt. Im bürgerkriegsgebeutelten China avancierte der Panda gar zusehends zum nationalen Symbol. Entsprechend erhielt sein Schutz nun Priorität, Jagd und Ausfuhr wurden 1939 verboten.

Der Beliebtheit der Pandas im Westen tat das keinen Abbruch. In allen Zoos, in denen Große Pandas zu sehen waren, wurden sie zu Publikumsmagneten – die man nur ungern missen wollte, wenn sie einmal starben. Spätestens als 1941 der Bronx Zoo in New York seinen Star Pandora verlor und China um die Ausfuhr eines neuen Pandas ersuchte, wurde man sich in Peking des außenpolitischen Werts der Tiere bewusst. Es begann die Ära der Pandadiplomatie: Ab jetzt verschenkte die chinesische Regierung die seltenen Tiere als bedeutsame Geste im diplomatischen Austausch.

So übergab der chinesische Staats- und Parteichef Mao Zedong dem US-Präsidenten Richard Nixon 1972 zwei Pandas, die fortan im Smithsonian National Zoological Park in Washington, D.C. zu sehen waren. Besucherrekord inklusive: Im ersten Jahr kamen mehr als eine Million Menschen.

Ab 1984 änderte China seine Strategie: Große Pandas wurden jetzt nicht mehr verschenkt, sondern gegen eine Gebühr ausgeliehen. Und zwar unter der Bedingung, dass sämtliche während der Leihe geborenen Jungen Eigentum der Volksrepublik werden. Daher gehören – bis auf eine Ausnahme – alle Pandas der Welt China. Nur Xin Xin im Zoo von Mexiko-Stadt nicht, denn ihre Eltern waren geschenkte Pandas.

Im Übrigen müssen alle jungen Großen Pandas an China zurückgegeben werden. Der Berliner Zoo hat zum Beispiel 2017 zwei Große Pandas aus Chengdu für 15 Jahre ausgeliehen. Die ersten beiden Jungen, die 2019 auf die Welt kamen (Spitznamen Pit und Paule) sind bereits an China zurückgegeben worden. Und die 2024 geborenen Pandababys (Spitznamen Leni und Lotti) werden ebenfalls folgen.

Inzwischen gilt der Erhalt der Tierart auch als Erfolgsstory des Artenschutzes. Ihr weltweiter Bestand wird auf etwa 2000 Tiere geschätzt, damit steht sie auf der Roten Liste inzwischen nicht mehr in der Kategorie »vom Aussterben bedroht«, sondern wird nur noch als »gefährdet« geführt. In China gibt es neben großen Zuchtstationen auch ausgedehnte Schutzgebiete, die in den letzten Jahrzehnten massiv ausgebaut wurden. 2020 verbanden die Behörden 70 Schutzgebiete zum Great Panda National Park. Dort leben heute 80 Prozent aller Pandas.

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  • Quellen
Holt, N., The Beast in the Clouds: The Roosevelt Brothers' Deadly Quest to Find the Mythical Giant Panda, 2025

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