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Hirschhausens Hirnschmalz: Spaziere um dein Leben!

Eckart von Hirschhausen

    Eine Stunde joggen, radfahren oder schwimmen in der Woche finde ich …

  1. A) zu anstrengend!
  2. B) Moment, alles in derselben Woche?
  3. C) – gilt auch Schachsport?
  4. D) zu wenig.

Jede Woche eine neue Meldung, dass psychische Erkrankungen zunehmen und wie viel Lebensqualität, Arbeitszeit und Geld uns das kostet. Wo bleibt da das Positive? Hier ist es: Man kann der Depression davonlaufen. Dafür muss man noch nicht mal »Ironman« oder Eisenfrau sein. Eine Depression kommt eher schleichend, deshalb reicht es, im Schritttempo vor ihr herzugehen.

Die Schwester der Schwermut ist die Schwerkraft, die dich am Boden hält, da wo die emotionale Nulllinie verläuft. Dann dauert es oft lange, bis du wieder auf die Beine kommst – also mach dir vorher selbst welche. Genug metaphorisiert, hier die Zahlen aus einer aktuellen Untersuchung, die darauf hinweist, wie effektiv sportliche Betätigung gesunde Erwachsene davor schützt, depressiv zu werden. Denn dass sich die Betroffenen zu nichts aufraffen können, ist ja bereits Teil des Problems.

Die Studienteilnehmer waren fast 34 000 Menschen aus der norwegischen Pampa, die zunächst keine seelischen Beeinträchtigungen zeigten. Ihr Befinden und ihre Lebensgewohnheiten wurden über elf Jahre hinweg beobachtet. Siehe da: Regelmäßige Bewegung in der Größenordnung von einer Stunde pro Woche wirkte bereits präventiv. Dabei war nicht die Intensität entscheidend. Wer also durch kleine Sporteinheiten (den Gang vom Sofa in die Küche jetzt mal nicht mitgerechnet) auf 60 Minuten in der Woche kam, blieb mental obenauf.

Ja, ich weiß auch, dass solche Beobachtungsstudien keine Ursache-Wirkungs-Beziehung belegen. Aber der Verdacht liegt statistisch schon recht nahe – und vor allem birgt die Sache eine Ermutigung mit riesigem Potenzial: Wenn wir unseren Schweinehund nur ein bisschen auf Trab bringen, können wir bis zu zwölf Prozent der häufigsten seelischen und einer der fatalsten Erkran­kungen überhaupt vorbeugen. Das entspräche allein in Deutschland Pi mal Daumen einer halben Million Menschen, denen es klinisch so viel besser ginge, dass sie weder Medikamente noch Psychotherapie bräuchten.

Nur wer sagt's denen? Oder lesen die alle »Gehirn&Geist«? Gut, dass ich nicht für »Herz&Hoden« schreibe, denn die Dosis Sport, die vor Herzinfarkt schützt, ist locker doppelt bis dreimal so hoch wie die für den Geist. Und für Hoden fällt mir keine gender-neutrale Pointe ein. Egal. Viele Risikofaktoren sind ja nur schwer zu beeinflussen: die Gene, falsche Freunde und einfach Pech. Aber wenn wir uns in den letzten Jahrzehnten kollektiv immer weniger bewegen, wundert es nicht, dass Depressionen auf dem Vormarsch sind.

Eine nicht ganz neue, doch wieder hochaktuelle Forderung lautet deshalb: Ärzte sollten, ehe sie zum Rezeptblock für Psychopharmaka greifen, einen Hund verordnen! Der eignet sich bestens, um den inneren Schweinehund in Schach zu halten. Denn wenn du morgens im Bett rumgammelst, macht der mit dir eine Verhaltenstherapie: Entweder du stehst jetzt auf, oder ich kack dir den Teppich voll! Hundebesitzer kriegen automatisch jeden Tag Bewegung, Licht und sozialen Kontakt. Alles nachgewiesene Antidepressiva. Mehr noch: Gassigehen gibt Struktur, Sinn und Halt im Leben – und wenn es nur die Leine ist. Aber die zieht nach draußen, nach vorne, und hält dich im Leben. Nein, liebe Frauen, Katzen gelten nicht.

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  • Quellen

Harvey, S. B. et al.: Exercise and the Prevention of Depression: Results of the HUNT Cohort Study. In: American Journal of Psychiatry 10.1176/appi.ajp.2017.16111223, 2017

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